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Bahn Abellio rollt in Halberstadt ein

Silber-Rot statt Blau-Gelb: Ab Dezember prägen die Züge von Abellio das Bild im Halberstädter Bahnhof.

Von Sandra Reulecke 28.08.2018, 01:01

Halberstadt l Eine Handvoll Zug-Fans lässt sich dieses Ereignis nicht entgehen. Mit gezückten Kameras stehen die Männer am Bahnsteig. Sie warten auf eine Premiere, den ersten Abellio-Zug, der in den Halberstädter Bahnhof einrollt. Ab Dezember werden die silber-roten Züge ein alltäglicher Anblick sein. Dann ist Abellio für das für das Dieselnetz Sachsen-Anhalt (DISA) zuständig, auf dem bis dato der Harz-Elbe-Express (HEX) verkehrt.

Am Montag sind vorab Mitarbeiter sowie Vertreter von Politik und Partnerunternehmen zu einer Testfahrt mit dem Coradia Lint 41 – so lautet die offizielle Bezeichnung der neuen Züge – eingeladen gewesen. Für sie ging es auf eine Rundfahrt vom Magdeburger Hauptbahnhof über Halberstadt, Aschersleben, Güsten und Schönebeck zurück nach Magdeburg.

Der Coradia Lint 41 ist laut Abellio ein verbrauchsarmer Dieseltriebzug und erreicht eine Geschwindigkeit von maximal 140 Stundenkilometern. Die Züge sind barrierearm, bieten Platz für Rollstühle und Fahrradmitnahme.

Davon hat sich Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) selbst ein Bild gemacht. Komfortabel und ruhig war die Fahrt, lautet sein Fazit nach der Probefahrt. Wie der OB gesteht, war dies seine erste Zugfahrt seit Langem. „Es ist eine Überlegung wert, mal wieder häufiger das Auto stehen zu lassen. Eine Dreiviertelstunde braucht man mit dem Zug von Magdeburg nach Halberstadt. Schneller schafft man es mit dem Auto auch nicht“, so Henke. „Aber eine Zugfahrt ist entspannter.“

Das sehen immer mehr Sachsen-Anhalter so, die Nachfrage für Zugfahrten steigt. Laut Nahverkehrsgesellschaft Nasa nutzten im vergangenen Jahr 23,4 Millionen Reisende eine Regionalbahn oder einen -express, das sind 1,5 Millionen Menschen mehr als noch 2010.

Damit noch mehr Bürger das Auto stehen lassen und den öffentlichen Nahverkehr nutzen, muss ihnen Komfort geboten werden, betont Thomas Webel (CDU). Der Minister für Landesentwicklung und Verkehr ist bei der Probefahrt mit von der Partie. Bei einem Stop in Halberstadt sagt er, dass dank des gepflegten Bahnhofs – 2011 gemeinsam mit dem in Leipzig zum „Bahnhof des Jahres“ gewählt – die Bedingungen dafür in Halberstadt ideal seien. Und die moderne Ausstattung in den Abellio-Zügen sei ein weiterer Anreiz. „Das kostenlose WLAN habe ich schon ausprobiert.“

Nicht die einzige Annehmlichkeit, die die Zugäste erwartet. Carmen Maria Parrino, die Vorsitzende der Geschäftsführung von Abellio Rail Mitteldeutschland, preist ein innovatives Beleuchtungskonzept und ein WLAN-basiertes Infotainment-System an. Mit Letzterem können Fahrgäste zum Beispiel via SmartphoneFahrt- und Streckeninformationen abrufen sowie wie Filme, Hörbücher und Nachrichten nutzen.

Die Anspannung bei Abellio sei im Hinblick auf den Dezember groß. „Die Übernahme des Dieselnetzes bedeutet für uns mehr als eine Verdoppelung unserer Leistungen.“ Das Netz umfasst 16 Linien mit über 900 Kilometern Linienlänge. „Die Mitarbeitergewinnung ist die größte Herausforderung“, räumt Carmen Maria Parrino ein. Noch immer seien Stellen für Zugbegleiter und -führer frei.

Das wurde erst vor zwei Wochen deutlich – das Unternehmen musste auf anderen Strecken auf Schienenersatzverkehr umsteigen. „Es kam zu Engpässen, die der Urlaubszeit in Kombination mit Schulungen für das neue Dieselnetz geschuldet waren“, bestätigt Pressesprecher Matthias Neumann auf Volksstimme-Nachfrage. Die Personalsituation habe sich wieder stabilisiert.

Reibungslos laufe die Fertigung der 54 neuen Züge, die für den Betrieb des Netzes von Alstom hergestellt werden – der größte Einzelauftrag, den das Unternehmen jemals von einem Einzelkunden für diesen Fahrzeugtyp erhalten hat. „Wir sind sehr stolz“, sagt Jörg Nikutta, Geschäftsführer für Deutschland und Österreich. Das Komfort-Niveau sei hoch, die Technologie modern. Und: „Auch wenn es sich um Diesel handelt, ist Zugfahren umweltfreundlicher, als Individualverkehr“, so Nikutta.

Rückblick: 2005 bekam HEX, ein Unternehmen der französischen Transdev-Gruppe, als erste Privatbahn ein Netz in Sachsen-Anhalt. Im Dezember 2015 verlor HEX seine Strecken an Abellio, eine Tochter der Niederländischen Eisenbahn. Das Land hatte die Linien des Dieselnetzes europaweit ausgeschrieben. 14 Jahre lang läuft der Vertrag in Höhe von knapp einer Milliarde Euro.

Von dem Wechsel profitiert die Halberstädter Verkehrs-Industrie-Systeme GmbH (VIS). Das Unternehmen hat den Zuschlag für die Wartung der Abellio-Züge erhalten, ein 100-Millionen-Euro-Vertrag.