Klassenzimmer mit Domblick

Halberstadt l Von wegen Hof – die diesjährige Auflage der HofBlicke startet in einem Zimmer. Einem Grünen Klassenzimmer. Dort können nicht nur Kinder der benachbarten Goethe-Grundschule lernen. „Das Gelände ist zu den Öffnungszeiten des Jugendtreffs Nord­ring öffentlich“, informiert Detlef Rutzen, Geschäftsführer des Aus- und Weiterbildungszentrums (AWZ) Halberstadt. Gemeinsam mit Schulleiterin Eva-Maria Ganso stellt er beim einem Rundgang mit der Volksstimme und Siegrun Ruprecht, Abteilung Stadtplanung, das Grüne Klassenzimmer vor.

Seit neun Jahren kümmert sich das AWZ um das Gelände mit der bewegten Geschichte. Einst Kuhwiese, ab 1983 Wohngebiet – erst begehrt, dann verpönt – bis es nach dem Abriss der Wohnblöcke nach der Jahrtausendwende zu einer Brache verkam.

Als dann vor zehn Jahren neben dem Schulhof ein Mini-Fußballfeld und damit der Jugendtreff Nordring – eine Außenstelle des Jugendfreizeitzentrums „Rolle“, das sich in Trägerschaft des AWZ befindet – entstand, kam die Idee auf, „das verwilderte, unansehnliche Gelände zu kultivieren“, berichtet Detlef Rutzen. „Eine Herausforderung ist dabei der Untergrund – zum Teil noch der Schutt der Häuser, die hier früher standen.“

Dennoch ist mit Unterstützung der Kommunalen Beschäftigungsagentur (KoBa) ein 800 Quadratmeter großes Gelände entstanden, auf dem Vielfalt herrscht. Es gibt Blumen-Inseln, einen Barfußpfad, Insektenhotels, einen Komposter, Obstbäume und -sträucher. Erbsen und Erdbeeren wachsen in dem einen Beet, Getreide wie Mais, Hafer und Sommer-Gerste in einem anderen.

Etwas versteckt von hohen Sommerblumen wie Lilien, Iris oder gelber Schafgarbe ragt ein aus Betonsteinen gefertigter, offener Kreis aus dem Rasen. „Das ist unser Kolosseum“, scherzt Detlef Rutzen. Es eignet sich ebenso als Theater wie als Lernort – auch für Erwachsene. „Wir haben es erst mit unseren Mitarbeitern für ein Brainstorming genutzt“, so Rutzen.

Siegrun Ruprecht gefallen die Sitzmöbel des „Kolosseums“. Bei ihnen handelt es sich um Sitze, die in der Sporthalle Völkerfreundschaft verbaut waren und nach einem Umbau nicht mehr benötigt wurden. „Schön, dass Dinge, die sonst weggeworfen worden wären, hier einen neuen Nutzen erhalten. Daraus können Kinder etwas Wichtiges lernen“, sagt die Stadtplanerin.

Nicht nur daraus, wie Eva-Maria Ganso ergänzt. „Wir nutzen das Klassenzimmer fächerübergreifend. Zum Beispiel für Naturstudien im Fach Gestalten, für naturwissenschaftlichen Unterricht und unsere Lesepaten kommen her, um den Kindern vorzulesen.“ Der Übergang vom Lern- zum Lebensort sei fließend, sagt die Schulleiterin. Und das durchaus im wörtlichen Sinne: direkt an das „Klassenzimmer“ grenzt eine weitere Grünfläche, für die es keine Öffnungszeiten gibt. Erdhügel wurden zu unterschiedlichen Themen bepflanzt, verschiedene Hecken und Sträucher gesetzt, verschiedenartige Zaunfelder begrenzen eine Seite des Areals, das sich hinter einem Supermarkt-Parkplatz befindet.

„Mit diesem Gelände ist ein Stück Stadtraum wieder aufgewertet“, lautet das Fazit von Siegrun Ruprecht. „Es ist eine schöne Ergänzung zum schulischen Angebot und gleichzeitig ein grüner Rückzugsort für Anwohner und Besucher.“ Ein Ort, der noch mehr genutzt werden sollte, wenn es nach Detlef Rutzen geht. „Das Grüne Klassenzimmer ist ein Ort der Begegnung“, betont er. „Für mich zählt es zu den kleinen Schätzen, von den Halberstadt so viele zu bieten hat, die aber leider zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.“

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