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Bauruine Gruselkulisse in der Friedenstraße

Die Friedenstraße in Halberstadt bietet ein trauiges Bild. Sechs Häuser stehen leer und verfallen.

Von Jörg Endries 03.04.2018, 01:01

Halberstadt l Eine Gruselmeile mitten in Halberstadt. Zudem noch an der wichtigsten Hauptverkehrsstraße. Die Kreisstadt zeigt sich an dieser Stelle der Friedenstraße nicht von ihrer Schokoladenseite. Positive Werbung, die Vorharzstadt kennenzulernen, sieht anders aus. Viele Halberstädter sind empört, nicht wenige schämen sich für ihre Stadt an dieser Stelle. Stadtentwicklung, wie sie in anderen Stadtteilen erfolgreich betrieben wurde und wird, hat um diesen Problembereich einen großen Bogen macht.

Der Missstand konzentriert sich auf ein etwa 100 Meter langes Teilstück der Friedenstraße zwischen der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße und der Einmündung zur Bismarckstraße. Allein dort sind sechs Wohnhäuser seit über zehn beziehungsweise 20 Jahren verwaist. Investitionen in den Erhalt beziehungsweise für die Sanierung der teils um die Jahrhundertwende entstandenen und einst stolzen Bürgerhäuser hat es weitaus länger nicht mehr gegeben.

„Warum unternimmt die Stadt denn nichts? Wie lange ­wollen die im Rathaus noch tatenlos zuschauen?“ Nur zwei von vielen kritischen Fragen, die empörte Halberstädter in Richtung Stadtverwaltung stellen. Die Antwort ist einfach, wenn auch nicht befriedigend. Die verwaisten und dem Verfall preisgegebenen Wohnhäuser sind Privateigentum, informiert Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke). Damit habe die Stadt keinen Einfluss auf Entscheidungen, Geld in die Verschönerung und Sanierung der Häuser zu investieren.

„Die schwierige Situation ist uns bewusst. Die Stadt hat leider fast null Einfluss darauf, dass sich die verzwickte Lage ändert“, sagt das Stadt­oberhaupt. Was nicht bedeutet, dass man nichts unternimmt, um den Zustand zu ändern. Den privaten Eigentümern habe die Stadt versucht eine Brücke zu bauen, in dem das Stadtumbaugebiet um diesen Stadtteil erweitert wurde. Damit könnten Fördermittel als Investitionsanreiz zum Einsatz kommen. Beim Haus des Friedens, das ebenfalls im Stadtumbaugebiet liegt und lange leer stand, habe es geklappt. Ein Investor hat das heruntergekommene ­Gebäude saniert. Die Problemzone in der Friedenstraße sei wesentlich komplizierter.

Vor etwa einem Jahr habe die Stadt die Eigentümer angeschrieben. Die hätten wenig Interesse gezeigt, ihre Immobilien auf Vordermann zu bringen. Hauptproblem sei die starke Verkehrsbelastung, so der OB. Lärm, Schmutz sowie der Fakt, dass die grüne Welle an der Kreuzung zur Friedrich-Ebert-Straße mit der Vorrangschaltung für die Straßenbahn nicht funktioniert und der Verkehr sich staut, sorgen dafür, dass sich die Wohnungen nicht vermieten lassen. Für private Investitionen ist das Gift.

Dabei ist die Luft in der Straße nicht mehr so dreckig wie sie noch vor einigen Jahren war. Laut Landesamt für Umweltschutz (LAU) ist die Anzahl der Überschreitungen des Feinstaubgrenzwertes von 50 Mikro­gramm pro Kubikmeter Luft zurückgegangen. Das belegen Werte einer Messstation. Danach wurde der Grenzwert 2011 an 39 Tagen überschritten, 2017 waren es nur noch 14 Tage. Die Frage, warum sich die Werte verbessert haben, ist unbeantwortet geblieben. Der zuständige Mitarbeiter im LAU befand sich auf Weiterbildung.

Mit einem geringeren Verkehrsaufkommen kann die bessere Luftqualität in der Friedenstraße nicht begründet werden. Die Hoffnung, dass der Bau der Ortsumgehung Halberstadt-Harsleben für Entlastung sorgen könnte, hat Andreas Henke nicht. „Der Anreiz, Halberstadt über diese Route zu umfahren, ist gering“, betont er. Der Oberbürgermeister sieht im Bau der Nordumfahrung Halberstadts, die im Bundesverkehrswegeplan steht, eine bessere ­Chance, den Durchgangsverkehr aus der Stadt und damit von der Friedenstraße zu bekommen. „Das dauert noch wenigstens zehn Jahre, eher länger“, schätzt Henke ein. Er setzt darauf, noch einmal mit den Eigentümern der verwaisten Häuser in Verbindung zu treten. „Wir wollen einen Fragebogen erarbeiten und gezielt fragen, was sie mit den Gebäuden vorhaben und ob die Stadtverwaltung helfen kann“, so Andreas Henke.

Dass es trotz hohem ­Verkehrsaufkommen anders geht, beweist der obere Teil der Friedenstraße. Dort haben Hausbesitzer Verantwortung übernommen und Geld investiert. Mietshäuser und attraktive Villen aus der Gründerzeit sind erfolgreich zu neuem Leben erweckt worden. Die Friedenstraße hinterlässt ein zwiespältiges Bild.