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Filmproduktion Filmdreh auf der Räuberhöhle

Mythen des Harzes treffen auf DDR-Geheimnisse: Der Amerikaner William von Tagen dreht einen Film in der Region um Halberstadt.

Von Sandra Reulecke 15.09.2017, 22:36

Halberstadt l Die Stimmung ist bedrohlich. Ein Offizier in DDR-Uniform blickt das Paar finster an, mit fester Stimme redet er auf die jungen Leute ein. Er spricht von Hochverrat, von Konsequenzen. Dann nimmt der Bewaffnete mit einem süffisanten Grinsen der Frau ihre Kette ab, bevor er sie von einem Soldaten abführen lässt.

Das war es, die Szene ist im Kasten. Vorerst. Bevor die Sonne untergeht, müssen Detailaufnahmen aus anderen Kameraperspektiven aufgenommen werden. William von Tagen schaut skeptisch in den Himmel. Er mahnt das Team zur Eile – es sieht nach Regen aus und die Dreharbeiten müssen noch heute beendet werden.

„After Walpurgisnacht“ heißt der Thriller, für den die Filmleute im Huy unterwegs sind. Die Szene, die auf der Räuber-Daneilshöhle gedreht wird, ist eine Rückblende und wird den Film eröffnen, verrät Luisa Wietzorek. Die quirlige Berlinerin ist eine Hauptdarstellerin des Films, der von der Suche nach einem verschwundenen Studenten handelt. Seine Freunde vermuten ihn im Harz und begeben sich von Berlin in das Mittelgebirge. Dort geraten sie – wie es der Titel vermuten lässt – in den Walpurgis-Trubel am 30. April. Auch in die Mythen und in die Geschichte der Region tauchen sie ein.

Die Story stammt aus der Feder von William von Tagen. Der Amerikaner ist Produzent, Regisseur und Drehbuchautor in einem. Der 29-Jährige war es auch, der den Drehort entdeckt hat. „Will kennt sich in der Gegend wohl besser aus, als so mancher Harzer“, sagt Luisa Wietzorek lachend. Die Berlinerin bezieht sich auf die Schulzeit des Regisseurs. Ein Jahr lang war er als Austauschschüler in Halberstadt und hat in der Zeit die Gegend ausführlich erkundet. Auch nach seiner Rückkehr in die USA hielt er Verbindung zur Stadt und den Menschen, die er hier kennengelernt hat.

Zu ihnen zählt Jürgen Herold, der für seine Rolle als Soldat Dachs in Uniform neben dem Regisseur im Huy-Wald steht. „Jürgen und ich sind schon ewig Freunde“, berichtet von Tagen. Wie sich die beiden kennengelernt haben, erzählt Herold in einer kurzen Drehpause. „Im Musikunterricht im Käthe-Kollwitz-Gymnasium saßen wir nebeneinander.“ Sein Grinsen lässt vermuten, dass so mancher Streich auf das Konto der Freunde ging.

Schon zu der Zeit hat Jürgen Herold Theaterluft geschnuppert. Er sang im Extra-Chor, der aus Laien besteht, im Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt. Nach dem Abitur und einem Jahr als AuPair in den USA absolvierte er Hospitanzen am Schauspielhaus Zürich, 2015 schloss er sein Schaupielstudium in Zürich ab. Nach einer Spielzeit am Theater Freiburg, gehört der Mime nun zum Ensemble des Landestheaters in Tübingen.

Trotz seiner Engagements sei er gern zu Besuch in Halberstadt. „Meine Familie lebt hier“, berichtet er. Und so habe er nicht lang überlegen müssen, ob er für den Film seines Freundes eine Rolle übernimmt, die mit einem Heimatbesuch verbunden ist.

Ursprünglich war seine Rolle im Drehbuch gar nicht vorgesehen. Und eigentlich war der Film sogar schon abgedreht: Bereits im April 2016 waren William von Tagen und sein Team – zu dem Deutsche und Amerikaner gehören – für Dreharbeiten im Vorharz unterwegs. Unter anderem wurde im Kreuzgang der Halberstädter Liebfrauenkirche, auf dem Hexentanzplatz in Thale und in der Benzingeröder Kirche gefilmt. Weitere Drehorte waren in Bulgarien und Berlin.

„Der Rohschnitt war fertig“, berichtet Luisa Wietzorek. „Aber William ist Perfektionist.“ Die Geschichte sei ihm nicht ausgefeilt genug gewesen, deshalb habe er am Drehbuch gearbeitet. Schon gedrehte Szenen sind herausgeflogen, neue konzipiert worden. „Das ist in der Filmbranche nicht ungewöhnlich“, erläutert Knud Riepen. Er ist nicht nur als Darsteller dabei, sondern auch als Koproduzent. Zwar konnte wegen der Überarbeitung der Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden, dafür wurden für die neuen Rollen bekannte deutsche Schauspieler gewonnen, berichtet Riepen begeistert.

So wird der strenge Offizier von Peter Lohmeyer gespielt. Der 55-Jährige war unter anderem in „Das Wunder von Bern“ und „Großstadtrevier“ zu sehen. Serien-Fans kennen Maike von Bremen gut. Die 36-jährige Schauspielerin, Sängerin, Synchronsprecherin und Moderatorin verkörperte 1476 Folgen lang die Sandra Lemke in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Und Lucas Prisor stand für den „Tatort“ und die Kurzserie „Charité“ unter der Regie von Sönke Wortmann vor der Kamera.

Insgesamt wurden rund 40 Prozent des Films neu gedreht, schätzt Luisa Wietzorek. Für den Spannungsbogen sei das ein Gewinn. „Es ist ein Rätselelement hinzugekommen“, berichtet sie.

Wie das Filmteam, ist auch der Film zweisprachig. „In der amerikanischen Version soll das auch so bleiben. Die deutschen Schauspieler werden dann mit Untertiteln unterlegt“, informiert Knud Riepen. Die deutsche Variante wird vermutlich vollständig synchronisiert.

Mit der Fertigstellung muss sich William von Tagen nun beeilen. „Er will den Film noch in diesem Jahr für ein Festival in Deutschland anmelden“, kündigt Luisa Wietzorek an.