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Flüchtlinge Schnelle und pragmatische Hilfe

Nach einem Besuch im Zentralen Aufnahmelager steht für Bianca Feldheim fest: Ich muss was tun.

Von Sabine Scholz 11.09.2015, 01:01

Halberstadt l Das Bild ist für sie nicht ungewohnt. Hunderte Menschen, die am Straßenrand stehen oder kauern. Papier, Plastetüten liegen herum. „Das ist unser nächstes Projekt, um etwas gegen die Langeweile hier zu tun“, sagt André Berei. als er am Donnerstagsmittag mit Bianaca Feldheim auf dem Zast-Gelände unterwegs ist. „Wir wollen gemeinsam mit den Flüchtlingen den Müll aufsammeln.“

Die Langeweile, die Ungewissheit belasten die weit mehr als 2200 Menschen, die zurzeit in Zelten, Containern und den schmalen Zimmern der Aufnahmeeinrichtung leben. Sie sind in Sicherheit, aber ob sie bleiben können, wissen sie nicht.

Viele von ihnen können in Deutschland bleiben, weit mehr als 70 Prozent der Flüchtlinge sind Syrer, geflohen vor den Bomben, dem Terror, der Angst um das eigene Leben, dem Hunger. 400 Kinder sind unter ihnen. „Für mich stand fest, hier musst du helfen“, sagt Bianca Feldheim. Nach den vielen negativen Berichten in sozialen Netzwerken wollte sie sich selbst ein Bild machen. Fragte, sah sich gemeinsam mit einer Freundin um. Und blieb, um mit den Kindern zu spielen, erste deutsche Worte zu üben. „Wenn man sich erstmal traut und auf sie einlässt, merkt man, dass die meisten sehr liebe Menschen sind.“

Malen, basteln, schreiben – die Kinder nehmen die Angebote gern an. Aber täglich kommen neue Flüchtlinge, die mit dem Nötigsten versorgt werden müssen. Derzeit sind es in einem Monat schon mal 4000 Menschen, die in der Zast aufgenommen und dann auf die Landkreise in Sachsen-Anhalt verteilt werden. Der schnelle Wechsel führt dazu, dass es dauernd an Beschäftigungsmaterial, Hygienartikeln und anderem fehlt. „Die hauptamtlichen Mitarbeiter und die vielen Ehrenamtler schuften wirklich oft bis an die Grenze des Machbaren, aber sie brauchen dringend Unterstützung“, sagt André Berei.

Als er erfuhr, dass es an Erstausstattung wie Zahnbürsten, an Hygieneartikeln generell fehlt, machte er sich auf den Weg, fragte bei Drogerieketten wie dm und Rossmann nach. Auch Büromaterialhändler wie Beckmann & Gießler verschlossen sich dem Anliegen nicht, ebensowenig wie die Allianz-Agentur Gerloff, die mal eben auf eigene Kosten je 1000 Vokalbelhefte und Malbücher spendete.

„Aus dem kleinen miteinander Spielen und Lernen ist eine richtig große Sache geworden“, stellt Bianca Feldheim fest, als sie am Donnerstagmittag einen großen Schwung Sachspenden in die Zast bringt. Den Transporter hat Jennifer Breuste von den Bündnisgrünen organisiert, CDU-Mann Meinoplh Weigmann packt völlig selbstverständlich mit ein und wieder aus.

„Wir haben uns ganz bewusst für den Begriff Initiative Menschichkeit entschieden“, sagt André Berei, „weil wir hier zusammen tätig sind, egal, welcher politischer Überzeungung wir sind. Hier sind Menschen und die brauchen Hilfe, und wir können schneller, unbürokratisher auf einen bestimmten Bedarf reagieren als staatliche Stellen“, sagt der Halberstädter.

Die beiden Initiativen-Gründer sprudeln nur so vor Ideen. Sie wissen, wie extrem schwer die Langeweile auszuhalten ist in der Einrichtung, die sich im Moment vor allem auf die Registrierung und Unterbringung der Ankommenden konzentrieren muss. „Die Mitarbeiter haben zum Teil schon ihre Büros geräumt, damit Schlafplätze geschaffen werden“, erzählt Berei.

Die Privatleute stehen in engem Kontakt mit den Sozialarbeitern vor Ort. Mittlerweile ist ein Runder Tisch gebildet worden, um die Arbeit der ganz unterschiedlich strukturierten Hilfsverbände besser koordieren zu können. „Es geht uns nicht um Kompetenzen, sondern darum, den Menschen zu helfen“, sagt Berei.

Bei vielen Bürgern in der Region finden sie Unterstützung. Kleine und größere Sachspenden werden organisiert. Porta spendete 25 Steppdecken, Kopfkissen und 250 Handtücher, die Firma Schneider aus Wernigerode Stifte, das Kaufland-Team hilft. „Aber die Spenden sind das eine, was fehlt, sind einfach Arme, die mit verteilen“, sagt Bianca Feldheim.

Ihr nächstes Projekt ist schon in der Planung. Beide suchen Menschen, die Farsi, Arabisch, Englisch oder Französisch beherrschen. „Wir wollen ein Infoblatt entwerfen, auf denen die Flüchtlinge einige der hier üblichen Verhaltensregeln lernen. Sie kommen aus einem völlig anderem Kulturkreis und wissen zum Beispiel nicht, dass an einer Supermarktkasse nicht über den Preis verhandelt werden kann oder wie unsere Sanitärstandards sind. Dass uns fremde Verhalten sorgt bei den Einheimischen für Verärgerung. Wenn beide Seiten mehr voneinander wissen, kann das nur hilfreich sein“, sagt Feldheim.