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Handwerk Afrika: Liebe auf den ersten Blick

Winfried Stibbe aus Wernigerode ist mit dem Goldenen Meisterbrief geehrt worden. Fast 15 Jahre hat der Tischler in Südafrika zugebracht.

Von Frank Drechsler 15.12.2017, 12:00

Wernigerode l Winfried Stibbe stammt aus Oberschlesien. 1939 in Beuthen geboren, hatte er schon früh sein Interesse an handwerklichen Dingen entdeckt. Und er wollte später unbedingt etwas mit Holz machen. Nachdem die Familie in den Harz gezogen war, lernte Stibbe in der Ballenstedter Tischlerei Seeliger und kam dann 1957 nach Blankenburg.

1966 bestand er bei der Handwerkskammer Magdeburg die Meisterprüfung und arbeitete fortan in einer Produktionsgenossenschaft. Hier seien er und weitere Mitarbeiter als Handwerker oder Gewerbetreibende mit Eintrag in der Handwerks- oder Gewerberolle tätig gewesen.

Der Jubilar: „Wir haben Fenster und Türen für Wohn- und Geschäftshäuser im Kreis Wernigerode hergestellt und auch eingebaut.“ Aber: „Mit dem Mauerfall war damit Schluss. Wie so viele meiner Kollegen stand auch ich damals plötzlich auf der Straße. Der Name ‚Einheit‘, den unsere PGH seinerzeit trug, brachte mir leider kein Glück.“

Das sei 1990 gewesen, gleich nach der politischen Wende. Zahlreiche Bewerbungen habe er geschrieben. Ohne jeden Erfolg. Nur rumsitzen, das habe er allerdings auch nicht gewollt. Da sei ihm, wie das im Leben oft so spiele, „Kollege Zufall“ zu Hilfe gekommen.

Er sei der Einladung seines in Südafrika lebenden Cousins gefolgt, ihn doch in Johannesburg zu besuchen. Das habe er gern getan und sich gleich nach einer Arbeitsstelle umgeschaut. Die er direkt vor den Toren der Stadt, im benachbarten und nur etwa 40 Autominuten entfernten Ga-Rankuwa Boputhatswana, auch fand. In einer Polstermöbelfabrik.

Ab sofort arbeitete Winfried Stibbe fest angestellt als sogenannter Area-Manager, was in Deutschland einem Abteilungsleiter gleichkommt. Die Südafrikaner hätten ihn, den Deutschen, sehr gern genommen. Dort würden Mitarbeiter gerade einmal ein paar Wochen trainiert, bevor sie eingestellt werden. Eine Berufsausbildung wie hierzulande habe es seinerzeit dort nicht gegeben, so Stibbe.

Ein Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück, arbeitete bis 1993 in Wernigerode. Ein Anruf aus Afrika ließ ihn wieder die Koffer packen.Er nahm einen Job als Produktionsmanager an. Erst einmal für zwei Jahre, dann für weitere viereinhalb Jahre als Factory Manager. Der Handwerker: „Da es danach im Harz wieder nichts für mich wurde, ging ich ein drittes Mal nach Südafrika. Wieder als Factory Manager, dieses Mal aber für siebeneinhalb Jahre.“ Bis 2009, als sein dortiger Arbeitgeber wegen Umstrukturierungen die Sparte der Holzverarbeitung aufgab. Da sei er in die Heimat zurückgekehrt.“

Die Entscheidungen, nach Südafrika zu gehen, seien die besten gewesen, die er je getroffen habe, um in Lohn und Brot zu bleiben. Bereut habe er sie nie. Im Gegenteil. In Südafrika hätten ihn nicht nur der Job und die grandiose Landschaft fasziniert. Vor allem die Herzlichkeit, die er dort erfahren habe, wirke auf ihn noch immer. Er habe dort Arbeitskollegen und viele aufrichtige Freunde fürs Leben gefunden. Und eine Art der Wertschätzung, die er hierzulande nach wie vor vermisse, die habe er dort erfahren.

Viele Andenken in der Wohnung von Winfried Stibbe zeugen von genauso vielen Treffen, Feiern und Begegnungen. Sie erinnern den heute 78-Jährigen an jene erfolgreichen Berufsjahre. Aber auch umgekehrt hätten besondere Dinge den Weg nach Afrika gefunden. So wie beispielsweise sein Meisterstück, eine Schrankwand, die die 14.000 Kilometer lange Reise unversehrt überstand. Sie stehe heute noch bei Freunden in der guten Stube.

Wenn der Altmeister über sein ganz persönliches Afrika erzählt, dann gerät er ins Schwärmen. Es sei eine berufliche Herausforderung gewesen, ohne jeden Zweifel. Aber es seien auch Jahre gewesen, die er nicht missen wolle. Mit Ehrlichkeit und handwerklichen KnowHow im Gepäck, aber auch Learning by Doing in Sachen Sprache sei er gut gefahren. Sogar einen „schwarzen Dialekt“ könne er mittlerweile fließend sprechen.

Den braucht Stibbe heute noch. Denn dank der Software Skype auf dem Laptop ist der schwarze Kontinent für ihn nur einen Mausklick weit entfernt. Er unterhalte sich via Bildschirm oft und lange mit seinen afrikanischen Freunden. Sogar sein Ex-Boss rufe noch heute an, aber auch er melde sich immer wieder.

Einen nächsten Besuch habe er geplant. Aber erst, wenn die Reisekasse wieder gefüllt sei.