Begegnungen Freundschaft auf Umwegen

Sie mussten erst in die USA auswandern, um sich zu begegnen: Zwei Halberstädterinnen verbindet ein ungewöhnliches Erlebnis.

Von Sandra Reulecke 14.01.2017, 00:01

Halberstadt l Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die schöner und unglaublicher sind, als sie es sich ein Drehbuchautor ausdenken könnte. Im Mittelpunkt einer solchen Geschichte stehen Mareile Watson und Kirsten Stetson.

Ihre Nachnamen lassen es erahnen: Beide Frauen leben in den Vereinigten Staaten. Ihre Wurzeln haben sie jedoch in Deutschland. Genauer gesagt in Halberstadt. Ihre Herkunft ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Ihre Lebensläufe wiesen schon lange, bevor sie einander begegnet sind, starke Ähnlichkeiten auf. Es benötigte Jahrzehnte und zwei Auswanderungen, bis sich die Frauen das erste Mal sahen.

Im September 2005 ging Mareile Watson, geborene Koschitzke, mit ihrem damals zweijährigen Sohn zum Kaffeetrinken zu ihrem Schwiegervater in Malvern, Pennsylvania. Sie ahnte nicht, welch merkwürdige Wendung dieser Besuch nehmen sollte, erinnert sich die Auswanderin. Ihr Schwiegervater überraschte sie mit einer Nachricht: Seine neuen Nachbarn hatten eine deutsche Schwiegertochter. Mehr noch – diese stamme ebenfalls aus Halberstadt. „Was war die Chance, dass so etwas ausgerechnet in den USA möglich ist?“, fragt Mareile Watson – mit eindeutigem amerikanischen Spracheinfluss. Besagte Schwiegertochter ist Kirsten Stetson, geborene Wyludda.

In einer 3000-Seelen-Stadt an der amerikanischen Ostküste, in den Gärten ihrer Schwiegereltern, trafen die beiden Halberstädterinnen zum ersten Mal aufeinander. Und sie entdeckten viele Gemeinsamkeiten. So wohnen die Eltern beider Frauen – eine wurde am 3.7. geboren, die andere am 7.3. – in der Vogelsiedlung in Halberstadt, nur fünf Minuten Fußweg voneinander entfernt, berichtet Mareile Watson. Sie und Kirsten Stetson haben Männer geheiratet, die in der Nähe von Philadelphia aufwuchsen.

Ihr Abitur legten die beiden Auswanderinnen 1989 ab. Kirsten Stetson ging in Halberstadt zur Schule und Mareile Watson in Egeln, da sie mit ihrer Familie damals in Wanzleben wohnte. Nach dem Abschluss wollten beide Lehrerin werden. Kirsten Stetson in Potsdam und Mareile Watson in Rostock. Diese berichtet: „Die Wende kam dazwischen und öffnete andere Türen.“ So kamen beide auf Umwegen an die Freie Universität in Berlin. Eine studierte dort Publizistik, die andere Betriebswirtschaftslehre.

Da ist es schon fast merkwürdig, dass sich die Frauen bei all den Parallelen nicht schon eher getroffen haben. Zumal sie voneinander wussten. Beide Elternpaare waren mit der Familie Beutler aus Halberstadt befreundet und erfuhren so, wie ähnlich die Lebenswege ihrer Töchter verlaufen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass diese Freundinnen geworden. Nach dem ersten Treffen besuchten sie einander häufig. Kirsten Stetson lebte mit ihrem Mann und ihren drei Kindern, die im ähnlichen Alter wie die beiden Kindern ihrer Freundin sind, außerhalb der Hauptstadt Washington. Mittlerweile ist die Familie in die Nähe von Boston gezogen und aufgrund der größeren Entfernung sind die Treffen seltener geworden.

„Man hat sich aber auch schon ein paar Mal in Halberstadt getroffen, was beide Familien als sehr witzig empfanden“, berichtet Mareile Watson. Inzwischen sind auch die Eltern der Halberstädter Auswanderinnen befreundet. „Wenn sie beim Kaffeeklatsch von ihren jüngsten Reisen in die USA und vom Leben ihrer Töchter erzählen, dann fühlen sie sich sehr wohl, denn man versteht einander.“

Zu den Weihnachtsfeiertage haben sich Kirsten Stetson und Mareile Watson wiedergesehen. „Trotz der seltenen Besuche war man sich dennoch gleich wieder sehr nah“, sagt Letztere. Zu erzählen hatten sich die Frauen einiges, sind sie doch beide mittlerweile als Deutschlehrerinnen in den USA tätig. Und sie schmiedeten Pläne für ein nächstes Treffen – im Sommer planen beide einen Besuch bei ihren Eltern in Halberstadt.