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Bürgerbeschwerde Die Doppelkante kommt weg

Ein Rollstuhlfahrer beschwert sich über hohe Kanten am Fußweg der B79 in Harsleben. Die Verantwortlichen kündigen Änderungen an.

03.09.2017, 06:01

Harsleben l Am Fußweg an der Umgehungsstraße B 79 Halberstadt/Harsleben, der nicht nur für Rollstuhlfahrer Jürgen Häntzschel ein Problem darstellt, soll nun etwas getan werden. Am Mittwoch trafen sich Christel Bischoff, Ortsbürgermeisterin von Harsleben (WG Freie Wählergemeinschaft) und Stefan Hörold von der Landesstraßenbaubehörde mit dem engagierten Rollstuhlfahrer. Zum Vor-Ort-Termin hatte Hörold eine seiner Mitarbeiterinnen und den Bauleiter mitgebarcht.

Die Vorgeschichte: Wenn der 69-jährige Jürgen Häntzschel mit seinem Rollstuhl von Harsleben nach Halberstadt fährt, ist er auf den Fußweg neben der Ortsumgehung angewiesen. So sehr er sich über die Ortsumgehung gefreut habe, die durch die Verkehrsumleitung zu deutlich weniger Lärmaufkommen in Harsleben führte, so sehr hatte ihn der Fußweg geärgert. Die schlimmste Stelle, die es für ihn zu überwinden galt, liegt an der Kurve zur Straße am Schützenkrug.

Hier gibt es ein doppeltes Hindernis. Unterhalb des ohnehin schwer zu überwindenden Bordsteins befindet sich eine weitere Kante, die von zu hoch stehenden Gossensteinen herrührt. Diese Kante sollte dort eigentlich gar nicht sein, das Pflaster eben mit der Gosse abschließen.

Durch das hohe Verkehrsaufkommen auf der Umgehungsstraße wurde offenkundig starker Druck auf die Straße ausgeübt. Somit senkte sich die Straße ab, und die scharfkantigen Steine ragen nun über mehrere Zentimeter über die Fahrbahn hinaus. An zwei anderen Stellen wiederum sind die abgesenkten Bordsteinkanten, die das Überqueren für Rollstuhlfahrer eigentlich erleichtern sollen, durch vorbeifahrende Lkws so abgeschliffen worden, dass Häntzschel auch dort nur mit Mühe über die Kanten kommt.

Vergangene Woche sei er sogar aus dem Rollstuhl gefallen, glücklicherweise sei ihm nichts passiert, berichtet Jürgen Häntzschel. „Barrierefreiheit sieht für mich anders aus“, sagte der engagierte Rentner, der wegen einer Nervenkrankheit auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Angesprochen auf das Problem, hatte Stefan Hörold von der Landesstraßenbaubehörde das zunächst nicht ganz nachvollziehen können. Er verwies auf die vorgegebene Höhe von drei Zentimetern für einen Bordstein. Die seien nötig, um Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer und Blinde gleichermaßen zu gewährleisten. Während Rollis über diese Höhe noch kommen, haben Blinde eine fühlbare „Leitlinie“ am Straßenrand.

Er kenne die Örtlichkeit, sagte er, der Bau sei barrierefrei geplant worden. Als er sich jedoch am Mittwoch selbst ein Bild verschaffte, sah er, dass die Baupläne nicht mehr mit der Realität übereinstimmen. Schäden durch Abnutzung seien nicht mitgeplant wurden.

Stattdessen sein man davon ausgegangen, dass die Pflasterstraße für die Ortsumgehung an dieser Stelle ausreichend sei. Messungen hätten ergaben, dass sie für das Verkehrsaufkommen geeignet sei.

Aber: Nicht einberechnet wurde damals, dass durch das erhöhte Verkehrsaufkommen Kurven geschnitten werden und so Schäden an den Nebenanlagen entstehen, die nun Rollstuhlfahrer behindern. Das soll nun geändert werden.

Drei Wochen solle es ungefähr dauern, bis eine rollstuhlfahrerfreundlichere Lösung an dieser Stelle existiert. Diese könne in Form einer Rampe erfolgen, oder mit der Aufschüttung von Asphalt. Da für diese Bauarbeiten jedoch eine Genehmigung durch die Verkehrsbehörde erfolgen müsse, handelt sich es ersteinmal um ein vorläufiges Datum. Es ist nämlich fraglich, ob eine Sperrung überhaupt möglich ist.

Christel Bischoff sagte, dass neben den Rollstuhlfahrern auch Radfahrer bereits bemerkt hatten, dass die Kanten schwer zu überwinden seien. „Wir haben das Problem jetzt erfasst, wie wir es lösen, ist noch nicht klar, weil es verschiedene Varianten gibt“, sagte Stefan Hörold.

Ortsbürgermeisterin Christel Bischoff wies allerdings daraufhin, dass es gut sei, dass „wir wachsame Bürger wie Herrn Häntzschel haben. Denn nur, wenn wir alle zusammen miteinander reden, können wir auch auf eine Lösung kommen.“

Häntzschel selbst ist inzwischen durchaus zufrieden, dass nun etwas getan wird an „seiner Unfallstelle“. Denn er ist hier nicht nur um sich selbst besorgt. Er habe noch verhältnismäßig Glück, denn er kann ja noch einen Arm benutzen, um sich hochzuhieven. Andere hätten es noch schlimmer getroffen, so zum Beispiel sein Nachbar, der sich die Überquerung des Fußwegs gar nicht mehr zutraut.

Häntzschel hatte deshalb auch Stefan Hörold dazu aufgefordert, sich selbst einmal in einen Rollstuhl zu setzen. Das war aufgrund der Klärung der Sachlage nicht nötig.

„Ich weiß auch, dass bestimmte Dinge einem nicht auffallen, wenn man nicht betroffen ist“, sagte der Rentner verständnisvoll. Da der 69-Jährige nicht mit einer Behinderung geboren, sondern erst nach einer Nervenkrankheit auf die Gehhilfe angewiesen wurde, kennt er den Unterschied.

Auch in Zukunft will er auf Missstände aufmerksam machen. Das Beispiel Fußweg Umgehungsstraße zeige, dass durch das Engagement Bewegung in die Sache komme, sagte der Harslebener. „Mich einfach nur zuhause hinzusetzen und zu meckern, das ist nichts für mich“, so Jürgen Häntzschel weiter. „Wenn alle, die betroffen wären, hier auflaufen würden, stünden hier eine ganze Menge Leute“, stellte er fest.