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Ehrenamt Selbstverständlich hilfsbereit

Gabriele Laub und Martina Merseburger sind zwei von Hunderten in Halberstadt, die sich ehrenamtlich betätigen.

Von Sabine Scholz 05.12.2017, 10:00

Halberstadt l Martina Merseburger überlegt einen Moment. Was sie besonders schön findet an ihrer ehrenamtlichen Arbeit? „Ich lerne die deutsche Sprache nochmal ganz neu kennen“, sagt die 58-Jährige. Denn sie gibt Nachhilfe in Deutsch. „Man benutzt seine Muttersprache täglich, denkt nicht darüber nach“, sagt die Halberstädterin. Seit sie syrischen Familien beim Deutschlernen hilft, hat sich das geändert.

So wie die Art des Nachhilfeunterrichts. Denn zu Beginn ihres ehrenamtlichen Einsatzes vor drei Jahren radelte sie bei Wind und Wetter mehrmals in der Woche hoch in die Zast, spielte und bastelte mit den Flüchtlingskindern. Dann betreute sie Syrer, die in Halberstadt heimisch werden wollen. Zweimal in der Woche übte sie mit vier Männern Deutsch, inzwischen gibt es diese Nachhilfe einmal in der Woche. Damit die Männer die weiterführenden Sprachkurse bestehen. „Drei der Vier sind Papas“, sagt Merseburger, selbst Mutter von drei erwachsenen Kindern. Und einer der Väter bat sie, seinen zwei Töchtern ebenfalls Nachhilfe zu geben. Weil sie weiß, wie wichtig Sprachkenntnis ist, um in der Schule klarzukommen, sagte sie zu.

„Es hat eine Weile gedauert, bis wir die richtige Struktur gefunden haben“, berichtet die ausgebildete Musikpädagogin. Denn in den Familien war am späten Nachmittag die Ablenkung für die beiden Mädchen zu groß, auch bei ihr Zuhause gab es zuviel zu entdecken. Die Lösung war, dass beide Kinder an zwei Wochentagen bereits um 13 Uhr aus der Grundschule kommen und dann, bevor die kleineren Geschwister aus dem Kindergarten abgeholt werden, die Nachhilfe im heimischen Umfeld stattfindet.

Um zu wissen, wo Hilfe besonders wichtig ist, hat sie auch mit den beiden Klassenlehrern der Mädchen gesprochen. „Und bevor wir anfangen, frage ich meist: ,Kinder, was habt ihr in der Schule?‘ Vieles machen wir dann spielerisch, das funktioniert sehr gut und so können wir neben den Deutschkenntnissen Mathe oder anderen Unterrichtsstoff vertiefen“, berichtet Martina Merseburger.

Die Rentnerin ist gern in den Familien, hilft ihnen, die neue Umgebung besser kennenzulernen. So war sie mit zwei Familien im Heineanum, besuchte mit ihnen auch das Städtische Museum und erntete besonders erstaunte Blicke beim Besuch des Schraube-Museums.

Ideen hat sie noch einige, der Spaß an ihrem ehrenamtlichen Tun ist ungebrochen. „Und das, obwohl wir noch nicht einmal eine Aufwandsentschädigung zahlen können“, wirft Gabriele Laub ein. Sie ist für die Caritas als Ehrenamtskoordinatorin im Landkreis Harz tätig und froh, wenn wenigstens Fahrtkosten erstattet werden können. Nicht nur aus diesem Grund wäre für Ehrenamtliche eine unentgeltliche Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine echte Form der Anerkennung. „Mehr als die, die wir mit unserem Treffen zum Tag des Ehrenamts zum Ausdruck bringen“, sagt Gabriele Laub.

Auch wenn das Treffen, das sie für den heutigen Abend im Café des Handwerks organisiert hat, von den Ehrenamtlichen sehr wohl als Geste des Danks erkannt wird. „Es ist schön, sich auch mal außer der Reihe austauschen zu können“, sagt Martina Merseburger. Denn dass die Freiwilligen miteinander Erfahrungen austauschen, sich Tipps geben oder berichten, wobei die von ihnen begleiteten Menschen Hilfe brauchen, darauf legt Gabriele Laub genauso viel wert wie Cathleen Brand, die Dekanatsverantwortliche der Caritas in Halberstadt. Deshalb laden beide Frauen regelmäßig „ihre Ehrenamtlichen“ ein. Die sind in der Bahnhofsmission tätig, in der Wärmestube oder in der Schuldnerberatung. Wobei die Ehrenamtler helfen, dass die Berater in jedem Einzelfall rasch mit ihrer fachlichen Arbeit starten können, indem sie Ordner sortieren, Unterlagen zusammenfassen, die von den Schuldnern oft monatelang ignorierten Briefe öffnen, Daten eingeben, damit die Berater schnell einen Überblick über die Lage des jeweiligen Klienten erhalten.

Es sind schon viele Menschen, die sich in den Dienst am Nächsten stellen, doch der Bedarf sei groß, sagt Gabriele Laub. Nicht nur im Migrationsdienst, wo Helfer die in den Harzgemeinden lebenden Flüchtlingsfamilien im deutschen Alltag unterstützen, sie zum Beispiel bei Behörden- oder Arztgängen begleiten. „Hier hat sich unser Netzwerk schon oft bewährt, gerade weil die Freiwilligen in verschiedenen Bereichen ­wirken“, sagt Laub. Die Freiwilligen werden sich heute Abend treffen, um im gemütlichen Rahmen den Internationalen Tag des Ehrenamtes zu begehen.

Hintergrund: Der Internationale Tag des Ehrenamtes findet seit 1986 jährlich am 5. Dezember statt und ist ein Gedenk- und Aktionstag zur Anerkennung und Förderung ehrenamtlichen Engagements. Der Tag war 1985 von den Vereinten Nationen (UN) beschlossen worden.