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Aktion Grüne Kreuze als stiller Protest

Warum stehen auf vielen Feldern im Harz grüne Kreuze? Der Vorstand des Bauernverbandes Nordharz erklärt die Aktion. Ein Blick nach Harsleben.

Von Dieter Kunze 08.10.2019, 12:00

Harsleben l Am 4. September hatte das Bundesministerium für Landwirtschaft gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium ein sogenanntes Agrarpaket verabschiedet. „Seitdem geht in vielen landwirtschaftlichen Betrieben die Angst um, dass damit jegliche Produktion auf dem Acker und im Stall erschwert und in Einzelfällen nahezu unmöglich gemacht wird“, sagte Geschäftsführerin Diana Borchert vom Bauernverband Nordharz.

Die Vorgaben würden massiv in die Eigentumswerte der Landwirte eingreifen. Einzelne Flächen würden wertlos und könnten nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Die Folge: Lebensmittel würden aus dem Ausland importiert, ohne Rücksicht darauf, wie sie dort erzeugt wurden. Das könne nicht im Sinne des Verbrauchers sein.

Die zahlreichen Verbote von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln führten dazu, dass die Erträge sinken. „Das trifft die hiesigen Landwirte nach zwei extrem trockenen Jahren besonders“, so Diana Borchert. Die Versorgung der heimischen Bevölkerung mit regionalen Produkten sei gefährdet.

Die Geschäftsführerin: „Auch das widerspricht dem Wunsch des Verbrauchers.“ Die jüngsten politischen Entscheidungen würden an den Empfehlungen der Fachleute vorbeigehen. „Die Politik kommuniziert nicht mehr mit uns, es gibt keinen Dialog, sondern nur Parteikalkül“, stellte die Geschäftsführerin in Abstimmung mit ihrem Vorstand fest.

Die grünen Kreuze sollen als Mahnung an die Gesellschaft verstanden werden, sich dem Wert der heimischen Landwirtschaft bewusst zu werden. Der Bauernverband Sachsen-Anhalt habe sich der Aktion angeschlossen, auch mehrere Einzel-Landwirte der Region. Sie befürchten, dass künftig mehr finanzielle EU-Mittel in Projekte verschoben werden, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben.

Die Mittel der ersten Säule dienten dem direkten Ausgleich für die Landwirte, die preislich am Weltmarkt konkurrieren müssen, aber hier unter deutlich höheren Anforderungen und damit teurer produziert werden. Schon sei ein nächstes Aktionsprogramm zum Insektenschutz in Arbeit. Danach könnte in Deutschland auf 2,3 Millionen Hektar Land nur noch unter erheblichen Einschränkungen produziert werden.

In Harsleben gibt es wegen der Milchkrise und dem zunehmenden Fleischimport kaum noch Tierproduktion. Die 57 Mitarbeiter der örtlichen Agrargenossenschaft produzieren auf rund 6300 Hektar vor allem Weizen, der wegen der zunehmenden Billigimporte und der Trockenheit immer mehr zum Problem wird. „Wir arbeiten nach guter fachlicher Praxis“, betonte Vorstandsvorsitzender Manuel Schmolke.

Dünger und Pflanzenschutzmittel seien teuer geworden und würden schon aus diesem Grund nur gezielt eingesetzt. Schmolke: „Wir haben nichts zu verstecken, bei uns wird alles genau dokumentiert. Ob dies in der Ukraine auch so ist?“

Die Europäische Union sorge für viele Wettbewerbsverzerrungen, in dem für einige Länder Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Um sich den neuen Bedingungen besser anzupassen, wurde von der Genossenschaft jetzt ein modernes Rübenhackrahmensystem mit Kamerasystem angeschafft.

„Damit können wir auf 18 Reihen gleichzeitig Unkraut mechanisch bekämpfen und Pflanzenschutzmittel einsparen“, erläuterte der Vorstandschef. Künftig sollen auch Rapsaussaaten im Einzelkornverfahren erfolgen sowie Erbsen und Soja getestet werden. Weil die Böden immer weniger tief gepflügt würden, werde auch die Mäusebekämpfung erschwert. Auch da warteten neue Bestimmungen. Der Hamsterschutz bereite ebenso Probleme.

Noch sei Zeit zu handeln, weil einige Beschlüsse noch den Bundestag passieren müssen. Da wollen die Mitglieder des Bauernverbandes und andere Landwirte dranbleiben. Die Aufmerksamkeit suchen sie hier nicht durch große Krawallaktionen, sondern durch einen „stillen Protest“ in Form der Kreuze.