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Initiativen Blumen für die Schlaglöcher

An Straßen in Deersheims Ortsmitte nagt der Zahn der Zeit. Schlaglöcher auf den Fahrbahnen, Fußwege mit Stolperfallen.

Von Mario Heinicke 29.06.2020, 15:00

Deersheim l Humor hat Lothar Kuß schon oft bewiesen. Beim jährlichen Karneval gehört der 69-Jährige seit über 40 Jahren zu den legendären Fallstein-Krähen, einer Gesangsformation, die in ihren Texten auch das Deersheimer Leben aufspießt. Vor zwei Jahren zum Beispiel die katastrophalen Straßen in der historischen Ortsmitte – „eine Teststrecke für Rollatoren“.

Humor bewies Lothar Kuß auch mit seiner Aktion vergangene Woche. Er pflanzte an mehreren Straßen Blumen. Nicht etwa in Beeten, sondern in Schlaglöchern. Zum Beispiel vor der Edelhofhalle und dem Gutshaus. Seit einigen Wochen steht in einem Loch vor dem Eingang zur Halle sogar eine rot-weiße Bake. Das Loch selbst soll aber schon seit dem Ortsjubiläum 2018 existieren. Ein Gefahr für Besucher der Veranstaltungen in der Halle. „Muss sich denn erst einer die Knochen brechen?“

Verletzt hat sich Lothar Kuß selbst erst vor wenigen Wochen durch solch ein Straßenloch. Fast vor der eigenen Haustür. Er kannte die Stelle eigentlich, war aber einen Moment vom Blick auf die Fahrbahn abgelenkt – und stürzte kopfüber vom Fahrrad. Für ihn der Anlass, nun eine Blumenpflanzaktion in Deersheimer Schlaglöchern zu starten. Was er auch in früheren Jahren schon mal tat. Durchaus mit Erfolg, denn in der Folge wurde die Kommune tätig.

Doch das Straßenproblem in Deersheim ist grundsätzlicher Natur. 30 Jahren nach der Wende ist im Vergleich zu anderen Ortschaften wenig passiert. Zuletzt war 2014 die Straße Badestock ausgebaut worden – bis dahin 130 Meter Loch an Loch. Straßenbau im alten Ortskern in den 25 Jahren davor kann man an einer Hand abzählen.

„Es muss endlich etwas passieren“, sagt Lothar Kuß, der nicht nur meckert, sondern sich selbst für ein schönes Dorf einsetzt. Seit Jahren bepflanzt und pflegt er eigenständig den Eingangsbereich zum Park. Blumen dafür – wie auch für die Straßenlöcher – hat er ausreichend im heimischen Garten.

Die Karnevals-Textzeile mit der „Teststrecke für Rollatoren“ ist übrigens nicht mal aus der Luft gegriffen gewesen.

Lothar Kuß beobachtet, das viele Älteren zu Fuß die holprigen Straßen und Wege durch die Ortsmitte meiden und zum Einkaufen in den Dorfladen zur eigenen Sicherheit lieber den Umweg außen ums Dorf nehmen. Entlang dieser Hauptstraßen gibt es ebene Fußwege.

Liegt es etwa an der Stadt Osterwieck, dass Deersheim mit seinen Straße hinterherhinkt? Deersheim war Anfang der 1990er Jahre und damit sehr früh im zeitlich befristeten Dorferneuerungsprogramm. Während andere Orte mit den Fördermitteln ihre Straßen sanierten, war das in Deersheim damals noch nicht möglich, weil es keine Abwasserkanalisation gab. Später in der Gemeinde Aue-Fallstein war das Geld ähnlich knapp wie heute in der Stadt Osterwieck.

Dabei haben die Stadtverantwortlichen Deersheim nicht etwa vergessen. Es ist eine Prioritätenliste der Dorferneuerungsvorhaben aufgestellt worden, freilich Vorhaben für 19 Ortschaften (außer Osterwieck, wo dieses Förderprogramm nicht greift).

„Insgesamt befinden sich 23 Projekte in der Bearbeitung“, berichtete Bau-Fachbereichsleiter Detlef Schönfeld auf Anfrage. Einige Vorhaben sind fertig oder laufen, die allermeisten stehen noch bevor.

Die Gestaltung des Ortszentrums Deersheim ist in der Bearbeitungsliste die Nummer 12. Dabei geht es um den Ausbau von Kirchstraße, Am Zimmerplatz, Edelhof sowie die Gestaltung des Edelhof-Platzes. Nach Auskunft von Detlef Schönfeld habe der Stadtrat vor knapp zwei Jahren einen Grundsatzbeschuss gefasst. In den Haushalt seien Planung und Umsetzung des voraussichtlich 800 000 Euro teuren Vorhabens für die Jahre 2021 bis 2024 eingeordnet. Gebaut werden soll in zwei Abschnitten, nach den bisherigen Vorstellungen 2022 und 2024. Die Jahre 2021 und 2023 sind für Planungen und Antragstellungen notwendig.

Letztendlich wird der Ausbautermin aber von den Fördermitteln abhängen. „Wir beobachten nun die Neuausrichtung der EU-Förderung, da die jetzige Förderperiode 2016 bis 2020 abgelaufen ist“, erklärte Schönfeld. „Danach werden Investitionsplanung und zeitliche Abläufe angepasst.“