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Forschungsprojekt Schönheitskur für Stephanus

Staub entfernen, ohne lose Farbschichten zu gefährden. Wie das gehen soll, wird im Halberstädter Dom erforscht. Für 300.000 Euro.

Von Sandra Reulecke 08.06.2017, 01:01

Halberstadt l Furchen und Dellen zieren sein Gesicht. Die Hautfarbe wirkt grau und matt. Er benötigt dringend eine Schönheitskur. Die Rede ist von Stephanus, einer mehr als 500 Jahre alten Steinskulptur im Halberstädter Dom. Zusammen mit den Figuren von Sixtus, dem zweiten Patron des Doms, und von den zwölf Aposteln gehört er zur größtenteils noch ursprünglichen Ausstattung des Hohen Chors.

„Wir stehen im heiligsten Raum des Doms“, sagt Claudia Wyludda von der Domschatzverwaltung. Bis zum Jahr 1810 sei hier Ökumene gelebt worden – eine Vorreiterrolle in Sachen Religion, die die Halberstädter gelebt haben. Stephanus und Sixtus seien Stützen der Kirche – im übertragenem wie wörtlichen Sinn. Umso wichtiger sei es heute, die Skulpturen vor dem Verfall zu retten.

Denn der Staub ist nicht das größte Problem. „Die Farbe ist im Laufe der Zeit zu einer Hülle geworden, die losgelöst vom Stein steht“, erläutert Diplomrestauratorin Corinna Grimm-Remus. „Beim Versuch, das zu putzen, hat man nicht nur Staub am Pinsel, sondern auch die Farbe.“ Kulturwissenschaftlich sei dies ein immenser Verlust. Bislang seien die Skulpturen, deren Entstehung im Zeitraum zwischen 1425 bis 1475 angenommen wird, kaum erforscht. Doch „einige sind so stark geschädigt, dass man sich kaum an sie herantraut“, sagt die Restauratorin. Eine Notsicherung sei unabdingbar.

Wie, steht noch nicht fest. „Es gibt bislang nichts auf dem Markt.“ Dabei befinden sich auch anderenorts stark geschädigte mittelalterliche Skulpturen. Auch in den anderen Bauten, die neben dem Halberstädter Sakralbau von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt gepflegt und erhalten werden.

Grund genug, nun im Halberstädter Dom innovative Methoden modellhaft zu erproben und weiterzuentwickeln. Drei Jahre soll das Projekt dauern. 300.000 Euro wird es kosten, fast 120.000 Euro davon übernimmt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, informiert Ralf Lindemann von der Kulturstiftung.

Das Projekt gliedert sich in drei Phasen, erläutert Diplomingenieur Uwe Kalisch vom Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen-Anhalt. Zunächst sollen repräsentative Objekte ausgewählt werden, deren Material- und Fassungsbestand sowie deren Schadensbilder modellhaft sind. Dafür kommen kleine „Drohnen“ zum Einsatz. In Zusammenarbeit mit der Bauhausuniversität Weimar werden die kleinen Fluggeräte den Dom erkunden, um Aufnahmen der Skulpturen zu machen. So sollen 3D-Dokumentationen entstehen. Die Herausforderung dabei: Trotz erhoffter Nahaufnahmen dürfen die Rotoren nicht zu dicht an die Figuren kommen. Sonst platzt die Farbe ab, gibt Ralf Lindemann zu bedenken.

In der zweiten Phase erfolgen Voruntersuchungen im Labor. Wie Uwe Kalisch erläutert, soll eine übertragbare Herangehensweise für die Notsicherung der anderen Skulpturen im Dom und für andere Objekte erarbeitet werden.

Dabei kommt die sogenannte „Facing-Technologie“ zum Einsatz. Das „Facing“ ist eine Art Schutzschicht oder eine Zwischenschicht, die eine Fassungsfestigung und „Replatzierung“ erlaubt, aber den Verlust der Fassung durch direkte Berührung verhindert, teilt die Kulturstiftung mit. Mithilfe von Chemikalien soll die Oberfläche der fragilen Fassung gefestigt werden – ohne die Farbschicht zu zerstören, berichtet Eta Erlhofer-Helten von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig solle es möglich sein, den Schmutz von der Farbe zu lösen. Welche Mittel zum Einsatz kommen, müsse zunächst erforscht werden. Zudem wird in dieser Phase ein Notsicherungskonzept erarbeitet.

Im dritten Schritt soll dieses Konzept am gesamten Skulpturenbestand umgesetzt und fachlich überprüft werden.

Im Rahmen des Projekts soll zudem geklärt werden, wie die massiven Schäden entstanden sind, sagt die Restauratorin Corinna Grimm-Remus. „Es gibt erste Thesen dazu. Im 19. Jahrhundert wurden zum Beispiel Fenster saniert. Die Arbeiten gingen über Jahre und so lange waren die Skulpturen den Außentemperaturen ausgesetzt.“

Ähnliches sei nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen. Beim Bombenangriff am 8. April 1945 auf Halberstadt wurde unter anderem das Dach des Gotteshauses, das zwischen 1239 und 1489 erbaut wurde, stark in Mitleidenschaft gezogen. „Es gibt Fotos von den Skulpturen, als sie mit Schnee bedeckt waren“, so Corinna Grimm-Remus.