Bäckerhandwerk Ein Stollen für den Dom

Er gehört zum Weihnachtsfest wie der Tannenbaum, der Christstollen. In Halberstadt entsteht gerade ein ganz besonderer: der Domstollen.

Von Sabine Scholz 22.10.2016, 01:01

Halberstadt l Er erinnert tatsächlich an ein Wickelkind, der Domstollen, den Eva Kilian am Freitag in den Händen hält. In ein Leinentuch geschlagen, ragt der süße Inhalt aus der Öffnung. „Wir wollen an den Ursprung des Weihnachtsfestes erinnern, an den in Tücher gewickelten Jesus Christus“, sagt Ingo Büschlepp. Deshalb die Wahl dieser ungewöhnlichen Verpackung für ein Weihnachtsgebäck, das wohl bei kaum einer Familie fehlen darf, wenn in der Advents- und Weihnachtszeit an den Kaffeetisch gebeten wird.

So, wie ihn die Geschäftsführerin der Halberstädter Bäcker und Konditoren GmbH präsentiert, ist der Stollen noch nirgends im Handel zu finden. „Ihm fehlt noch eine ganz wichtige Zutat, die Domluft“, sagt Kilian.

Die soll das duftende Backwerk ab dem kommenden Dienstag „atmen“, dann wird er im Remterkeller des Halberstädter Domes eingelagert und reift. „Die Ruhezeit ist beim Stollen wichtig, damit sich die Aromen richtig entwickeln können und auch die Saftigkeit“, erklärt Ingo Büschlepp. Der Produktionsleiter hatte die Idee, ein „hochwertiges Produkt mit einem ganz besonderen Ort in Verbindung zu bringen“. Deshalb begann er schon im Februar mit den Vorbereitungen. „Wir haben der Domgemeinde unsere Idee vorgestellt und gefragt, ob das überhaupt gehen könnte“, sagt Eva Kilian. Dompfarrer Torsten Göhler und Dietmar Großmann, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, zeigten sich kooperativ ebenso wie Domküster Uwe Seiwert. Denn der Remterkeller muss für die Lagerung der Stollen vorbereitet werden.

Doch damit überhaupt die brotähnlichen Laibe in den Domkeller getragen werden können, müssen sie erst einmal gebacken werden. Ingo Büschlepp hat wochenlang probiert. Verschiedene Zutaten getestet, das richtige Mehl gesucht, probegebacken, um festzustellen, dass der älteste der drei Öfen in der Backstube für die Stollenbäckerei am geeignetsten ist. „Wir verfluchen ihn oft, aber für die Stollen ist er echt der beste“, verrät Dirk Weihe, der am Freitag mit seinem Backstubenleiter ein paar Geheimnisse des Domstollens preisgibt. Aber nur ein paar.

So kommt das extrafeine Stollenmehl aus der Saalemühle bei Halle. Und das Orangeat und Zitronat, die Mandeln und die Rosinen – nach denen Büschlepp besonders lange gesucht hat – werden 24 Stunden in Rum getränkt, bevor sie vorsichtig in den Hefeteig eingerührt werden. Das geschieht mit einer der Knetmaschinen, dann ist wieder Handarbeit angesagt. Auf den Edelstahltischen wird der Teigklumpen portioniert, dafür wird genau abgewogen. Anschließend formen Weihe und Büschlepp aus den zunächst runden Teigstücken die Laibe, die auf große Bleche gelegt, eine halbe Stunden „garen“, also noch einmal gehen müssen, bevor sie in den 47 Jahre alten Ofen kommen. „230 Grad Celsius sind es zu Beginn, nach einer Stunde ist der Ofen noch 180 Grad Celsius heiß“, berichtet Dirk Weihe. Die heißen Laibe werden aus dem Ofen genommen, noch warm in flüssige Butter getaucht. Zweimal, damit die Butter tief ins Backwerk eindringt, bevor es in Kristallzucker gewälzt wird. „Zum Schluss werden die Stollen noch mit Puderzucker abgestäubt und dann in die atmungsaktive Folie geschlagen“, erläutert Ingo Büschlepp. „Jeder Stollen wird vom Bäcker elf- bis zwölfmal in die Hand genommen, bevor er fertig ist.“

Nach dem Reifen im Domkeller werden die Stollen in Leinentücher geschlagen. 500 Stollen sind es mindestens. „Wir limitieren die Auflage unseres ersten Domstollens“, sagt Eva Kilian. Vielleicht werden es im kommenden Jahr ein paar mehr, die im Domschatz und den Filialen des mittelständischen Handwerksbetriebs verkauft werden.

Aber erst ab 28. November, denn der offizielle Anschnitt des Domstollens soll beim Adventsläuten am 26. November erfolgen. Gekostet worden ist das Backwerk dennoch schon vorher, denn Ingo Büschlepp wollte von Familie und Freunden ein Urteil hören, bevor er sich für eines seiner Test-Rezepte entschieden hat.