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Harz Kehrtwende im Stadtrat Halberstadt

Im zweiten Anlauf hat Halberstadts Stadtrat dem Bau einer Seniorenwohnanlage zugestimmt.

Von Sabine Scholz 02.11.2020, 00:01

Halberstadt l Erklärungsbedarf hatten am vergangenen Donnerstagabend sowohl Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) als auch Daniel Szarata (CDU). Der eine begründete, warum er gegen einen Beschluss des Stadtrates Widerspruch eingelegt hatte, der andere, warum seine Fraktion nun doch für ein Projekt ist, das zuvor von den Christdemokraten abgelehnt worden war.

Es geht um ein Bauvorhaben an der Ecke Westerhäuser/Hans-Neupert-Straße. Die Lindhorst-Gruppe aus Hamburg plant hier, eine Seniorenwohnanlage zu errichten. Mit 120 Pflegeplätzen in fünf Wohngruppen sowie 18 barrierefreien Eineinhalb- bis Drei-Zimmer-Wohnungen für Senioren und bedürftige Personen im betreuten Wohnen, so die bisherigen Planungen. 60 Arbeitsplätze sollen entstehen, Tages- und Kurzzeitpflege ebenfalls angeboten werden.

Während die Stadtverwaltung das Ansinnen als gute Ergänzung zum bestehenden Pflegeangebot in der Stadt sah, lehnte der Stadtrat im September die Aufstellung eines Bebauungsplanes für dieses Vorhaben ab. Weil, so damals die Begründung vor allem aus der Fraktion CDU/EWG, so ein Bau nicht an diese Stelle gehöre. Zudem seien kaum Arbeitskräfte für die Pflege zu finden, zumal zwei weitere Seniorenwohnprojekte in Planung seien – unter anderem für das Areal des verfallenden Klubhauses. Mit 14 Ja- und 17 Nein-Stimmen fiel die Entscheidung am 10. September relativ knapp aus. Denn viele Argumente sprechen auch für dieses Vorhaben.

Das wurde auch in der erneuten Diskussion am vergangenen Donnerstag deutlich. Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) ging in seiner Erklärung noch einmal darauf ein. So liege das Areal an einer gut erschlossenen Trasse des öffentlichen Personennahverkehrs, es gebe in der Nähe nicht nur ansprechende Natur und Freizeitangebote, sondern auch Einkaufsmöglichkeiten. Und, das betonte Henke als Vorsitzender des Regionalverbandes Halberstadt/Wernigerode des Arbeiter-Samariter-Bundes, der befürchte keinen Verdrängungswettbewerb. Obwohl der ASB 300 Meter entfernt selbst ein Pflegeheim betreibt. „Prognosen besagen, dass wir im Jahr 2030 rund 1700 Halberstädter haben, die 85 und älter sind“, sagte Henke, „damit ist auch ein erhöhter Bedarf an Pflegeangeboten zu erwarten. Zurzeit gibt es 650 Pflegeplätze in Halberstadt“, so Henke.

Er verwies in seiner Begründung noch einmal darauf, dass der Investor auch ohne einen Bebauungsplan sein Vorhaben verfolgen könne, da das vom Investor bereits gekaufte Areal laut Baugesetzbuch im Innenbereich liegt. Damit bestehe per se Baurecht. Das zuständige Bauordnungsamt des Landkreises habe signalisiert, dass es keinen Grund für ein Versagen einer Baugenehmigung sehe. Mit einem Bebauungsplan aber könne die Stadt noch Einfluss auf Gestaltung und Kubaturen der Gebäude nehmen.

Den Widerspruch gegen den Ratsbeschluss vom 10. September habe er eingelegt, weil dieser nachteilige Wirkungen für die Stadt gehabt hätte. Zum einen sei es ein fatales Signal nach außen gewesen, wie die Stadt mit Investoren umgehe, zum anderen entstünde wirtschaftlicher Schaden. Die zweistellige Millionen-Investition hätte Aufträge für regionale Firmen bedeutet sowie neue Arbeits- und Ausbildungsplätze in einer Branche, die angesichts der demografischen Entwicklung immer mehr an Bedeutung gewinne.

Als Vorsitzender der Fraktion CDU/EWG begründete Daniel Szarata, warum diese nun mehrheitlich doch dem Vorhaben zustimmen wolle. Man habe ein intensives Gespräch mit dem Investor geführt, der das Projekt, für das ein regionales Planungsbüpro beauftragt wurde, sehr detailliert erklärt habe. Es sei ein sehr positives Gespräch gewesen, so Szarata. Unter anderem bestünde seitens der Lindhorst-Gruppe Bereitschaft, zu prüfen, ob ein Anschluss ans Fernwärmenetz sinnvoll ist. Und weil die Stadt über einen Bebauungsplan Mitgestaltungsmöglichkeiten habe, wolle man nun zustimmen.

Michael Herrmann, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses (CDU), kündigte indes an, künftig keine Abstimmung im Ausschuss mehr vorzunehmen, um ein Meinungsbild zu erfragen. Man könne über Informationsvorlagen der Verwaltung diskutieren, aber er werde nicht mehr abstimmen lassen. Denn eine erste positive Bewertung im Ausschuss sei als Argument genutzt worden, dass man dem Investor falsche Hoffnungen gemacht habe, als beim entscheidenden Beschluss der Ausschuss dann doch knapp dagegen war.

Der Stadtrat hingegen ließ sich überzeugen. Mit 24 Ja- und 7-Nein-Simmen wurde die Erarbeitung eines Bebauungsplanes beschlossen und dem Projekt so grünes Licht erteilt.

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