Corona Virus hat Harz im Griff

Ab Montag sind alle Schulen und Kitas dicht. Wie reagieren die Halberstädter Stadtverwaltung und freie Träger darauf?

Von Dennis Lotzmann 14.03.2020, 02:00

Halberstadt l Nun ist er im Einsatz, der Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) der Stadt Halberstadt. Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke)hat ihn am Freitagnachmittag einberufen, nachdem die Landesregierung die Notbremse gezogen hatte: Landesweit bleiben alle Schulen und Kindereinrichtungen von Montag, 16. März, bis zum Montag, 13. April, geschlossen.

Die Anordnung der Landesregierung stellt viele Kommunen vor Organisationsprobleme. Denn für bestimmte Gruppen von Eltern gelten Ausnahmen. Wie Ute Huch für die Stadtverwaltung mitteilt, wird deshalb für alle Krippen, Kindergärten und Horte der Stadt ab Montag, 16. März, eine Notversorgung zu den Öffnungszeiten vorgehalten werden.

Diese in Anspruch zu nehmen, ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Beide Eltern oder ein alleinerziehendes Elternteil arbeiten in einem Bereich, der für die Aufrechterhaltung der wichtigen Infrastrukturen notwendig ist und können keine Alternativ-Betreuung ihrer Kinder organisieren. Zu diesen Bereichen gehören die Infrastruktur des Gesundheitswesens (Mitarbeiter von Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Unternehmen für Medizinprodukte, Versorgung (Energie, Wasser, Lebensmittel, Arznei), Polizei, Feuerwehr sowie Justiz, Erzieher und Lehrer.

„Diese Regelung trifft auch auf alleinerziehende berufstätige Elternteile anderer Berufsgruppen zu, die keine alternative Betreuungsmöglichkeit haben“, teilt Stadtsprecherin Ute Huch weiter mit. Zu Fragen der Kinder- und Hortbetreuung hat der Krisenstab der Stadtverwaltung unter (0 39 41) 55 22 55 ein Bürgertelefon geschaltet, das zu den regulären Öffnungszeiten der Verwaltung zu erreichen ist. Am heutigen Sonnabend, 14. März, ist es von 9 bis 15 Uhr besetzt.

„Mit den Leitern und Leiterinnen der städtischen Kindereinrichtungen steht die Verwaltung im engen Kontakt und wird umgehend weitere Schritte konkretisieren“, so Ute Huch. „In den Grundschulen werden im Rahmen der Notversorgung Unterrichtsangebote vorgehalten.“

Nicht nur die Stadtverwaltung ist von der Anordnung der Landesregierung betroffen, sondern auch freie Träger. So gehören zum Halberstädter Cecilienstift elf Kindereinrichtungen – in Halberstadt, der Gemeinde Huy, Wernigerode und dem Oberharz. „Momentan haben wir mehr Fragen als Antworten“, sagt Carolin Reinitz, Sprecherin des Stifts. Über das Wochenende gelte es für den gebildeten Krisenstab, Antworten zu finden. Unter anderem darauf, wie eine vom Land geforderte Notfallbetreuung aussehen kann.

„In den vergangenen Tagen wurden alle Telefonlisten der Kitas aktualisiert, wir werden die Eltern telefonisch darüber informieren, wie es weitergeht“, so Carolin Reinitz. Zudem werde über Facebook und die Homepage informiert. „Über diese Wege können uns die Eltern jederzeit kontaktieren.“ Zudem hat sich das Cecilienstift dazu entschlossen, bis voraussichtlich zum 30. April alle Veranstaltungen mit erhöhtem Personenkontakt auszusetzen. Dazu gehört der Ostermarkt, der für den 28. März im Tagesförderzentrum geplant war.

Die Teilnahme an externen Dienstreisen, Weiterbildungen und Tagungen sei für alle Mitarbeitenden des Cecilienstifts untersagt. Gemeinsame Aktivitäten wie Schwimmkurse oder Museumsbesuche ebenfalls.

Weiterhin gelte ab sofort ein eingeschränktes Besuchsrecht in den stationären Einrichtungen der Stiftung wie dem Seniorenzentrum Nord. „Nur zu festgelegten Zeiten und unter Einhaltung von vorbeugenden Hygienemaßnahmen werden Besuche möglich sein“, erläutert Carolin Reinitz. Nähere Infos gebe es in den betreffenden Einrichtungen. Der Speiseraum „Kaffeepott“ im Seniorenzentrum Nord sei ab sofort für Besucher geschlossen.

