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Gemm-Gemälde Romantisches Vorbild

Aus diesen Gründen ist ein dank Spenden erworbenes und restauriertes Halberstadt-Bild etwas Besonderes.

Von Sabine Scholz 30.01.2021, 00:01

Halberstadt l Vorsichtig ziehen Daniel Szarata (CDU) und Volker Bürger an dem roten Tuch. Als es fällt, haben Halberstadts Oberbürgermeister und der Geschichtsvereinsvorsitzende freien Blick auf den Holzmarkt. So, wie er 1930 aussah.

Walter Gemm hat dieses Bild gemalt. Es ist zwar eines von vielen, das die Heimatstadt des Malers zum Motiv hat, und doch ist es etwas Besonderes. Nicht nur, weil es das in den vergangenen Wochen in der Werkstatt der Restauratorin Roswitha Dreysse aus Quedlinburg restaurierte Bild zu gewisser Medienpräsenz gebracht hat.

In der ZDF-Show „Bares für Rares“ stellte am 22. September ein Paar aus Hanau Horst Lichter und den Antiquitätenhändlern ein Erbstück vom Vater vor, eben diese großformatige Ansicht des Halberstädter Holzmarktes. Der Händler Christian Vechtel ergatterte das Gemm-Bild für 600 Euro.

Und er war bereit, eine Spendenaktion zu unterstützen, die kurz darauf in Halberstadt anlief. Einige Domstädter hatten die Sendung verfolgt und fragten im Städtischen Museum an, ob man denn dieses Bild nicht für die Stadt erwerben wolle. Museumschefin Antje Gornig rannte mit diesem Anliegen beim Geschichtsverein ebenso offene Türen ein wie bei Daniel Szarata, der kurz vor dem Wechsel vom Landtag in das Oberbürgermeisterbüro der Stadt stand.

Mit rund 3500 Euro an Kosten für Ankauf und Restaurierung rechnete das Team um Antje Gornig. „Am Ende ist es etwas teurer geworden, aber dank der zahlreichen Spender konnten wir die Restaurierung finanzieren.“ Der Händler überließ das Bild für 1000 Euro der Stadt und kümmerte sich um den Transport, im Museum wurde es aus dem eigentlich zu kleinen Rahmen genommen und akklimatisiert, bevor Roswitha Dreysse noch in den Museumsräumen die ersten Sicherungsarbeiten an bröckelnden Farbstellen vornahm. „Sonst wäre es nicht weiter transportfähig gewesen“, so Antje Gornig.

Inzwischen hat das Bild seinen der Zeit geschuldeten Grauschleier verloren, die Farben leuchten wieder kräftig, Feuchtigkeitsschäden sind behoben, ebenso die von rostenden Metallklemmen. Tischler Tobias Baller fertigte einen exakt passenden Rahmen für das Bild, das Walter Gemm 1930 auf eine relative dünne Leinwand gemalt hatte. „Das stellte die Restauratorin zusätzlich vor Herausforderungen, weil sie besonders vorsichtig vorgehen musste, um den Firnis zu entfernen, die Farbschichten zu reinigen und Schäden zu restaurieren, bevor wieder alles mit einem Firnis überstrichen wurde“, berichtete André Pohl.

Der Museologe kümmert sich um den Sammlungsbestand des Städtischen Museums und weiß, das rund 620 Gemm-Werke in Ausstellung und Depot lagern, Grafiken und Gemälde, meist in deutlich kleinerem Format als das am Freitag enthüllte Werk.

Mit dem Format hat es eine besondere Bewandtnis auf sich, berichtete Museumschefin Antje Gornig. „Es gibt eine 1830 von Carl Hasenpflug gemalte Ansicht des Halberstädter Holzmarktes, die in diesem Format gehalten ist und fast den gleichen Blick auf den Markt festhält.“ Gemm habe offenbar ganz bewusst in Kenntnis des Hasenpflug-Gemäldes gearbeitet und 100 Jahre nach dem Romantiker den Holzmarkt porträtiert.

„Man erkennt die Veränderungen, die die Neogotisierung am Ende des 19. Jahrhunderrts im Stadtbild hinterlassen hat“, sagt Antje Gornig. Die gotische Form der Fenster und die Balustrade an der Traufe des Westseite des Rathausdaches gab es zu Hasenpflugs Zeiten noch nicht.

Auch aus diesem Grund sei das Bild etwas Besonderes. „Außerdem haben wir aus dieser Schaffensperiode Gemms kaum Bilder dieser Größe in der Sammlung“, sagte die Museumschefin nach dem kurzen Festakt in der Europahalle der Gröpertor-Schule.

Die sei dankbar, das Gemälde als Dauererleihgabe zeigen zu können, sagte Schulleiter Björn Alsleben. Seine Schule sei bestrebt, das kulturelle Leben zu unterstützen und biete mit der Europahalle als Sitz des Harzer Kreistages auch eine Möglichkeit, dieses Bild einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Landkreis und Landesschulamt hatten dem Wunsch rasch zugestimmt. Nun biete es zudem den Schülern einen guten Anlass, sich mit der Stadtgeschichte zu befassen, ergänzte Volker Bürger. Er verwies darauf, dass dieses Bild Halberstadt zeige, wie es vor der Zerstörung 1945 aussah. Dass dies nun in einer Schule hänge, die sich dem europäischen Gedanken verpflichtet fühle, sei sehr gut. „Das Bild entstand zu einer Zeit, als in Europa und Deutschland ganz andere politische und gesellschaftliche Verhältnisse herrschten. Verhältnisse, die in eine schreckliche Katastrophe mündeten, nicht nur für Deutschland, sondern für weit Teile der Welt. Es ist wichtig, das zeigen auch die aktuellen pandemischen Zeiten, friedlich und solidarisch zusammenzustehen, um solche Katastrophen zu verhindern“, sagte Bürger.

Das Zeitdokument, dass dieses Gemälde darstellt, soll eine Zeitlang auch in der Rathauspassage präsentiert werden, kündigte Oberbürgermeister Szarata an. „So kann das Bild von vielen angeschaut werden. Auch die Spendertafel soll bis dahin fertig sein. Denn ohne die Spenden der Halberstädter wären Ankauf und Restaurierung nicht möglich gewesen.“