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Dorfladen Mit Regionalität in die Gewinnzone: Deersheimer Dorfladen erstmals in den schwarzen Zahlen

Gutes Geschäft: Der Deersheimer Dorfladen hat in seinem fünften Geschäftsjahr erstmals positive Zahlen erzielen können. Trotz Corona-Pandemie.

Von Mario Heinicke Aktualisiert: 21.4.2021, 07:43
Der Deersheimer Dorfladen, hier  vertreten durch Vorstandsmitglied Manfred Mehlhorn (links) und Aufsichtsratsmitglied Hans-Jürgen Müller, setzt besonders auf Produkte, die in der Umgebung hergestellt werden. Dazu gehört neuerdings auch Seife aus einer Manufaktur in Groß Quenstedt.
Der Deersheimer Dorfladen, hier vertreten durch Vorstandsmitglied Manfred Mehlhorn (links) und Aufsichtsratsmitglied Hans-Jürgen Müller, setzt besonders auf Produkte, die in der Umgebung hergestellt werden. Dazu gehört neuerdings auch Seife aus einer Manufaktur in Groß Quenstedt. Foto: Mario Heinicke

Deersheim. Der Weg zu den schwarzen Zahlen war steinig – arbeits- wie entbehrungsreich. Am 18. November 2016 eröffnet, konnte die ehrenamtlich tätige Genossenschaft bis zum Geschäftsjahr 2019 noch keine Gewinne erwirtschaften. Aber 2020, wie Vorstandsmitglied Manfred Mehlhorn und Aufsichtsratsvizevorsitzender Hans-Jürgen Müller jetzt im Volksstimme-Gespräch berichteten.

Die detaillierte Auswertung des Geschäftsjahres 2020 ist auf der Generalversammlung vorgesehen, die im Juni für die aktuell 156 Genossenschaftsmitglieder stattfinden soll. Sofern die Pandemie zu dem Zeitpunkt derartige Versammlungen wieder zulassen wird.

Seit seiner Eröffnung war der Deersheimer Dorfladen in gewisser Weise auch ein Experimentierfeld. Die Akteure waren und sind mit großer Leidenschaft dabei, aber eben keine Einzelhandelsfachleute. 2020 wurde nochmals an einigen Stellschrauben gedreht, im Sortiment wie in der betriebswirtschaftlichen Arbeit.

Ehrenamtliche backen den Kuchen

Mehlhorn und Müller nannten dabei zuerst die regionalen Produkte, die von Erzeugern und Herstellern aus der Region aufgenommen wurden. Nicht nur die Eier aus Deersheim, sondern zum Beispiel auch Kartoffeln aus Ströbeck, Honig aus Hessen und Badersleben, Seifen aus Groß Quenstedt und Mehl aus Langelsheim.

Als regional darf man ebenfalls den Kuchen bezeichnen, den an zwei Tagen in der Woche drei ehrenamtlich tätige Frauen in der kleinen Küche des Dorfladens backen. Kuchen, der bei den Deersheimern gut ankommt und schnell über den Ladentisch geht. Auch Bouletten und Kartoffelsalat stellen die Frauen her. Rund 20 Ehrenamtliche haben für ihren Einsatz im und für den Dorfladen eine Gesundheitsprüfung abgelegt, berichtete Manfred Mehlhorn.

Neben den regionalen Produkten ist es das im vorigen Jahr eingeführte italienische Eis, das die Deersheimer voranbrachte. „Wir sind jetzt in den schwarzen Zahlen“, unterstrich Hans-Jürgen Müller.

Fürs betriebswirtschaftlicher Ergebnis wurde neue Kühltechnik installiert, die die Stromkosten erheblich senkt. Und nicht zuletzt gab es personelle Veränderungen bei den angestellten Verkäuferinnen. „Es ist im Haupt- und Ehrenamt eine tolle Truppe“, sagte Müller. Womit auch klar ist, ohne das ehrenamtliche Engagement wäre der Deersheimer Dorfladen seinerzeit weder entstanden noch hätte er seitdem überleben können.

Rund 20 Frauen und Männer helfen im Laden selbst, vom Einräumen und Etikettieren bis zu den Einkäufen fürs Sortiment – wenn sie morgens frische Wurst, Getränke und mehr abholen.

Für Manfred Mehlhorn und Hans-Jürgen Müller wiegen die schwarzen Zahlen des Jahres 2020 doppelt schwer. Zwar ging und geht es dem Lebensmittelhandel im Land in der Pandemie grundsätzlich nicht schlecht, speziell dem Deersheimer Dorfladenkonzept sind aber wichtige Standbeine weggebrochen.

Statt im Cafébereich in Ruhe sein Frühstück, seinen Imbiss oder Kuchen zu verzehren, ist nur ein Außer-Haus-Verkauf möglich. Als Kommunikationstreff hat der Dorfladen damit gelitten. „Wir hatten für jeden Monat Veranstaltungen geplant“, sagte Müller. Auch die jährlich vier Marktveranstaltungen mussten 2020 und müssen vorerst weiter ausfallen. Deren Einnahmen fließen eigentlich ebenfalls in die Dorfladen-Bilanz.

Junge Leute sollen eingebunden werden

Trotz des Über-den-Berg-Seins vom Jahr 2020 wollen und können sich die Deersheimer Verantwortlichen keinesfalls ausruhen. In einer „Baureserve" zwischen Laden und Markthalle entsteht eine Mitmachküche. Eigentlich sollte sie Ende 2020 fertig sein, doch in der Pandemie war das nicht zu schaffen. Neues zeitliches Ziel ist nun die Jahresmitte, abgestimmt mit dem Fördermittelgeber.

120?000 Euro wurden bewilligt, wovon die Genossenschaft selbst 12?000 Euro beisteuerte. Auch hierbei zeigte sich die Verbundenheit, denn diese Eigenmittel haben Mitglieder als Darlehen eingebracht.

Der Kern der Ehrenamtlichen, da reden Manfred Mehlhorn und Hans-Jürgen Müller nicht drumherum, sind Ruheständler. „Wir brauchen junge Leute, die mitmachen“, stellten sie daher fest und schauen etwa ins Wohngebiet Tiefes Feld, das nun so gut wie bebaut ist. „Wir müssen auch neu Zugezogene integrieren.“

Als die Deersheimer ihren Dorfladen aufbauten, handelte es sich um ein bundesweites Pilotprojekt. Vier Jahre währten die Vorbereitungen. Die Förderung kam vom Bund, das Land Sachsen-Anhalt hatte seinerzeit noch kein Programm. Das ist heute anders, das Land hat nachgezogen. Die Deersheimer sind weiter gefragter Partner anderer Orte und Initiativen, die ebenfalls Dorfläden einrichten möchten.

Voriges Jahr war Deersheim Gastgeber einer Sommerakademie mit vielen Bürgermeistern aus dem Bundesland. Das brachte neue Kontakte für den Erfahrungsaustausch, derzeit intensiv für ein Projekt in Petersberg bei Halle.

Corona belebt Idee des Lieferdienstes

„Wir gehen weiter kleine Schritte“, blickte Hans-Jürgen Müller voraus. Dazu gehört der Lieferdienst, der früher schon mal probiert, aber wieder fallengelassen wurde. Durch die auch in Deersheim zeitweise notwendig gewesene Corona-Quarantäne ist die Idee wieder aufgenommen worden.