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Benefizkonzert Heimkehr zur „Kaffeeklappe“

Lieselotte Deichsel gibt am Montag ein Benefizkonzert am Ilsenburger Scharfenstein und sammelt Spenden für traumatisierte Kinder

Von Ingmar Mehlhose 23.10.2016, 01:01

Ilsenburg l Es wird ein einmaliger Auftritt – in mehrfacher Hinsicht. Lieselotte Deichsel und ihre Töchter werden am Montag, 24. Oktober, ab 11 Uhr ein Benefizkonzert live an der Rangerstation Scharfenstein geben. Der Erlös soll traumatisierten Kindern zu Gute kommen.

Die Ilsenburger Harzgeister präsentieren Folklore in allen Variationen mit eigenen Liedern und Gedichten in der heimischen Mundart. Und sie erinnern an ihre Familienhistorie.

Lieselotte Deichsel hat ganz in der Nähe die ersten zehn Jahre ihres nun bald 81-jährigen Lebens verbracht. Sie verbindet damit schöne Erinnerungen, aber auch ein eigenes, nie vergessenes Trauma.

Die Ilsenburgerin erzählt der Volksstimme ihre Geschichte, die genau genommen bereits 1928/1929 begonnen hatte. Da nämlich errichteten die Großeltern Valentin und Anna Volkmar die Erfrischungshalle „Rast am Eckersprung“. Grund und Boden war ihnen vom Preußischen Forstamt Oderhaus verpachtet worden. Der Opa verstarb Anfang der 1930er Jahre. Die Oma führte das Geschäft mit ihrem Sohn Paul weiter.

1938 heiratete dieser Elisabeth (Lissi) Holland aus St. Andreasberg. Das Paar baute die bis dahin eher einfache Holzhütte zu einer gemütlichen Waldgaststätte um. Dann wurde Paul Volkmar eingezogen. Er fiel bei Kiew. Lieselotte Deichsel: „Nach dem Tode meines Vaters entstanden unter Regie meiner Mutter 1942 ein zusätzliches Gebäude mit Stallungen und einer Garage.“ Und: „Am Wohnhaus wurde ein Erker angebaut.“

Paul Volkmar war ein bekannter Skiläufer. Mehrfacher Meister im Langlauf und Besitzer des Goldenen Ski, so die Tochter weiter. Er legte einen Pfad über das Brockenmoor zum Gasthaus an. Dieser führte bis oberhalb des Soldatenfriedhofes bei Oderbrück und war als Paul-Volkmar-Weg bekannt.

Viele Wanderer und Wintersportler nutzten ihn. Skisportler aus Halberstadt prägten den Begriff „Kaffeeklappe“, weil ihnen das mit Wasser aus der Eckerquelle frisch gebrühte Getränk direkt aus dem Fenster gereicht wurde und sie deshalb ihre Bretter nicht abschnallen mussten.

Die Ilsenburgerin: „Meine Mutter Lissi bewirtschaftete die Waldgaststätte bis 1945 unter schwierigen Bedingungen.“ Obwohl das Haus auf hannoveranischem Boden stand, wurde es nach großen Streitigkeiten der sowjetischen Besatzungsmacht zugesprochen. Die Grenze (Demarkationslinie) verlief etwa 300 Meter hinter dem Grundstück. Lieselotte Deichsel: „Wir wurden gezwungen, nach Ilsenburg auszusiedeln“. Bis 1948 durfte ihre Mutter in zeitlichen Abständen mit einer Sondergenehmigung nach dem Rechten sehen. In dieser Zeit wurde viel gestohlen. So fand Elisabeth Volkmar ihre fünf Dauerbrand-Kachelöfen in Schierke wieder. Der große Wirtschaftsherd stand in Ilsenburg in einem Stall versteckt. Die Tochter: „Sie erkämpfte sich ihr Eigentum zurück.“

Eines Tages aber war die „Rast am Eckersprung“ einfach verschwunden. Und mit ihr ein Teil der Kindheit von Lieselotte Deichsel.

„Stunden der Erinnerung sind heilig“ hat die sangesfreudige Seniorin als Motto für die Veranstaltung ausgegeben. Deshalb wird eine Ansicht der einstigen Waldgaststätte für den Auftritt als Kulisse dienen. So um die 16 bis 18 Mitglieder ihrer großen Familie wollen sie dazu zum Scharfenstein begleiten.

Außerdem startet von Ilsenburg ein (ausgebuchter) Erdgasbus der Harzer Verkehrsbetriebe mit einer Gruppe Rentner. Die Fahrt ist ebenso wie das Konzert durch die Verwaltung des Nationalparks Harz genehmigt worden.

„Wanderer“, sagt Lieselotte Deichsel, „sind uns am Montag ausdrücklich willkommen“.