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Friedhöfe  Orte des Abschieds und Trosts

Wenn sich der Totensonntag nähert, zieht es viele zu Friedhöfen. Solche Orte sind von hoher Bedeutung für die Trauerbewältigung.

26.11.2017, 04:32

Halberstadt l Wer über einen Friedhof geht, sieht, welch vielfältige Bestattungsformen es mittlerweile gibt. Neben Erdbestattung und Urnenbeisetzung erlaubt die „grüne Wiese“ eine anonyme Bestattung. Für diejenigen, die einen konkreten Ort wünschen, um den Verstorbenen zu besuchen, aber dennoch kein Grab möchten, gibt es zudem die Alternative einer halbanonymen Bestattungsart. Das bedeutet, dass auf die Urnenstelle eine kleine Platte mit Namen sowie Geburts- und Sterbedatum des Verstorbenen gelegt wird. Diese Stellen werden auf Friedhöfen als „pflegefreie Reihengräber“ angelegt. Es können zwar Kränze und Blumen abgelegt werden, aber prinzipiell haben die Besitzer keine Pflegeverpflichtung.

Solche Aspekte bestimmen immer mehr die Entscheidung für eine endgültige Bestattungsform, sagt Susann Pflock vom Bestattungsinstitut Lindemann aus Halberstadt. „Viele Leute zieht es nicht mehr zum Friedhof“, sagt sie und spricht damit vor allem über Familien, die räumlich weit auseinander wohnen und die Anghörigen nicht immer die Möglichkeit haben, ein Grab zu pflegen. Der Trend gehe daher zur Halbanonymität. Denn einen Ort zum gelegentlichen Besuch und zur Erinnerung bräuchten dennoch viele.

Zunächst steht nach dem Tod eines geliebten Menschen jedoch das Abschiednehmen im Mittelpunkt. Eine traditionelle Trauerfeier mit Blumen, Kerzen, Musik und einem Trauerredner oder Pfarrer bilden nach wie vor den Schwerpunkt der Beisetzungen. „Auch wenn es hier in den neuen Bundesländern schon immer häufiger Feuerbestattungen gab, hat sich die Anzahl der Erdbestattungen konstant gehalten“, berichtet Pflock. Die dazugehörigen Trauerfeiern werden in ihrem Institut so individuell wie möglich gestaltet. Das beginne schon mit der Musik: „Es sollte das gespielt werden, was der Verstorbene immer gerne gehört hat und nicht das, was die Angehörigen gerne hören“, bekräftigt die Bestatterin und fügt hinzu: „Wenn der Verstorbene gerne Elvis gehört hat, dann hören wir bei der Trauerfeier auch Musik von Elvis.“

Hobbys und Eigenschaften der Toten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle: Ob Jäger oder Fußballspieler – die Feierstunden thematisieren von der Dekoration bis zum inhaltlichen Ablauf das Leben eines Verstorbenen. „Wir haben auch schon einem Jugendlichen zur Trauerfeier das Handy mit in den Sarg gelegt, weil er dafür bekannt war, es immer bei sich zu haben“, berichtet Susann Pflock. Ein solch intensiver Abschied sei wichtig, betont die Bestatterin.

Allerdings beobachte sie seit einiger Zeit Entwicklungen innerhalb der Trauerkultur mit Sorge. Ein Trend gehe dahin, aus dem Kohlenstoff der Asche des Verstorbenen einen Diamanten herstellen zu lassen.

Außerdem bestehe die Möglichkeit, einen „Tree of life“ – also Lebensbaum – im eigenen Garten zu pflanzen. Dafür wird die Asche ins Ausland zu einer Firma geschickt, die diese dann in die Wurzeln eines Baumes einarbeitet. „Das Ganze dauert ungefähr ein dreiviertel Jahr. Erst dann erhalten die Angehörigen den Baum“, berichtet Susann Pflock. Allein dies sei aufgrund eines solch langen Zeitraumes für die Verarbeitung der Trauer kontraproduktiv.

Der Aspekt, die Asche des Verstorbenen - wenn auch in Form eines Diamanten oder Baumes - immer direkt vor Augen zu haben, erschwere für die Hinterbliebenen die Trauerbewältigung. „Auch Psychologen weisen darauf hin, dass die Trauer in dieser Form nicht nach Hause gehört“, betont Pflock und stellt fest: „Es darf nicht mit den Gefühlen der Hinterbliebenen gespielt werden.“ Zudem besteht in Deutschland Bestattungszwang. Das hieße, wenn die Angehörigen den Diamanten aus Asche erhalten, müssten sie diesen rein rechtlich beisetzen lassen.

Eine weniger komplizierte Alternative zu Bestattungen auf dem Friedhof geben Urnenbeisetzungen auf so genannten „Friedwäldern“. Das sind rechtlich festgelegte Waldflächen außerhalb traditioneller Friedhöfe. „Hier können sich die Angehörigen selbst einen Baum aussuchen. Sie erleben dort den Prozess der Beerdigung und Urnenbeisetzung, was psychologisch sehr wertvoll ist“, erklärt Susann Pflock. Ein Vorteil sei zudem das ökologisch abbaubare Material der Urnen, das sich innerhalb von 15 Jahren selbst auflöst. So umgehe man eine eventuelle Beräumung der Grabstelle nach der Liegezeit, die bei Urnengräbern auf Friedhöfen in Sachsen-Anhalt mindestens 15 Jahre beträgt.

Aufgrund dieser Vielzahl an Beisetzungsmöglichkeiten sei es sinnvoll, sich über die eigene Bestattung Gedanken zu machen, sagt Pflock. „Viele verdrängen das Thema natürlich im Alltag.“ Trotzdem lohne sich ein Bestattungsvorsorgevertrag. Dieser bestimmt unter anderem über eine Feuer- oder Erdbestattung und welche Grabstelle belegt werden soll.

„Der Vertrag ist dann hilfreich, wenn keine Angehörigen ausfindig gemacht werden können“, so Susann Pflock. Denn dann sei das Ordnungsamt für diese Fälle zuständig. Meist werde dabei der kostengünstigste Weg genommen – also eine Feuerbestattung, bei der die Urne anonym beigesetzt wird. Liegt jedoch die Bestattungsvorsorge vor, müsse sich das Ordnungsamt an diese halten, also eine Erdbestattung durchführen lassen, wenn dies der Wunsch des Verstorbenen war.

„Aber in jedem Fall findet eine Aussegnung mit dem Pfarrer statt“, informiert Susann Pflock. Auch, wenn niemand daran teilnimmt. Das erlebe sie häufig. Und genau bei diesen einsamen Bestattungen zählt für sie vor allem eines: Es ist selbstverständlich, dass jeder das Recht auf eine Beisetzung und einen Abschied in Würde hat.