Feuerwehreinsatz Sonderzug leckgeschlagen

Ein Kesselwagen ist auf dem Halberstädter Bahnhofsgelände leckgeschlagen. Die Feuerwehr trainiert den Ernstfall.

Von Jörg Endries 20.09.2017, 07:00

Halberstadt l Tausende Liter Kerosin drohen aus einem Kesselwagen auf dem Gelände des Güterbahnhofes in Halberstadt auszulaufen. Der Spezialwagon ist leckgeschlagen, die hochexplosive Flüssigkeit spritzt aus mehreren Leckagen auf die Gleise. Männer der Hauptberuflichen Wachbereitschaft der Feuerwehr Halberstadt ­rücken an, um eine Katastrophe zu verhindern.

Ein Szenario, das sich jederzeit so zutragen könnte. Am Dienstagvormittag rücken die Feuerwehrmänner jedoch zu einer Übung aus. Allerdings zu einer besonderen. Auf dem Bahnhofsgelände in Halberstadt hat der deutschlandweit einzige Ausbildungszug „Gefahrgut“ der Deutschen Bahn AG Halt gemacht, an dem die Retter besondere Gefahrenlagen üben können. In den kommenden zwei Tagen sind es etwa 110 Feuerwehrleute und Mitglieder des Technischen Hilfswerks Halberstadt, die auf das Angebot der DB AG zurückgreifen. Der Vorteil: Der Sonderzug bringt die Einsatzanforderungen für die Feuerwehrmänner wirklichkeitsgetreu rüber.

Im Kesselwagen klaffen mehrere Leckagen. Überall plätschert Flüssigkeit auf die Gleise. In diesem Fall ist es allerdings nur harmloses Wasser. Trotzdem müssen zwei Männer in knallrote Chemikalien-Schutz-Anzüge steigen. Konzentriertes Arbeiten in den dicken Schutzanzügen ist schweißtreibende Arbeit. 30 Minuten können sie in den atemschutzunabhängigen Anzügen am Gefahrenort arbeiten, dann sind die Sauerstoffflaschen leer.

Die Männer schleppen Wannen heran und stellen sie am Waggon auf, um das „Kerosin“ aufzufangen. Die Lecks werden mit Holzkeilen verschlossen. Was für den Außenstehenden nach Erfolg aussieht, ist für den kritischen Blick von Ingo Wetzel ein Misserfolg. „Es hat nichts geklappt“, schätzt er ein. „Aber genau das ist das Besondere an dem Übungszug, hier kann man verschiedene Unfall- und Haverievarianten trainieren, um Schwachpunkte bei den Einsatzkräften aufzu­decken und abzustellen“, sagt der Einsatzleiter.

„Für uns ist das ein Gewinn“, schätzt Ingo Wetzel ein. „Eine Gelegenheit, die wir so oft nicht bekommen. Darum nehmen wir das Schulungsangebot der Deutschen Bahn AG gern an.“ Der Zug sei bei allen Feuerwehren sehr begehrt. Daher dauert es drei bis fünf Jahre, um ihn einmal nach Halberstadt zu bekommen, berichtet Ingo Wetzel.

Das bestätigt Uwe Lindenberg, der Leiter des Ausbildungszuges. „3500 Feuerwehren bilden wir in einem Jahr kostenlos an dem Zug aus. Die drei Unterrichtseinheiten vermitteln komplexe Handlungsweisen bei Einsätzen, wenn Gefahrengut freigesetzt wird oder die Gefahr besteht, dass hier gefährliche Stoffe austreten.“

Der Sonderzug besteht aus drei Waggons – einem Kesselwagen, einem begehbaren Kesselwagen, sowie einem Personenwagen für die Theorie-Ausbildung. Am Leckagekesselwagen können neun verschiedenene ­Leck-Situationen realitätsgetreu simuliert werden. Ein anderer Wagen gibt mit 65 unterschiedlichen Armaturen Überblick über die Vielfalt der Bauformen, auch die müssen die Feuerwehrleute kennen. Und mithilfe von Schnittmodellen kann man auch in das Innere der Armaturen hineinschauen.