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Handwerk Beim Schmieden zählt Technik

Berßel hat ein Schmiedetreffen gefeiert. Die Handwerker zeigten, dass sie auch Künstler sind.

Von Mario Heinicke 13.08.2018, 09:00

Berßel l Schmiede sind Kummer gewohnt. So fanden sie auch eine Lösung, als sie unmittelbar vor Festbeginn die amtliche Hiobsbotschaft erreichte, dass nur vier Schmiedefeuer lodern dürfen. Geplant waren viel mehr. Doch die Trockenheit von Gras und Büschen ist auch rings um die Berßeler Mehrzweckhalle extrem, die höchste Waldbrandwarnstufe 5 erreicht.

Die Berßeler Feuerwehr war daher stets in Einsatzstärke vor Ort, einschließlich 11 000 Liter Wasser. Zusätzlich wurden Handfeuerlöscher und Wassereimer direkt an den Schmiedefeuerstellen postiert. Die für den Sonnabendabend geplante Feuershow wurde gar vorsorglich abgesagt.

Mit dem Schmiedetreffen wollten die Akteure etwas zur Bewahrung ihres traditionellen, schon vor der Zeitrechnung existierenden Handwerks tun. Es gibt nämlich kaum noch aktive Schmiede, die den Beruf von der Pike auf gelernt haben. Der Berßeler Günter Müller zählt zu den wenigen. Hauptberuflich als Schmied arbeitet er aber schon lange nicht mehr. Nur noch nebenbei als Hobby.

2015 veranstaltete Müller daheim in seiner „Sepps Schmiede“ genannten Werkstatt ein Fest, daraus ist nun etwas Großes entstanden. „Wir wollen unser traditionelles Handwerk präsentieren“, sagte Müller über seine Schmiede. „Wir“, das sind mittlerweile noch fünf Gleichgesinnte, die Müller mit den Jahren in die Schmiedekunst eingeweiht hat und die mit ihm auf diversen Festen und Veranstaltungen fürs Publikum schmieden.

In Sachsen-Anhalt gibt es nur noch eine hauptberuflich betriebene traditionelle Schmiede, das ist die Krellsche Schmiede in Wernigerode. Seit 340 Jahren existiert sie, Wolf-Dieter Wittig ist heute ihr Inhaber. Er ist in gewisser Weise auch ein „Wanderprediger“, um dieses Handwerk vor dem Aussterben zu bewahren.

Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind denkbar ungünstig. Ein handgefertigtes Produkt kann preislich nicht mit einem industriell gefertigten mithalten. Erst recht nicht, wenn das aus Osteuropa oder Asien kommt.

Wittig fordert daher Unterstützung durch die Politik und hat sich auch nicht gescheut, auf einer Messe in München Bundeskanzlerin Merkel sowie bei einem Besuch in Brüssel EU-Kommissar Oettinger persönlich darauf anzusprechen. Erleichterung könnten nach Wittigs Worten die Aufnahme der Schmiedehandwerker in die Künstlersozialkasse sowie ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für ihre Produkte bringen.

Dass Schmiede Künstler sind, zeigten die kreativen Dinge, die sie in Berßel vor den Augen des Publikums herstellten. Dinge, die in Handarbeit mit Hammer und auf dem Amboss aus dem rotglühenden Rohmaterial geformt werden. „Kunst kommt von Können“, merkte Wittig an.

Im Vorfeld des Berßeler Schmiedetreffens ist ein Verein gegründet worden, die „Schmiede-Inung Harz & Freunde des traditionellen Handwerks“. 40 Mitglieder vor allem aus der Harzregion zählt dieser schon, Wolf-Dieter Wittig ist der Vorsitzende.

Ein Ziel des Vereins ist der Aufbau eines Schmiedekompetenzzentrums für Mitteldeutschland und dabei die Berufsausbildung in einer speziellen Lehrklasse zum Metallbauer Fachrichtung Metallgestalter, wie die Schmiede heute heißen. Derzeit gibt es nur zwei Lehrlinge im Land, beide lernen in der Krellschen Schmiede. „Keiner bildet mehr aus“, beklagt Wolf-Dieter Wittig.

Gäbe es eine Frauenquote, so wäre sie erfüllt. 50 Prozent der Schmiede-Lehrlinge sind nämlich weiblich. Meta Högg ist es schon gewöhnt, auf Veranstaltungen oder Messen angesprochen zu werden. Aber Frauen seien gar nicht so selten in diesem Beruf wie man vermutet, sagte sie. Angefangen hatte bei ihr alles mit einem Schmiedekurs ihrer Familie in Wernigerode. Später absolvierte die Wasserlebenerin bei Wittig zwei Praktika und wurde nach dem Abitur Lehrling in der Krellschen Schmiede. Nun im dritten Ausbildungsjahr, empfindet sie den Beruf als sehr abwechslungsreich. Aber auch körperlich anstrengend, wenn der schwere Hammer geschwungen werden muss. „Nach einer Woche im Büro bekomme ich dann auch wieder Muskelkater“, sagte die zierliche junge Frau.

Michael Hirth sieht man den Schmied dagegen irgendwie an. Aus Alfeld an der Leine ist er nach Berßel gekommen. Auch um Paul Clawin, einem noch jungen Hobby-Kollegen, zu zeigen, wie man aus mehreren Lagen sich abwechselnder Stahlsorten künstlerisch gestalteten Damaszenerstahl formt. Der Alfelder schmeidet gern historische Messer nach.

Neben den Schmiedefeuern gab es auf dem Fest in Berßel auch mehrere Verkaufsstände, viel zu essen und zu trinken. Dabei waren die gastgebenden Schmiede von mehreren Vereinen aus der Region unterstützt worden.