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Feuerwehr Nach Suppe und Bier entlädt sich der Ärger

Die Stimmung ist schlecht unter den Osterwiecker Feuerwehrleuten. Innenminister Holger Stahlbaum kann etwas Hoffnung machen.

Von Mario Heinicke 12.08.2016, 01:01

Wülperode l Es bedurfte zweier Stunden, Gulaschsuppe und Bier, bis die rund 40 Feuerwehrleute aus den Osterwiecker Ortsteilen ihrem Ärger freien Lauf ließen.

So wurde bemängelt, dass keinerlei Mittel für die Kinder- und Jugendfeuerwehren zur Verfügung stünden. Vizebürgermeister Manfred Riecher wies dazu auf die schwierige Haushaltssituation der Stadt hin. Immerhin seien in diesem Jahr 20 000 Euro für Schutzkleidung im Haushalt eingestellt. Dem hielt Alexander Beck, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes Harz, entgegen, dass diese Summe viel zu gering sei. „Bei 400 Feuerwehrkameraden in der Gemeinde wären das 50 Euro pro Kamerad, eine Schutzkleidung kostet jedoch 500 Euro pro Person.“ Auch der geplante Betrag für Ausrüstungserneuerung in Höhe von 10 000 Euro sei zu gering.

Was auch zur Sprache kam: Fahrzeuge und Ausstattung seien veraltet, stammen teils aus den 1980er-Jahren. Kritisiert wurde fehlendes Verpflegungsgeld. Die Ortsfeuerwehren seien vielfach auf private Sponsoren angewiesen. So würden Räume in Eigenleistung renoviert, Wehrleiter verzichten auf ihre Aufwandsentschädigung und gingen „Klinkenputzen“. Die Stadt setze nach Auffassung von Kameraden falsche Prioritäten, wie etwa den Ausbau des „Bunten Hofes“.

Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse und Alexander Beck wiesen darauf hin, dass die Investitionen in die Wehren nicht Wünsche der Feuerwehren, sondern zum Schutz aller Einwohner zwingend notwendig seien, unabhängig von der Haushaltslage. „Eine Verwaltung, die sich nicht als Team gemeinsam mit der Feuerwehr sieht und von Bedürfnissen der Feuerwehr spricht, hat nicht verstanden worum es geht“, sagte Beck. Nämlich um Pflichtaufgaben.

Stadtratsvorsitzender und Feuerwehrmann Dirk Heinemann (SPD) widersprach, dass sich Stadtrat und Verwaltung nicht für die Belange der Wehren interessieren. Vielmehr konnten erst in diesem Jahr der Haushalt wieder ausgeglichen werden und damit erstmals nach längerer Zeit auch wieder zusätzliche Mittel für die Wehren eingestellt werden.

Manfred Riecher sagte zu, die Anliegen der Feuerwehren mitzunehmen. Minister Stahlknecht bot Gespräche über mögliche Finanzierungswege an und betonte, dass im Harzkreis auch andere Städte angespannte Haushaltslagen hätten. Dort seien dennoch Investitionen mit Unterstützung des Landes möglich gewesen. So habe die Stadt Blankenburg trotz Konsolidierung in den vergangenen Jahren dank des hartnäckigen Einsatzes des Bürgermeisters und der Wehrleitung mehrere neue Fahrzeuge anschaffen können. Stahlknecht rief Osterwiecks Stadtwehrleitung und Stadtverwaltung dazu auf, mit ihm einen Termin im Ministerium zu vereinbaren, um nach Lösungen zur Verbesserung der Ausstattung zu suchen.

Zum Beginn des Gesprächs, das vom CDU-Bürgermeisterkandidaten Alexander Räuscher initiiert wurde, hatte das neue Brandschutzgesetz im Mittelpunkt gestanden. Es soll im Oktober in den Landtag gehen. Bis auf einen Punkt sei man sich im Prinzip einig, sagte Stahlknecht. Dieser eine Punkt aber wäre für die Osterwiecker schon ein wichtiger. Dabei geht es um die Feuerschutzsteuer, die den Gemeinden 2008 gestrichen wurde, seit 2011 zu einem Bruchteil wieder in die Gemeindekasse fließt. Stahlknecht möchte erreichen, dass diese Steuer wieder in alter Höhe den Gemeinden bzw. Landkreisen zukommt. Darüber werde noch verhandelt.

In der Osterwiecker Stadtfeuerwehr ist unterdessen bereits hochgerechnet worden, dass über die Feuerschutzsteuer im Idealfall jährlich 40 000 Euro in die Stadtkasse kämen, die dann dem Brandschutz zur Verfügung stehen. Wobei Stadtwehrleiter Frank Kenzig betonte, dass das Geld dann in vollem Umfang für Beschaffungen der Feuerwehr von der Uniform bis zum Löschauto zur Verfügung stehen müsste. Und nicht etwa im Zuge von Investitionen in Brandschutztreppen verschwindet.

Als viel zu gering schätzt selbst der Minister das Fördermittelbudget des Landes für die Feuerwehren ein. Sein Ziel sei, ein völlig neues, größeres und längerfristiges Investitionsprogramm aufzulegen. „Aber einfach ist das nicht.“

Den Feuerwehrleuten aus der Stadt Osterwieck brennen die fehlenden Ausbildungsplätze für Gruppenführer und Zugführer an der Landesfeuerwehrschule auf den Nägeln. Stadtwehrleiter Kenzig hat nach offizieller Lesart derzeit nur zwei Beauftragte als Stellvertreter, weil den beiden Kameraden noch der Zugführerlehrgang fehlt. Minister Stahlknecht erläuterte, dass die Jahre 2014 und 2015 schwierig in Heyrothsberge gewesen seien. Drei Ausbilder seien ausgefallen. Es habe inzwischen Neueinstellungen ggeeben und solle noch weitere geben. Der Minister unterstrich, dass das nicht einfach sei, da das Land bei der Stellenbesetzung mit den meist attraktiveren Berufsfeuerwehren konkurriere. Er betonte aber: „Es muss ausgebildet werden.“

Wulfhard Böker, Ortswehrleiter in Wülperode, macht sich große Sorgen um den Feuerwehrnachwuchs in der Stadt Osterwieck, weil die Jungen wegziehen und die verbleibenden Einsatzkräfte immer älter werden. „Für das Leben habe ich kein Patentrezept“, sagte Stahlknecht. Es gebe Leute, die für die Arbeit fortziehen, andere hören der Familie wegen auf. Von speziellen Kampagnen halte er wenig. „Am Ende funktioniert Nachwuchsgewinnung durch jeden Einzelnen von euch. Weil Feuerwehr spannend ist und die Kameradschaft gelebt wird.“