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Finanzprobleme  Strube zieht nach Schiedsspruch Notbremse

Der Saatguthersteller Strube GmbH & Co. KG in Söllingen sieht sich mit existenzbedrohend hoher Forderung konfrontiert.

Von Dennis Lotzmann 04.11.2016, 00:01

Söllingen/Schlanstedt l Es geht Strube ganz offensichtlich wie Partnern nach dem tragischen Finale einer langjährigen Ehe: Von der jahrzehntelangen wirtschaftlichen Partnerschaft ist nicht mehr geblieben als ein Scherbenhaufen. Ein offenbar riesengroßer mit letztlich existenzbedrohendem Charakter. Denn die Trennung des Saatgutherstellers Strube GmbH & Co. KG von einem Partner in Belgien ist in ein juristisches Tauziehen gemündet, dessen bisheriges Ergebnis das Traditionsunternehmen Strube in akute finanzielle Bedrängnis bringen könnte. Um eine Insolvenz abzuwenden, hat Strube die Notbremse gezogen und sich – juristisch gesehen – in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren begeben.

Mit diesem Schritt, erklärt Strube-Unternehmenssprecher Marcus Geppert, solle verhindert werden, dass der Ex-Kooperationspartner die ihm in einem Schiedsverfahren zugesprochene Summe per Vollstreckung sofort einfordern kann. Zwar hält sich Geppert sowohl mit konkreten Zahlen als auch mit dem Namen des Ex-Partners zurück – zwei Sätze machen aber den Ernst der Lage deutlich: „Der Schiedsspruch ist dank des Schutzschirmverfahrens nicht vollstreckbar. Sonst wären wir insolvenzreif gewesen.“

Dies, betont Marcus Geppert, gelte jedoch nur für die Saatzucht Strube GmbH & Co. KG, nicht aber für die übrigen Ableger der Strube-Firmengruppe. Die Unternehmensgruppe agiert nach eigenen Angaben mit rund 400 Mitarbeitern in insgesamt 35 Ländern weltweit.

Die Trennung von dem belgischen Partner markiert das Ende einer offenbar seit den 1950er-Jahren bestehenden Partnerschaft. Nach Recherchen der Volksstimme sollen sich wohl die Eigentumsverhältnisse jenes belgischen Partners zuletzt mehrfach geändert haben – möglicherweise ein Grund für den Schnitt.

Das Trennungsverfahren soll sich über mehrere Jahre hingezogen haben und mündete bereits Mitte 2015 in Belgien in jenes für Strube so fatale Schiedsverfahren. Der vorläufige Schiedsspruch belege Strube „mit einer hohen, rechtlich jedoch strittigen Zahlungsverpflichtung sowie nicht näher definierbaren Herausgabeansprüchen“, heißt es in einer Pressemitteilung von Strube.

Das Saatzuchtunternehmen, das 1877 im heutigen Huy-Ortsteil Schlanstedt gegründet worden ist, habe das Resultat nicht anerkannt, betont Unternehmenssprecher Geppert. Nach Ansicht der eigenen Rechtsberater müsse der vorläufige Schiedsspruch zwingend aufgehoben werden. „Wir haben deshalb noch 2015 in Belgien eine Aufhebungsklage eingereicht. Dieses Klageverfahren läuft noch“, heißt es im Unternehmen.

Da diese Klage keine aufschiebende Wirkung für die Zahlungsverpflichtung habe und diese der Höhe nach für das Unternehmen existenzbedrohend sei, habe man am 12. Oktober dieses Jahres beim Amtsgericht Wolfsburg den Antrag auf Eröffnung des Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung gestellt, so Geppert.

Das bestätigt der Wolfsburger Amtsgerichtsdirektor Henning Lüdtke: „Beim Insolvenzgericht ist ein entsprechender Antrag der Firma Strube GmbH & Co. KG in Söllingen eingegangen. Das Amtsgericht Wolfsburg hat mit Beschluss vom 13. Oktober die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und einen vorläufigen Sachwalter eingesetzt“, so der Gerichtsdirektor. Weitere Details könne und dürfe er zu diesem Verfahren nicht nennen.

Das Schutzschirmverfahren wurde im Jahr 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eingeführt. Es soll einen Anreiz bieten, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, um Sanierungschancen von Unternehmen in Krisensituationen zu verbessern. Entscheidender Aspekt: Die Firmen dürfen zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht zahlungsunfähig sein. Sie werden dann in die Lage versetzt, einen Insolvenzplan zur Sanierung vorzubereiten.

Ein Schritt, der nun offenbar auch im Hause Strube GmbH & Co. KG vorbereitet wird, um für den denkbar schlimmsten Fall gerüstet zu sein. Dem Vernehmen nach stelle sich das Unternehmen gegenwärtig neu auf, um sich „optimal auszurichten“, heißt es. Gleichzeitig wird betont, dass die Traditionsfirma zum jetzigen Zeitpunkt auf soliden Füßen stehe: „Wir sind operativ völlig gesund“, betont Unternehmenssprecher Marcus Geppert. Kunden würden normal bestellen und auch beliefert, die Nachfrage sei hoch. Mit dem Schirmverfahren halte sich Stube mehrere Optionen offen, „um als eigenständiges Unternehmen weiter am Markt zu agieren“.

Dass sich das Unternehmen erst gut ein Jahr nach Schiedsspruch und Anfechtungsklage unter den Schutzschirm begeben hat, hängt offenbar mit dem gescheiterten Einigungsversuch zusammen. „Zuletzt aufgenommene Gespräche, in denen das Unternehmen Strube für seinen ehemaligen Kooperationspartner völlige Transparenz angeboten sowie ein finales, sehr weit gehendes Vergleichsangebot unterbreitet hat, verliefen ohne Ergebnis“, heißt es in einer Mitteilung.

Wie lange jener Schutzschirm aufgespannt bleibt, ist derweil offen. Der Schirm würde auch bei einem erfolglosen Aufhebungs-Klageverfahren zunächst Bestand haben und Strube so vor einer überraschenden Insolvenz schützen, heißt es.

Die Saatzucht Strube GmbH & Co. KG ist 1877 in Schlanstedt gegründet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz ins niedersächsische Söllingen verlegt. Nach der Wende und der Deutschen Wiedervereinigung wandte sich Strube auch wieder den unternehmerischen Wurzeln zu und baute die Niederlassung in Schlanstedt aus. Dort sind nach Firmenangaben heute rund 80 bis 90 Mitarbeiter beschäftigt. Allerdings seien die wenigsten von ihnen in der insolvenzbedrohten Strube GmbH & Co. KG angestellt, sondern in anderen Firmen der Unternehmensgruppe.