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Geocaching Schnitzeljagd durch die Geschichte

Schnitzeljagd mit GPS. Klingt nach Spaß. Doch in Langenstein-Zwieberge wird so ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte erforscht.

Von Sandra Reulecke 25.06.2016, 01:01

Langenstein l „Ich glaube, wir müssen da lang.“ Adrian Bothe blickt von dem kleinen, gelb-schwarzen Gerät in seiner Hand auf. Es handelt sich um einen GPS-Tracker – der modernen Variante des Kompasses. Er zeigt nicht nur an, in welche Richtung sein Nutzer gehen soll, sondern auch wie lange er für den Weg braucht. Zumindest theoretisch.

Denn weder Adrian Bothe, noch seine drei Mitstreiter sind mit dem Gerät bislang vertraut. Doch die Unsicherheit legt sich nach wenigen Minuten. Für die vier Neuntklässler aus Halberstadt ist es das erste Geocaching – eine Schnitzeljagd mithilfe von GPS-Koordinaten. Auf diese Weise erforschen sie und ihre Mitschüler vom Gymnasium Martineum kurz vor Ferienbeginn das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers in Langenstein-Zwieberge.

Von den Baracken und Zäunen, die dort im Zweiten Weltkrieg standen, ist heute nicht mehr viel zu sehen. Dennoch erhalten die Gymniasiasten eine Vorstellung davon, was die insgesamt etwa 7 000 Häftlinge aus 23 Ländern bis zur Befreiung des Lagers im April 1945 erlitten haben.

Anhand einer Karte und mittels des GPS-Geräts werden Dominic Hölzel, Lisa-Marie Marquardt, Lars Löhr und Adrian Bothe zu verschiedenen Punkten auf dem Gelände gelotst. Was an diesen Orten während des Krieges geschehen ist, erfahren sie über ein Tablet. Auf dem transportablen Computer werden ihnen Karten, Fotos, Videos und Aufzeichnungen von Zeitzeugen gezeigt.

Wurde noch zu Beginn des Geocachings gelacht und gescherzt, sagt nun keiner der Schüler ein Wort. Gebannt schauen sie auf den kleinen Bildschirm. „Es ist bewegend, das zu sehen und zu hören“, fasst Dominic Hölzel anschließend zusammen, während seine Gruppe den nächsten Punkt auf der Karte lokalisiert. „Aber es ist für mich nicht gegenwärtig“, ergänzt der 16-Jährige.

Hanka Rosenkranz nickt. „Das höre ich immer häufiger. So schnell ist Geschichte.“ Die Geografie- und Geschichtslehrerin erläutert: „ Noch vor 10, 15 Jahren haben die Jugendlichen Flucht- und Kriegsgeschichten erzählt, die sie von den Großeltern kannten.“ Die damaligen Schüler haben einen persönlichen Bezug zu dem Thema gehabt, für die heutigen ist es weit weg.

Deshalb sei es wichtig, neue Wege zu finden, ihnen dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte näherzubringen. Das Geocaching sei eine gute Möglichkeit. „Der Umgang mit dem Smartphone und Computern ist ein Teil ihres Alltags. Sie bedienen die Geräte intuitiv“, berichtet die Pädagogin.

Hauptberuflich unterrichtet Hanka Rosenkranz an einer Gernröder Schule. Seit 2009 ist sie als Gedenkstätten-Pädogogin in Langenstein-Zwieberge tätig. Sie führt Schüler- und Besuchergruppen über das Gelände, erläutert ihnen die Geschichte des Lagers.

Sie begleitet die vier Martineer auf ihrer Tour über das Lagergelände. „Bevor es das Lager gab, wurden die Gefangenen in der Kegelbahn einer Gaststätte in den Thekenbergen untergebracht und in eine später eScheune am Ortsrand von Langenstein. Wenn ihr mit den Fahrrädern zurück nach Halberstadt fahrt, fahrt ihr an ihr vorbei“, sagt Hanka Rosenberg.

So lang sind die Geschehnisse also doch noch nicht her, in der Umgebung der Schüler gibt es Zeugnisse aus der Zeit. Diese Art des Unterrichts findet bei den Jugendlichen Anklang. „Ich finde es gut, wenn der Stoff visualisiert wird. So bekommt man ein besseres Verständnis dafür und was man selbst erarbeitet hat, behält man länger“, resümiert Adrian Bothe.

Auch Dr. Nicolas Bertrand, Leiter der Gedenkstätte, weiß um die positiven Effekte des Geocachings, das seit 2014 auf dem Gelände angeboten wird. Er und sein Team erarbeiten derzeit eine Erweiterung des Angebots. Bislang ist die Schnitzeljagd nur während der Öffnungszeiten möglich, die Technik muss in der Gedenkstätte ausgeliehen werden. „Wir wollen aber, dass die Leute sich informieren können, auch wenn wir nicht da sind“, so Bertrand. „Es ist eine App geplant, die mit privaten Smartphones und Tablets genutzt werden können.“ Noch in diesem Jahr könnte die App starten.