Auch in den Pflegeeinrichtungen des Diakonischen Werks würden Besuche von Angehörigen nicht untersagt. „Aber es ist angebracht, sie zu minimieren“, gibt Verwaltungsleiterin Martina Minkner zu bedenken. Aushänge an den jeweiligen Häusern weisen auf die aktuelle Situation hin und geben Handlungsempfehlungen, berichtet sie weiter. „Außerdem werden die Kontaktdaten aller Besucher erfasst.“

Vom Ameos-Klinikum wird ebenfalls an Patienten und Angehörige appelliert, über die Notwendigkeit von Besuchen nachzudenken. „Die Verweildauer der Patienten beträgt meistens nur vier Tage. Die meisten haben Handys und es gibt Festnetzanschlüsse an jedem Bett“, gibt Prof. Dr. Klaus Begall, ärztlicher Direktor, zu bedenken. „Aber ich habe das Gefühl, dass die meisten Patienten und Gäste vernünftig sind.“

Operationen seien in dem Klinikum bislang nicht ausgesetzt worden. „Der OP-Plan für Montag steht. Danach müssen wir weiterschauen“, so Begall. Es sei denkbar, dass nicht dringliche Eingriffe verschoben werden. Aus gutem Grund: „Wir haben nur eine begrenzte Zahl von Mitarbeitern und technischen Geräten.“

Begall geht davon aus, dass in den kommenden Wochen auch im Halberstädter Klinkum Patienten mit Corona behandelt werden müssen. „Alles andere wäre blauäugig.“ Für diese Patienten sei nicht nur eine isolierte Station notwendig. „Mitarbeiter, die in diesem Bereich eingesetzt sind, können nicht in anderen arbeiten, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren.“ Es gelte es den Klinikalltag zu bewältigen. „Das normale Leben geht weiter. Es kommen Patienten mit Beinbrüchen und Herzinfarkten, die behandelt werden müssen“, betont der Arzt. Und: „Wir müssen sehen, wie sich die Schließung von Kitas und Schulen auf uns ausübt.“

Im Harzklinikum gehen die Verantwortlichen im Bestreben, Übertragungswege zu unterbrechen, schon weiter: Für alle Kliniken, Stationen und Bereiche an den Standorten Wernigerode, Quedlinburg und Blankenburg gelte ab Montag, 16. März, ein generelles Besuchsverbot, so Kliniksprecher Tom Koch. Angehörige könnten daher mit ihren Familienmitgliedern nur noch per Telefon Kontakt halten.

Zur Corona-Vorsorge zähle dort außerdem, dass ab 16. März geplante Operationen abgesagt und verschoben würden. Dringende OPs und Notfall-Operationen würden nicht tangiert. Die Entscheidung hängt nach Informationen der Volksstimme damit zusammen, dass die Klinikleitung mit dieser Verfahrensweise bestrebt ist, Beatmungstechnik für akute Corona-Fälle freizuhalten. Patienten, die im Harzklinikum ambulant behandelt würden, könnten diese Termine wahrnehmen. Am Donnerstag hatte die Klinikleitung bereits alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt.

Am Wochenende bleiben die öffentlichen Cafeterias in Quedlinburg und Wernigerode geschlossen. „Ab Montag können dort und in der Blankenburger Cafeteria nur noch die Mitarbeiter des Harzklinikums Mahlzeiten einnehmen, nicht jedoch Patienten und Besucher“, kündigt Koch an.

Während viele Veranstaltungen rund um Halberstadt aktuell abgesagt werden, gibt es ein paar Einrichtungen, in denen – noch – der normale Betrieb läuft. Dazu gehört das Nordharzer Städtebundtheater. Sollte jemand aus Sorge vor Ansteckung jedoch nicht zu einer Veranstaltung gehen wollen, für die er bereits Karten hat, können diese zurückgegeben werden, so Daniel Theuring.

Auch im Kinopark Zuckerfabrik gibt es keine Einschränkungen des Spielbetriebs. „Aber seit Donnerstag merken wir einen deutlichen Rückgang der Besucherzahlen“, berichtet Kino-Chef Pierre Zimny. „Jetzt müssen wir schauen, wie das Wochenende läuft.“ Besuche des Sport- und Freizeitzentrums (FSZ) sind nach wie vor uneingeschränkt möglich, wie Sprecherin Gudrun Siebeck mitteilt. Man werde schnell reagieren, sobald es notwendig sei.

Die Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) reagieren ebenfalls: Zum Selbstschutz der Busfahrer würden ab sofort die vorderen Einstiege und die ersten Sitzreihen hinter und neben dem Omnibus-Lenker gesperrt. „Ein Einstieg ist somit nur noch im hinteren oder mittleren Bereich unserer Fahrzeuge möglich“, informiert HVB-Chef Christian Fischer.

Das heiße, Passagiere könnten nicht mehr – wie sonst üblich – ihr Ticket beim Fahrer kaufen und bezahlen. Fahrscheine seien weiterhin in den Servicebüros erhältlich. Auch Zeitkarten behielten ihre Gültigkeit. „Nur wer seinen Fahrschein ursprünglich beim Fahrer erwerben wollte oder musste und dies nun nicht mehr kann, wird vorläufig auch ohne Fahrschein befördert“, erläutert Fischer. „Wir lassen niemanden an der Haltestelle stehen.“

Im Harzkreis gibt es aktuell vier bestätigte Corona-Fälle. „Täglich ergeben sich neue Verdachtsfälle“, informiert Manuel Slawig, Sprecher der Harzer Kreisverwaltung. Insgesamt seien bislang 65 Personen auf den neuartigen Erreger getestet worden. Für 81 Personen habe das Gesundheitsamt eine häusliche Quarantäne angeordnet.

Am Bürgertelefon des Landkreises unter Telefon (0 39 41) 59 70 55 55 können Bürger täglich von 8 bis 20 Uhr ihre Fragen zu Corona stellen.