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Hochwasser Warum kein Katastrophenalarm im Harz?

Warum hat die Kreisverwaltung Harz bei der Flut in der vorigen Woche keinen Katastrophenalarm ausgelöst? Eine Frage, die jetzt laut wird.

Von Dennis Lotzmann 04.08.2017, 01:01

Halberstadt l Land unter in weiten Teilen des Harzkreises in der vorigen Woche. Dennoch kämpften die Verantwortlichen in den vom Hochwasser betroffenen Harz-Regionen jeweils in alleiniger Regie. Warum rief angesichts dieser weiträumigen Überflutungen an Ilse, Holtemme sowie Zillier- und Goldbach die Kreisverwaltung nicht Katastrophenalarm aus?

Eine Frage, die sich nicht nur Einsatzkräfte und Einsatzleitungen stellen, sondern auch Kommunalpolitiker. Am gestrigen Donnerstag spielte das Thema beim ersten „Hochwassergipfel“, zu dem Kommunalpolitiker in die Staatskanzlei gereist waren, eine Rolle.

Auch Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse stellt sich die Frage, warum – anders als im Kreis Goslar – kein Katastrophenalarm ausgelöst wurde. „Wir hatten acht, neun Einsatzstellen im Kreis. Alle Kräfte waren im Fluteinsatz und oft am Ende ihrer Kräfte. Mitunter hatten sie zuvor schon in den Hochwassergebieten im Westharz geholfen. Obendrein hatten wir Unterstützung aus Anhalt-Bitterfeld und dem Salzlandkreis vor Ort. Außerdem waren unsere Fachdienst-Gruppen unterwegs“, skizziert Lohse den Umfang und stellt eine rhetorische Frage: „Wenn das noch kein flächendeckendes Ereignis war, weiß ich auch nicht mehr.“

Jener Satz hat einen konkreten Hintergrund. Es geht um die Definition eines Katastrophenfalls, bei dem nach Lohses Worten ein „flächendeckenes Ereignis“ vorliegen muss, das mit eigenen Kräften nicht mehr zu bewältigen ist. Hat ein solcher Fall vorgelegen? Lohse bejaht diese Frage quasi indirekt mit seiner Aufzählung und verweist ansonsten auf die Kreisverwaltung: „Dort ist eine solche Entscheidung zu treffen.“

Und dort habe man keine Veranlassung gesehen, mit allen Konsequenzen den Katastrophenfall auszurufen, betont Ordnungsamtsleiter Georg Türke. Der Amtschef ist quasi Berater von Landrat Martin Skiebe (CDU), der letztlich entscheidet.

Georg Türke beurteilt die Situation anders als Lohse: „Wir hatten punktuelle Lagen, aber keine flächendeckende. Aus Sicht der Kreisverwaltung lag kein Katastrophenfall vor.“

Doch waren am Ende nicht doch viele Personen und erhebliche Sachwerte – so wie es die abgedruckte Definition des Katastrophenfalls vorgibt – gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt? „Was erhebliche Sachwerte sind, ist eine Auslegungsfrage. Letztlich liest jeder den Paragraphen anders“, so der Amtschef.

Unterm Strich erinnert Türke daran, dass auf Kreisebene der Stab für außergewöhnliche Ereignisse zusammengetreten sei und die Verantwortlichen in den Kommunen unterstützt habe. „Letztlich sind die Kommunen vor Ort für die Gefahrenabwehr verantwortlich. Und wir haben den Bürgermeistern geraten, sich mit Sandsäcken zu bevorraten.“ Unterm Strich habe der Kampf gegen die Flut mancherorts gut und mancherorts nicht so gut funktioniert.

Verantwortlichkeiten, die Lohse nicht in Abrede stellt. Gleichwohl hält er mehr Unterstützung der Bürgermeister für geboten. „Man muss ganz deutlich sagen: Anhalt-Bitterfeld hat uns 130 000 Sandsäcke und Einsatzkräfte geschickt, das war nicht unerheblich.“

Die Debatte um das Ausrufen des Katastrophenfalls ist nicht nur eine Frage um Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, sondern auch eine ums Geld. Das Motto „Wer das Konzert bestellt, muss die Musik bezahlen“ gilt auch hier. Zwar schreiben Feuerwehren, THW, Bergwacht und DLRG in solchen Fällen keine pauschalen Rechnungen. Fordern aber Arbeitgeber Lohnausgleich für Mitarbeiter, die zum Einsatz gerufen wurden, muss gezahlt werden.

„Die Kostenfrage hat bei der Entscheidung für oder gegen Katastrophenalarm keine Rolle gespielt“, betont Türke. „Wenn wir einen wirklichen Katastrophenfall haben sollten, spielen Kosten keine Rolle.“

Die Einsatzkosten bleiben nun bei den Kommunen hängen. Deren Vertreter haben am Donnerstag bereits in der Staatskanzlei Alarm geschlagen. Sie fordern unter anderem die Übernahme dieser Kosten durch das Land.

Und – welche Konsequenzen zieht Georg Türke aus den Hochwasser-Tagen? „Eine Manöverkritik mit den Kommunen muss her, um zu klären, wo nachjustiert werden muss.“ Ein Thema sei die Sandsack-Bevorratung. Und es müsse geklärt werden, was beim Hochwasserschutz gemacht werden könne, um Defizite abzustellen. „Schließlich war das nicht die letzte Flut.“ Und dann sagt Türke einen Satz, den man aktuell häufig hört: „Diese Flut hat so, in dieser Intensität, keiner erwartet.“Seite 1