Handwerk Näh-Ross vom Opa geerbt

Tapeziermeister Hermann Dieckmann (82) aus Elbingerode ist mit dem Diamantenen Meisterbrief geehrt worden.

Von Frank Drechsler 14.07.2017, 11:41

Elbingerode l In seiner alten Werkstatt hat der ehemalige Tapezierermeister zum Fototermin noch einmal auf einem sogenannten Näh-Ross Platz genommen. Das museal wirkende Werkzeug hat seit über 100 Jahren einen festen Platz. Hier, wo Hermann Dieckmann jahrzehntelang tätig war, präsentiert er nun stolz die ihm von der Handwerkskammer Magdeburg verliehene Urkunde.

Seit 60 Jahren ist er nun schon Handwerksmeister. Und gehört damit zu den ältesten Mittelständlern im gesamten Landkreis. Das alte Näh-Ross verdankt seinen Namen übrigens seinem ungewöhnlichen Äußeren. „Ich habe es einst von meinem Großvater bekommen. Es sieht ein bisschen aus wie ein kleines Pferd. Man musste sich auf den Rücken setzen, spannte dann das Leder hier ein und konnte es so besser vernähen“, erklärt der heute 82-Jährige.

Das alteingesessene Elbingeröder Unternehmen der Familie wurde 1893 von Sattlermeister Hermann Dieckmann gegründet. Pferdegeschirre, Transmissionsriemen und Gurte, aber auch Möbelhandel und natürlich das Polstern gehörten zum Leistungsangebot. Das Verlegen von Linoleum kam später noch hinzu.

In der zweiten Generation übernahm Sattlermeister Hermann Dieckmann (II.) das Geschäft 1934 vom Firmengründer. 1951 folgte dann Tapezierermeister Hermann Dieckmann (III.). Er führte die Geschäfte bis 1997. „Vor allem mit Hinblick auf benötigte Rohstoffe war das keine einfache Zeit damals“, erinnert sich der Altmeister. Immer das benötigte Material zu beschaffen, stellte für Handwerkbetriebe die Herausforderung schlechthin dar. Was gebraucht wurde, fehlte oft. Was es gab, wollten viele nicht.

Gut, dass Hermann Dieckmann mit seinem kleinen Betrieb in verschiedenen Institutionen und Gremien verankert war. Von 1973 bis 1994 stand der Elbingeröder als Obermeister der Berufsgruppe der Sattler und Tapezierer im Kreis Wernigerode vor. Im selben Zeitraum arbeitete er als Mitglied im Gesellenprüfungsausschuss, war von 1984 bis 1990 Beisitzer im Meisterprüfungsausschuss Magdeburg.

Von 1973 bis 1990 gehörte er zudem der damaligen Einzelhandels- und Liefergenossenschaft SATAP in Wernigerode an. Hermann Dieckmann: „Die Abkürzung stand für Sattler -und Tapezierer. Als Vorsitzender konnte man für die Mitglieder schon das eine oder andere organisieren.“

Organisieren – das war das Zauberwort einer ganzen Epoche. Vieles musste auf ungewöhnlichen Wegen beschafft werden. Manchmal sogar Benzin. Bei Kraftstoffknappheit etwa, die es hin und wieder gab. Oder, wenn ein Lieferwagen gekauft werden musste, weil der alte zu klein wurde. Der Altmeister: „Wir benutzten bis Anfang der 1970er Jahre so ein kleines, dreirädriges Auto. Anfangs reichte das, später nicht mehr.“ Und: „Dann habe ich einen Barkas B 1000 besorgt, der vorher beim Deutschen Roten Kreuz als Krankenwagen im Einsatz war. Als ich mit dem auf unserem Hof vorfuhr, hatte das Auto noch die typischen Rot-Kreuz-Lampen auf dem Dach. Die Kommentare meiner Frau fielen entsprechend aus.“

Mittlerweile führt die vierte Generation der Dieckmanns, Raumausstattermeisterin Ute Werl und Raumausstattermeister Andreas Dieckmann, das Unternehmen als GmbH. 16 Mitarbeiter, darunter Bodenleger, Maler für den Innenbereich und Raumausstatter, gehören zum Betrieb.

Die Firma hat sich auf den Verkauf und fachgerechten Einbau von Oberbodenbelägen aller Art spezialisiert. Ebenso auf das Polstern von Sitzmöbeln, das Anfertigen von Gardinen, Anbringen von Sonnenschutz und Wandbekleidungen.

Hermann Dieckmann genießt jetzt seinen wohlverdienten Ruhestand. Früher war er noch im Kleintier- und Geflügelzuchtverein aktiv, mittlerweile aber nur noch in der Altersabteilung der Freiwilligen Feuerwehr. Im Laden ist er auch noch anzutreffen. Täglich, versteht sich. Hier ist der Altmeister für die Geschäftskorrespondenz verantwortlich. Die bringt er immer persönlich zur Post.