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Infrastruktur Hindernis für Rollstuhlfahrer

Der Spatenstich für die Umgehungsstraße Harsleben wurde vollzogen. Aber: Der Fußweg ist für Rollstuhlfahrer ein Hindernis.

20.08.2017, 07:00

Harsleben l Die neue Ortsumleitung Halberstadt / Harsleben B 79 soll eigentlich den Bürgern dienen. Zum einen entlastet sie die Anwohner vom Durchgangsverkehr, zum anderen ist sie eine gute Verkehrsanbindung. Jedoch gibt es auch Anwohner, wie den Harslebener Jürgen Häntzschel, die sich zwar über den Bau der Umgehungsstraße freuen, durch die Baustelle jedoch behindert werden: „Endlich geht es los, und die Umgehung Harslebens beginnt. Es wurde eine Umleitung um die Baustelle gebaut“, wandte er sich an die Volkssstimme. „Leider bin ich auf meinen Rollstuhl angewiesen und musste feststellen, die Übergänge von der Straße zum Fußweg beziehungsweise zum Radweg sind zum Teil echte Hindernisse für mich. Ich musste teilweise auf der Straße fahren, da die Übergänge zum Fußweg mit dem Rollstuhl nicht zu schaffen sind, sie sind einfach zu hoch.“

Der 69-Jährige ist durchaus fit. Bei schönem Wetter möchte er nicht den Bus von Harsleben nach Halberstadt nehmen, sondern lieber den Fußweg neben der Umgehungsstraße nutzen. Eine Nervenkrankheit behindert ihn beim Laufen und zwingt ihn dazu, im Rollstuhl zu sitzen. „Ich muss zweimal die Woche zum Arzt und zur Physiotherapie“, erklärt Häntzchel. Mit einer Hand muss er den Rollstuhl nach oben ziehen, um sich über die Bordsteinkante zwischen Fußgängerüberweg und Fußweg zu schleppen. „Die eckigen Steine machen es mir nahezu unmöglich, darüber zu kommen“, so Häntzschel.

Beobachtet man ihn, wie er den Rollstuhl mit beiden Händen über die Kante holt, sieht man, dass er tatsächlich das Gleichgewicht zu verlieren droht. Selbstbewusst sagt der früherere Metallbauer: „Von meiner Lage aus geht es ja gerade noch. Viele sind schlechter dran. Mit dem Rollstuhl hintenüber zu stürzen, das möchte ich nun nicht gerade.“

Jemand, für den es noch schlechter läuft, ist der Ehemann der Harslebenerin Christine Masche. Als sie hörte, dass sich ihr Nachbar Jürgen Häntzschel bei der Volksstimme beschwert, war sie gleich mit vor Ort. „Mein Mann kann nach einem Schlaganfall nur eine Hand nutzen. Er hat sich deshalb jetzt noch gar nicht getraut, den Fußweg zu nutzen. Die Kante ist doch schon für Radfahrer beschwerlich“, sagt sie, die mit dem Rad zu der betreffenden Stelle gekommen ist. „Wenn man so etwas macht, muss man auch an Behinderte denken“, schimpft: „Man müsste das ändern“. Häntzschel pflichtet ihr mit bei: „Alle reden immer von Barrierefreiheit, aber das hier ist wirklich beschwerlich.“

Zuständig für die Ortsumgehung ist die Landesstraßenbaubehörde in Halberstadt. Deren Sprecher Stefan Hörold sieht allerdings keinen Anlass, an dieser Stelle noch etwas für Barrierefreiheit zu tun: „Das ist ein Klagen auf hohem Niveau. Es ist nicht erforderlich, hier etwas zu tun.“ Der Fußweg sei überall nutzbar, und der Bordstein für Rollstuhlfahrer seiner Meinung und nach einer Besichtigung vor Ort auch genügend abgesenkt. Der Bordstein sei drei Zentimeter hoch. „Das ist so vorgesehen“, teilt er mit. Denn Barrierefreiheit gelte ja nicht nur für Rollstuhlfahrer. Ein Blinder benötige einen Widerstand für seinen Stock, deshalb könne die Bordsteinhöhe von drei Zentimetern nicht unterschritten werden. Komplette Barrierefreiheit gebe es nicht. Er sieht keine Defizite in der Nutzung.

Es ist jedoch nicht nur die Höhe, die Menschen wie Häntzschel Probleme bereitet, sondern die eckigen Steine selbst. Er selbst besitzt einen elektrischen Rollstuhl, bei dem es gerade so noch geht. Allerdings zeigten sich dabei schon vermehrt Abnutzungserscheinungen. Christine Masche sagt, dass man auch wieder einen neuen Rollstuhl kaufen müsse, und dass dann den Krankenkassen zu erklären sei.

Jürgen Häntzschel möchte aber nicht lockerlassen: „ Unter Barrierefrei verstehe ich etwas anderes. Die Planer und Ausführenden sollten sich einmal in den Rollstuhl setzen und die Strecke von Halberstadt nach Harsleben abfahren. Auf das Urteil wäre ich gespannt, ob sie dann der Meinung sind, man kann die Strecke gefahrlos bewältigen.“