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Busse Streik trifft Schülerverkehr hart

Kein Bus, keine Straßenbahn fuhr am Dienstagmorgen in Halberstadt. Der Warnstreik im Nahverkehr überraschte manchen Fahrgast.

Von Regina Urbat 22.05.2018, 22:18

Halberstadt l Ohne Eltern-Taxi wären viele Kinder am Dienstag zu spät zur Schule gekommen. Erst am späten Montagnachmittag wurde bekannt, dass die Mitarbeiter von Bus- und Straßenbahnbetrieben des Harzkreises in den Morgenstunden streiken werden. Schnell wurde die Nachricht, die auf der Facebook-Seite der Volksstimme veröffentlicht wurde, geteilt. Spontan gründeten Eltern Fahrgemeinschaften, der Streik sorgte online für hitzige Debatten.

„Man hätte das auch auf die Ferien verlegen können und nicht auf den Tag, an dem die Schule wieder anfängt“, klagte zum Beispiel Nancy Kunzelmann. Ähnlichen Tenor hatte der Post von Diana Nehring: „Immer auf die Kinder, erst dieser untragbar gewordende Fahrplan, der immer noch so unakzeptabel ist für die Schüler, und nun noch Streik oben drauf.“ Marie Madeline Thiele betonte, dass die Schüler die Leidtragenden des Streiks – für den sie Verständnis äußerte – sind. „Erstens fahren viele Schulbusse nur einmalig und zweitens hilft mir das wenig, wenn ich morgen Klausur schreibe“, schreibt sie am Montag.

Andere äußerten online die Befürchtung, dass, sollten die Busfahrer mit ihrer Arbeitsniederlegung Erfolg haben, „letzten Endes der Kunde wieder mehr“ zahlt, wie es Katja Röbbeling ausdrückte.

Einige Facebook-Nutzer ergriffen dagegen Partei für die Fahrer. „Busfahrer erledigen jeden Tag einen sehr verantwortungsvollen Job“, wandte sich Ottopeter Flettner an die Internet-Nutzer. „Ihr vertraut ihnen jeden Tag Euer Leben an. Wenn diese Menschen, die Busfahrer, nicht ordentlich bezahlt werden, dann haben sie alles Recht der Welt, ihre Arbeit niederzulegen und zu streiken.“

Etwa 90 Prozent der Linienbusse, so die Schätzung der Harzer Verkehrsbetriebe HVB und der Gewerkschaft auf Nachfrage, sind an diesem Dienstag nach Pfingsten in der Zeit von 4 bis 7.45 Uhr ausgefallen. „Damit hat unserer Warnstreik sein Ziel erreicht“, sagte Andreas Reichstein, zuständiger ver.di-Gewerkschaftssekretär für den Verkehrsbereich in Sachsen-Anhalt. „Die Kollegen wollten ein Signal setzen, den Linienverkehr kurzzeitig empfindlich treffen, aber nicht lahmlegen.“

Was allerdings nicht überall gelang, wie eine Umfrage unter den Schulen im Altkreis Halberstadt ergab. Denn vom Streik in den Morgenstunden war vor allem auch der Schülertransport betroffen. So fehlten zum Beispiel in der Petri-Sekundarschule fast ein Drittel aller Schüler. „Die Telefone standen nicht still, viele besorgte Eltern meldeten sich, fragten, was sie tun sollten“, berichtete Iris Mnich, Sekretärin der Schwanebecker Sekundarschule. Sie verwies, wie zahlreiche ihrer Kolleginnen auch, auf die bestehende Schulpflicht.

Für manche Eltern kam die Nachricht aber zu spät, sie konnten keine Ausweichmöglichkeit finden. Ähnlich sah das Bild in der Dardesheimer Sekundarschule „Thomas Mann“ aus, wo fast die Hälfte der Schüler fehlte. Hier sind fast 90 Prozent der Jugendlichen auf den Busverkehr angewiesen, um zum Unterricht zu kommen.

Besser hatten es da die Schüler in der Kreisstadt. So gab es in der Spiegel-Sekundarschule nur eine Handvoll Schüler, die sich wegen der ausgefallenen Busse und Straßenbahnen verspäteten, auch in der Gröpertor-Schule waren die Auswirkungen des Streiks überschaubar. Viele Eltern von Grundschülern hatten Fahrgemeinschaften gebildet, sodass kaum Kinder fehlten, hieß es aus Badersleben und Schlanstedt, ebenso wie aus der Goethe-Grundschule Halberstadts. Die Klein-Quenstedter Kinder wurden alle zum Unterricht gebracht. Ähnlich sah es in den Gymnasien aus, wobei es in Osterwieck mehr Schüler traf als im Martineum und im Kollwitz-Gymnasium.

In fast allen Orten des Landkreises gab es Probleme. Neben den 25 Beschäftigten, die in Halberstadt die Arbeit niederlegten, streikten 31 Beschäftigte der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) in Wernigerode. Hinzu kamen Fahrerinnen und Fahrer von kommunalen Busunternehmen in Quedlinburg (30), Benneckenstein (11), Berßel (6) und Harzgerode (6).

Wie ver.di-Gewerkschaftssekretär Andreas Reichstein und Astrid Donath, Vertrauenssprecherin bei den HVB betonten, stehen die Verhandlungen für einen verbesserten Rahmentarifvertrag am 1. Juni bevor. „Wir wollen auf der Zielgerade mit unseren Forderungen ernst genommen werden.“

In erster Linie geht es um die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich von 40 auf 38 Stunden sowie die Weiterentwicklung der Eingruppierungsregelungen und eine verbesserte Dienstplangestaltung. Letztere bedeutet zum Beispiel, dass bei Teilschichten mit Pausen die Standzeiten höher vergütet werden. Ebenso die Nachtzuschläge (von 20 auf 25 Euro).

Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) hatte Verständnis für die Forderungen der Fahrer. „Ich gönne es jedem Arbeitnehmer, mehr Geld zu bekommen als es bisher der Fall ist.“ Immerhin sei jeder Arbeitnehmer mit steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert, so das Stadtoberhaupt. Gleichzeitig räumte er ein, dass solche Forderungen kommunale Arbeitgeber vor große Herausforderungen stellen. „Weniger Arbeitszeit für die Beschäftigten bedeutet, dass mehr Personal gebraucht wird, das bedeutet mehr Kosten für den Arbeitgeber.“