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Gleim-Literaturpreis Familie Bach mit Charme vorgestellt

Volker Hagedorn ist mit dem Gleim-Literaturpreis 2017 ausgezeichnet worden. Der Halberstädter Musikjournalist erhielt den Preis am Freitagabend.

Von Renate Petrahn 23.10.2017, 04:00

Halberstadt l Es ist nicht so häufig, dass die Musik im Mittelpunkt einer Festveranstaltung im Gleimhaus Halberstadt steht. Viel öfter geht es um das geschriebene oder gesprochene Wort oder um Bildende Kunst.

Ganz anders bei der Verleihung des 12. Gleim-Literaturpreises am Freitagabend. Den diesjährigen Preis erhielt der Bratschist, Musikwissenschaftler und Musikjournalist Volker Hagedorn. Nach Martin Geck (2001) ist der 56-jährige Kirchboitzener der zweite Preisträger, der für eine musikwissenschaftliche Arbeit über Bach ausgezeichnet wurde, sagte Dr. Ingeburg Stoyan, die Vorsitzende des Trägervereins des Gleimhauses, der gemeinsam mit der Stadt Halberstadt alle zwei Jahre die Auszeichnung vergibt.

Doch damit nicht genug der Besonderheiten. Denn nicht der Ausnahmemusiker Johann Sebastian Bach stand im Focus der Recherche, sondern die vielfarbige familiäre, sozialgeschichtliche und musik­historische Vorgeschichte des für viele größten klassischen Musikers wurde durch Volker Hagedorn untersucht und mit der Gegenwart gekoppelt. Das Ergebnis hat der Musikologe in seinem 2016 erschienenen Buch „Bachs Welt. Die Familiengeschichte eines Genies“ festgehalten. Daran anknüpfend schlug Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) in seinem Grußwort den Bogen von den bedeutenden Orgel- und kirchenmusikalischen Traditionen der Stadt zum Schaffen der „Dynastie Bach“. Musikalisch wurde der Festakt durch das König-Quartett umrahmt, das Gluck und Haydn in hoher Qualität spielte. Nach den Elogen der fünfköpfigen Jury, vorgetragen von Angela Steidele, Gleim-Literaturpreisgewinnerin 2005, ob „der gelungenen Verbindung von Forschung einerseits und achtungsvoller Liebe zum Publikum andererseits“, war alle Welt äußerst gespannt auf den Werkstattbericht von Volker Hagedorn über die Entstehung seines Buches und vor allem auf Hörbeispiele des kompositorischen Schaffens der Vorfahren von J. S. Bach.

Für den einen oder anderen Besucher war diese Stunde am Sonnabendvormittag mit Volker Hagedorn fast noch wichtiger als die Auszeichnungsveranstaltung am Tag zuvor.

Denn jetzt in seinem eigentlichen Element entwickelte der etwas spröde wirkende Norddeutsche Charme und Überzeugungskraft bei der Vorstellung der weit verzweigten Familie Bach im mitteldeutschen Raum, die seinem Buch bereits die vierte Auflage, und seit April diesen Jahres eine Taschenbuchausgabe, bescherte. Und bestätigte somit das Urteil der Jury: „Wir erkennen in Ihrem Buch dankbar einen inspirierenden Verbündeten in der Aufgabe, dem nie abgeschlossenen Projekt der Aufklärung neue Wege in der Kunst der Vermittlung zu erschließen“.

Die Kernthese Hagedorns: Bach ist nicht voraussetzungslos zum Komponieren gekommen, wird am nachhaltigsten durch das Altbachische Archiv, einer Sammlung der handschriftlich überlieferten Noten von rund 20 Kompositionen seiner Vorfahren, belegt. Als Hörbeispiele präsentierte der Autor Einspielungen des Vokalensembles Vox Luminis, die die außerordentlich hohe Qualität der Kompositionen von Johann Bach, Johann Christoph Bach und Johann Michael Bach belegen. Und für den interessierten Zuhörer ein Indiz mehr, „auf wessen Schultern der große J.S. Bach gewachsen ist“.

Einem stillen Beobachter dürfte die Verleihung 2017 des Gleim-Literaturpreises besonders gefallen haben: Carl Philipp Emanuel Bach. Der zweitälteste Sohn von Johann Sebastian Bach war mit Gleim befreundet, im Gleimhaus auch zu Gast gewesen und hat zahlreiche seiner Gedichte vertont und mit dem Charakterstück für Klavier (La Gleim) dem Halberstädter Dichter ein Denkmal gesetzt.