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Frauenzentrum Im Lilith bleiben Frauen unter sich

Warum es trotz Gleichberechtigung zeitgemäß ist, ein Frauenzentrum in Halberstadt zu führen, berichten die Leiterinnen von Lilith.

Von Sandra Reulecke 02.09.2016, 01:01

Halberstadt l Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Soweit die Theorie. Denn auch, wenn das ausdrücklich so im Artikel 3 des Grundgesetzes formuliert ist, stellt es sich im Alltag anders dar. Das ist die Erfahrung von Antje Maier. Seit 13 Jahren leitet die Diplompädagogin das Frauenzentrum Lilith. Pendelt dafür zwischen Halberstadt und ihrem Wohnort Magdeburg.

„Im Laufe der Jahre hat sich natürlich etwas geändert, zum Beispiel einige Gesetze, aber gesellschaftliche Strukturen wandeln sich nur sehr langsam“, erläutert die zweifache Mutter. Eine Einschätzung, die Bundeszentrale für politische Bildung teilt. „So bekommen Frauen im Durchschnitt für vergleichbare Arbeit weniger Geld als Männer und übernehmen ein Großteil der unbezahlten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten“, heißt es auf der Internetseite der Zentrale.

Genau an dieser Stelle sieht Astrid Meyer, Vorstand des Unabhängigen Frauenverbandes Landkreis Harz e.V. (UFV), den Knackpunkt. „Gleichberechtigung bedeutet auch Unabhängigkeit – insbesondere finanzielle Unabhängigkeit“, gibt sie zu bedenken.

Wie können das Frauenzentrum und der UFV in Halberstadt etwas an diesem Zustand ändern? „Es muss dafür gesorgt werden, dass das Thema präsent bleibt“, betont Antje Maier. In der Politik müsse darüber gesprochen werden. Das schließe auch die Betreuung von Kindern ein. Denn eine Frau, die guten Gewissens an ihrer Karriere feilen möchte, tut dies nur, wenn sie ihre Kinder gut versorgt weiß.

Die Lobbyarbeit für Frauen ist jedoch nur eine Aufgabe, der sich Antje Maier und ihre Mitstreiterinnen stellen. „Wir bieten Frauen und Mädchen einen Rückzugsort. Unter sich sprechen sie andere Themen an, als sie es in Gegenwart von Männern tun würden“, erläutert die Leiterin. Das beträfe nicht nur Themen wie Gewalt im häuslichen Umfeld, Schulden und Überforderung. „Gerade bei jungen Frauen fällt mir auf, dass sie vieles auf sich beziehen“, sagt Antje Maier. Wenn zum Beispiel ein Mann den Job bekommt, auf dem sie sich beworben hat – trotz besserer Noten. „Sie sehen das dann als persönliches Scheitern an.“

Egal in welcher Lebenssituation – im Lilith finden Frauen Hilfe, versichert die Leiterin. „Zumindest können wir ihnen einen Ansprechpartner vermitteln.“ Die Frauen und Mädchen können sich austauschen, sie finden Rat – und Anerkennung. „Bei vielen ist es wichtig, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, ihnen Sicherheit zu geben.“

Gelegenheiten dazu bieten Lilith und der UFV mit einem breiten Spektrum an Freizeitaktivitäten. „Es ist schwer alle zu erreichen, aber wir versuchen es“, sagt Antje Maier. Angesichts von 5000 bis 6000 Teilnehmerinnen an den Veranstaltungen scheint das Konzept aufzugehen. Es gibt Kreativ- und Sportkurse, Lesungen, Mädchen-Workshops, eine Trauergruppe, regelmäßige Treffs und interkulturelle Arbeit, Feste und weitere Veranstaltungen – einige in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Institutionen der Stadt. Seit einiger Zeit gibt es zudem mit „Frauen auf Achse“ – Ausflüge und Reisen. „Das war eine echte Marktlücke und wird sehr gut angenommen“, sagt Antje Maier. Vor allem Alleinstehende, die sich einer „normalen“ Reisegruppe nicht anschließen würden, hätten so Gelgenheit, mal wieder raus zu kommen.

Zudem dürfte sich ab kommenden Jahr noch mehr in Richtung geschichtlicher Angebote ergeben. Ab 2017 wird Ellen Fauser mit in der Leitung des Frauenzentrums arbeiten. Die ehemalige Leiterin der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge übernimmt den Posten von Cathrin Rabe, die sich bislang den Chefsessel mit Astrid Maier teilt.

„Ich bin ein Urgestein“, sagt Ellen Fauser. Sie gehört zu den Mitbegründerinnen des Frauenverbandes in Halberstadt. „Frauenarbeit findet nicht nur im Hier und Jetzt statt, es bedeutet auch, in die Vergangenheit zu blicken“, so Fauser. Sie könne sich vorstellen, Gesprächsrunden mit den sogenannten Trümmerfrauen, die nach dem 2. Weltkrieg die Stadt wieder aufgebaut haben, zu organisiere.

Zunächst steht es ihr jedoch bevor, die Verwaltungsarbeit des Frauenzentrums kennenzulernen. Dazu gehört auch die Finanzierung: Die wird über das Land, den Kreis und Spenden gesichert.

Anträge auf Fördergelder seien zum Teil eine Herausforderung. „Es kommt vor, dass wir uns rechtfertigen müssen, weil wir nur Angebote für Frauen und Mädchen haben – schließlich bedeute Gleichberechtigung, dass alles für alle geboten werden muss“, berichtet Astrid Maier. „Wir finden es aber wichtig, dass es spezifische Angebote für jeden gibt – und wir kümmern uns eben um Frauen.“ Astrid Meyer geht noch einen Schritt weiter: „Wer sich über Feminismus aufregt, sollte Sexismus unterlassen“, betont sie.