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Bürger kritisieren Gefährlicher Schutzstreifen

Ein Schutzstreifen für Radfahrer in Halberstadt steht in der Kritik. Statt mehr Sicherheit zu bieten, wird er zur Gefahr.

Von Jörg Endries 01.07.2017, 14:00

Halberstadt l Mehr Sicherheit soll ein neuer Schutzstreifen für Fahrradfahrer im ­Stadtzentrum bringen – für Kraftfahrer und Radfahrer gleichermaßen. In der vergangenen Woche ist dieser Streifen im Auftrag der Stadt Halberstadt stadteinwärts auf der Heinrich-Julius-Straße zwischen Walther-Rathenau-Straße und Kühlinger Straße installiert worden. Für den Schutzstreifen ist die Rechtsabbiegespur in Richtung Kühlinger Straße verschwunden. Statt Beifall kommt von vielen Bürgern jedoch teils harsche Kritik.

Was man sich bei der Änderung im Rathaus gedacht hat, ist Denny Behrendt von der Harzer Blitzergruppe schleier­haft. „Die Stadtplaner sowie das Tiefbauamt haben vermutlich eine neue Strategie ent­wickelt, um Halberstadts Innenstadt von Pkw zu befreien“, so der Chef der mit etwa 16.000 Mitgliedern größten regionalen Verkehrsgruppe auf Facebook.

„Dieser Streifen bringt keine Sicherheit, sondern gefährdet Rad- und Kraftfahrer“, sagt Denny Behrendt. Die Stadtverwaltung habe an dieser stark befahrenen Straße einen künstlichen Unfallschwerpunkt geschaffen. „Wir befürchten, dass parkende Fahrzeuge sich über den Radweg, die ehemalige Rechtsabbiegespur, in den fließenden Verkehr einfädeln müssen und dass wesentlich längere Wartezeiten in der Rushhour entstehen, da alle Fahrtrichtungen in einer Spur warten müssen“, erklärt der Halberstädter. Außerdem befürchtet er, dass die Autofahrer von der geänderten Verkehrsführung verwirrt sind und demzufolge falsch reagieren, was die Gefahr nach seiner Meinung deutlich erhöht. Ein Fakt, der seit der Inbetriebnahme des Schutzstreifens täglich zu beobachten sei. Kraftfahrer, die rechts abbiegen wollen, fahren auf den Schutzstreifen, obwohl das verboten ist. „Dass es bisher noch keine Unfälle mit Radfahrern gegeben hat, die in trügerische Sicherheit gewogen werden, ist ein Wunder“, so der Chef der Blitzergruppe.

Mit seiner Kritik steht er nicht allein. Auf der Facebook-Seite der Blitzergruppe melden sich viele Kritiker zu Wort. Hier eine kleine Auswahl:

Patrick Heine: „Wird wahrscheinlich nicht lange dauern bis der erste Radfahrer übern Haufen gefahren wird.“

Jens Pitt: „Mal sehen, wie lange es dauert, bis der erste Radfahrer von einem ausparkenden Autofahrer übersehen wird.“

Frank Koerber: „Wie kann man sich solchen Flaschenhals in Richtung Zentrum erlauben?“

Chris Buchhold: „Die hatten wohl weiße Farbe übrig?!“

Christian Heyer: „Bin zwar Radfahrer, aber das ist voll deneben.“

David Knaust: „Als Radfahrer finde ich das ok, aber als Autofahrer sehe ich das aktuell als einen Unfallschwerpunkt und als Verkehrshindernis. Der Wille ist da, aber die Ausführung ist idiotisch.“ Eine Abstimmung über das Für und Wider des Schutzstreifens auf der Internetseite der Harzer Blitzergruppe hat mit Stand von Freitag ein eindeutiges Ergebnis: Von 327 Teilnehmern meinen 94 Prozent, dass die doppelte Radspur „völliger Blödsinn ist“; 6 Prozent sagen: „Ja - endlich wurde es geändert.“

„Ich bin zwar kein studierter Verkehrsplaner, eine logische Lösung für das künstlich geschaffene Problem habe ich trotzdem“, betont der Denny Behrendt. Er schlägt vor, den Schutzstreifen für die Radfahrer auf die rechte Straßenseite zu legen, wo sich derzeit die Pkw-Parkplätze befinden. Die werden dafür bis etwa 30 Meter vor der Kreuzung in die Straßenmitte verlegt. Der Verkehr wird auf der linken Spur geführt. Kurz vor der Ampel öffnet sich die rechte Spur wieder für die Rechtsabbieger, erklärt Denny Behrendt. „Damit sind sowohl die Fahrradfahrer als auch die Kraftfahrer auf der ­sicheren Seite.“

Die Polizei hat bislang keine Bedenken gegen den Schutzstreifen. „Es gab von uns nur die Vorgabe, den Schutzstreifen auf der gesamten rechten Fahrspur-Breite anzulegen, damit genug Platz und die Sicherheit gewährleistet ist“, sagt auf Volksstimme-Anfrage ­Bettina Moosbauer, Sprecherin des ­Polizeireviers Halberstadt.

„Die Stadtverwaltung steht zu ihrer Entscheidung, den Schutzstreifen direkt auf die vielbefahrene Heinrich-Julius-Straße zu legen“, informiert Bonny Hupe, Sprecherin der Stadtverwaltung Halberstadt. Damit werde der Radverkehr in das Sichtfeld der Kraftfahrer gebracht, wodurch die Sicherheit der Radfahrer erhöht werde. Eine eingehende Prüfung im Vorfeld habe ergeben, dass die Führung des Radverkehrs im Mischverkehr auf einem Schutzstreifen am geeignesten ist, argumentiert die Verwaltung. Der Vorwurf, dass diese Variante gewählt worden sei, weil sie mit etwa 5800 Euro die preiswerteste gewesen ist, sei unzutreffend. Fahrräder würden grundsätzlich auf die Straße gehören. Weil sich viele Radfahrer dort nicht sicher fühlen, weichen sie auf Fußwege aus. Diese regelwidrige Benutzung habe in der Heinrich-Julius-Straße zur Gefährdung der Fußgänger geführt. Konflikte mit den auf der Straße parkenden Pkw sieht die Stadt nicht. „Die Tatsache, dass beim Einparken der Schutzstreifen überfahren werden muss und dieser aus dem Fahrzeug heraus sichtbar ist, macht Fahrzeugführern deutlich, dass Radfahrer die Straße befahren“, begründet die Verwaltung. Ein unachtsames Öffnen der Autotür werde so unwahrscheinlicher als ohne Schutzstreifen.