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Gleimhaus Papierschätze in guten Händen

Bücher, Grafiken und Briefe befinden sich im Besitz des Gleimhauses Halberstadt. ­Restauratorin ­Stefanie Volmer sichert sie.

Von Jörg Endries 15.10.2018, 08:00

Halberstadt l Premiere im Gleimhaus Halberstadt. Das Museum ist eines von insgesamt acht Einrichtungen in Sachsen-Anhalt, die sich am 1. Europäischen Tag der Restaurierung am Sonntag beteiligt. Papierrestauratorin Stefanie Volmer empfängt zahlreiche Interessierte, die einen Blick hinter die Kulissen des Hauses werfen, aber auch erfahren wollen, wie man Restaurator wird und welche Aufgaben die Hüter der Kulturschätze haben. Sie tragen eine große Verantwortung, in ihren Händen liegen einzigartige Originale.

Die gebürtige Halberstädterin arbeitet seit fünf Jahren im Gleimhaus als Papierrestauratorin. Vor dem Studium absolvierte sie eine dreijährige Lehre als Buchbinderin in Hamburg. „Erfahrung sammeln ist für einen künftigen Restaurator sehr wichtig. Die beste Schule dafür ist das Erlernen eines Handwerksberufes“, berichtet die 35-Jährige. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung begann sie in Hildesheim ein Studium „Restaurierung und Konservierung von Schriftgut, Büchern und Grafik“. „Der Studiengang ist eine Nische, wir waren nur zu fünft in meinem Semester“, erinnert sich die Restauratorin mit Master-Abschluss. Daran schloss sich eine Tätigkeit in einer der prominentesten Bibliotheken Deutschlands an – der Herzogin Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Dort sammelte Stefanie Volmer praktische Erfahrungen bei der Restaurierung der bei einem verheerenden Brand beschädigten kostbaren Buchbestände.

Die Chance, in ihrer Geburtsstadt zu leben und in ihrem Beruf arbeiten zu können, hat Stefanie Volmer sofort ergriffen. „Ich bin total glücklich, dass ich wieder in meiner Heimat­stadt arbeiten und bei der Bewahrung der Kulturgüter im Gleimhaus helfen kann“, sagt die junge Frau. Sie hofft, dass sie andere junge Menschen am Europäischen Tag der Restaurierung für den schönen, interessanten und abwechslungsreichen Beruf des Restaurators begeistern kann. „An den Hochschulen herrscht Nachwuchsmangel.“

Ihre Arbeit im Gleimhaus ist weitaus vielfältiger als es die Berufsbezeichnung vermuten lässt. Das Fachwissen der ­Papierrestauratorin ist gefragt, wenn es um die richtige Aufbewahrung der Kulturschätze geht. „Das Auswählen der richtigen Ver­packung, die Klimaüberwachung in den Räumen gehören dazu. Oder auch die Entscheidung, wie die Bücher, Grafiken oder Briefe in Ausstellungen beleuchtet werden. Vor allem die Stärke des Lichts ist wichtig, damit die Kostbarkeiten keine Schäden davontragen“, berichtet die Restauratorin. Sie entscheidet über die Art der Präsentation und fertigt dafür Hilfsmittel an. Außerdem wählt Stefanie Volmer die Transportverpackungen aus, wenn das Gleimhaus Leih­gaben an andere Museen ­herausgibt.

Ein besonderer Schatz ist der Nachlass des Dichters und Sammlers Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803). Dazu gehören eine der bedeutendsten bürgerlichen ­Büchersammlungen des 18. Jahrhunderts mit etwa 30.000 Bänden. Das älteste Buch stammt aus dem Jahr 1471, informiert Stefanie Volmer. Außerdem 10.000 Briefe aus 500 Briefwechseln mit Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts und 120 Porträts aus Gleims Freundschafts­tempel.

Die Tinte, mit der die Briefe im 18. Jahrhundert geschrieben wurden, sei ein großes Problem. „Jeder hatte damals dafür sein eigenes Rezept. Es gab hunderte verschiedene. Bei ­Klimaschwankungen können die Schäden groß sein. Heute ist Tinte wesentlich stabiler“, erklärt Stefanie Volmer. Die Restauratorin muss Schäden entgegenwirken, um die Briefe zu erhalten. Sie sollen wenigstens noch einmal 300 Jahre durchhalten, so ihr Anspruch.

Stefanie Volmer verrät, warum Bücher, die vor 1840 gedruckt wurden, relativ wenige Papierschäden aufweisen. Bedeutet, mit Buchpapier, das Jahrhunderte alt ist, haben die Restauratoren viel weniger Arbeit, es zu erhalten. „Vor 1840 ist der Lumpenanteil bei der Papierherstellung wesentlich höher gewesen. Damit ist es stabiler. Nach 1840 erhöht sich der Holzanteil und das Papier wird instabiler. Es färbt sich braun, Säure entsteht im Papier und zersetzt die Zellulose. Das Papier zerbröselt“, so Stefanie Volmer. Papierrestauratoren können diesen Prozess mit dem Aufbau eines sogenannten basischen Puffers zwar stoppen, aber nicht aufhalten. Bücher, die noch eine Lebensdauer von 20 Jahren haben, können so noch 100 Jahre erhalten bleiben.

„Das ist das Schöne an meiner Arbeit als Restauratorin, ich werde selbst ein Teil der Geschichte, weil ich helfe, die Zeitzeugen für andere Generationen zu erhalten.“