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Altstadtsanierung Strafzins für faule Bauherren in Halberstadt

Private Bauherren sind mit Sanierungsfällen in der Altstadt Halberstadts meist finanziell überfordert. Bund und Land geben dafür Fördergeld.

Von Jörg Endries 09.01.2019, 00:01

Halberstadt l Fast 30 Jahre nach Start der Wiederaufbauarbeit im noch erhaltenen historischen Stadtgebiet Halberstadts warten einige Problem­fälle noch auf ihre Sanierung. Die Rede ist von stark verfallenen Gebäuden, deren Rettung meist sechs- beziehungsweise siebenstellige ­Investitionssummen verschlingen. Fördermittel von Bund und Land sind wichtige Katalysatoren, die diese schwierigen Bauvorhaben überhaupt erst ermöglichen.

„Private Bauherren sind allein meist überfordert. Ohne kräftige Zuschüsse würden sich für diese Häuser keine Interessenten finden“, bestätigt Jens Klaus, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung. Ein Beispiel dafür sei das ehemalige Gasthaus „Zur Sonne“ in der Gröperstraße, das fast drei Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben war. Der Rettungsplan verschlingt Millionen. Eine Förderung durch das Land Sachsen-Anhalt, das 1,8 Millionen Euro zur Verfügung stellt, ermöglicht das Projekt überhaupt erst. Bauherr ­Michael Herrmann macht kein Geheimnis daraus: „Ohne ­diesen kräftigen Zuschuss wäre die Sanierung wirtschaftlich nicht zu finanzieren gewesen.“ Das trifft ebenfalls auf die ehemalige Städtische Badeanstalt in der Bödcherstraße zu. Nach über 20 Jahren Leerstand, in denen kein Investor gefunden wurde, nimmt sich nun eine Investorengemeinschaft des Denkmals an. Etwa 2,7 Millionen Euro stehen aus zwei Förderprogrammen dafür bereit.

Unterstützung erfahren auch kleine Bauprojekte wie das Haus Unter der Tanne 4. Stark verfallen war es ein scheinbar hoffnungsloser Fall. Dennoch fand sich ein Käufer, der das Gebäude aufwendig sanierte. Ein Zuschuss von 71.000 Euro half dabei.

Leider gibt es Bauherren, die eine großzügige Förderung erhalten und trotzdem nichts tun. So ein bedauernswerter Fall ist das Haus Westen­dorf 38. „Das Gebäude, etwa um 1840 entstanden, ist ein wichtiges Zeugnis für den Klassizismus in Halberstadt und muss gerettet werden“, betont Jens Klaus. Im Herbst 2017 übergab Sachsen-Anhalts Bauminister Thomas Webel (CDU) dafür an die Stadt Halberstadt einen Förderbescheid in Höhe von 420.000 Euro. Nicht ein Cent ist davon abgerufen worden. Das Westendorf 38 verfällt weiter.

„Das ist ein schwieriger Fall. Ich laufe bereits lange hinter dem Bauherren hinterher“, bestätigt Stephanie Rudel von der Stadtverwaltung. Der habe ihr gegenüber erklärt, dass er aus beruflichen Gründen nichts unternehmen konnte. „Da gucken wir nicht länger tatenlos zu“, ist Stephanie Rudel verärgert. Sie habe dem Mann in Absprache mit dem Land damit gedroht, die Förderung zu streichen, wenn nichts zur Sicherung des Gebäudes geschieht. Danach habe er angefangen, das Grundstück beräumen zu lassen. An den kritischen Stellen der Außen­fassade sollen in diesem Jahr Ab­stützungen erfolgen, um weiteren Schäden vorzubeugen.

Für die Kreisstadt bedeutet das nicht Abrufen von Fördergeld Stillstand bei der Stadtentwicklung. Sie wird sogar bestraft. Das Land fordert einen Strafzins in Höhe von 6,5 Prozent für nicht verbrauchtes Geld, berichtet Jens Klaus. Für diesen weit von den marktüblichen Zinsen entfernten Satz habe man allerdings kein Verständnis. Eine Kommune in Sachsen-Anhalt habe dagegen geklagt, sei aber vor Gericht gescheitert. Im Fall vom Westendorf 38 habe man beschlossen, den Zins auf den Bauherren umzulegen. „Für das wochenlange ­Hinterherlaufen“, betont ­Stephanie Rudel.

Es gebe aber auch Bauvorhaben, für die Fördergeld gezahlt wurde, die sich aber zerschlagen haben. Das trifft für den Dom­platz 20 zu. Die Stadt wollte das seit Jahren verwaiste Haus der evangelischen Kirche abkaufen, sanieren und darin die Halberstadt-Information unterbringen. 1,24 Millionen Euro Fördergeld gab es dafür. Die Stadt gab den Plan auf, weil sie stattdessen das Rathaus am Holzmarkt erwarb. „Wir haben daraufhin das Geld in Absprache mit dem Land auf Sanierungsvorhaben aufgeteilt, die es nicht auf die Fördervergabe-Liste geschafft haben“, erklärt Stephanie Rudel. Davon profitieren die Taubenstraße 24 (ehemaliges Lagergebäude in der Altstadt, das zu Wohnzwecken umgebaut wurde), sowie die anstehenden Sanierungen der Judenstraße 19, des Westendorf 56 sowie der Voigtei 28/29 (ehemals ­Fleischerei Bicke).