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Jugend-Projekt Probesitzen im Indianerzelt

Sehenswürdigkeiten im Harz gibt es viele. Aber treffen die Angebote den Geschmack von Kindern und Jugendlichen?

Von Sandra Reulecke 25.09.2016, 09:12

Derenburg/Halberstadt l „Vergesst drei Viertel von dem, was ihr aus Fernsehen und Büchern über Indianer kennt“, mit diesen Worten begrüßt Thomas Merbt seine Zuhörer im Indianermuseum in Derenburg. „Karl May hatte nämlich keine Ahnung von ihnen.“ Er hat es sich auf die Fahnen geschrieben, im Harzer Vorland über die – realen – Ureinwohner Amerikas aufzuklären. Seine heutigen Gäste sind jedoch nicht nur da, um Wissen vermittelt zu bekommen. Die Mädchen und Jungen sind als Kritiker aus Halberstadt angereist.

Sie beteiligen sich an einem Projekt des Jugendfreizeitzentrums Rolle. „Wir testen verschiedene Ausflugsziele im Landkreis“, erläutert Angelika Arndt, Leiterin der Jugend-Einrichtung. Viele Museen und Co. rühmen sich für ihre Kinder- und Jugendfreundlichkeit. „Und wir wollen wissen, ob das stimmt.“

Und sie wollen die Ergebnisse veröffentlichen – als eine Broschüre und auf der Internetplattform der Rolle. Die Kritiken sollen zum einen als Informationen für Familien dienen, die einen gemeinsamen Ausflug planen. Aber vielleicht auch die Betreiber der Einrichtungen dazu zu bringen, ihre Konzepte zu überdenken – falls sie eben nicht den Geschmack der Zielgruppe treffen, verrät Angelika Arndt. „Diese Konzepte denken sich Erwachsene nach ihren Vorstellungen aus. Sie planen Dinge, von denen sie denken, dass sie bei der Jugend ankommen. Aber Kinder und Jugendliche haben ihre ganz eigenen Vorstellungen.“

Im Kern kümmern sich zwölf Mädchen und Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren um das Projekt. Im Frühjahr begannen die Vorbereitungen. Zunächst galt es, die Orte auszuwählen, die unter die Lupe genommen werden sollen. „Die Kinder waren ganz überrascht, wie viele es sind. Einiges kannten sie noch gar nicht“, resümierte Rolle-Mitarbeiterin Renate Richter die Vorbereitungsphase. Für die Kritiker-Tour sind zehn Sehenswürdigkeiten ausgewählt worden, eingeteilt in die Kategorien: Museum, Erlebnis und Baden.

Zudem mussten möglichst objektive Kriterien festgesetzt werden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Ist der Preis angemessen? Ist die Örtlichkeit sauber? Für welche Altersgruppe ist die Aktion geeignet? Wie gut ist die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln?

Schwierigster Punkt des Projekts: die Finanzierung. „Aus unserem Budget könnten wir den Kindern solche Aktionen nicht bieten. Für so etwas sind wir auf Spenden und Sponsoren angewiesen“, berichtet Angelika Arndt. Darum hat sich das Halberstädter Jugendfreizeitzentrum mit der Sehenswürdigkeiten-Kritiker_Tour bei der Telekom-Initiative „Ich kann was!“ um Förderung beworben. Mit Erfolg: 2700 Euro steuert das Kommunikationsunternehmen bei.

Mit „Ich kann was“ unterstützt die Telekom soziale Projekte, in denen Kinder und Jugendliche ihre individuellen Talente erfahren und Kompetenzen ausbauen können, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. Ziel sei es, das Vertrauen junger Menschen in die eigenen Fähigkeiten zu fördern. Zudem hat die Bundestagsfraktion der Linken 500 Euro beigesteuert. Mit dem Geld werden die Fahrkosten zu den Sehenswürdigkeiten beglichen.

Zum Indianermuseum in Derenburg sind die Kinder zum Beispiel mit dem Linienbus gefahren. Die gute Erreichbarkeit von Halberstadt aus ist also schon einmal ein Plus auf der Checkliste der Kinder.

Wie gefällt es ihnen in dem ehemaligen Einkaufsmarkt? „Die Waffen sind cool“, da sind sich die Jungen einig. Gespannt verfolgen sie, Thomas Merbts Vorführung mit dem Pusterohr. Denn statt mit Angeln, fischen Indianer mit dieser Waffe.

Auch andere Anekdoten kommen bei den jungen Besuchern gut an. So verwendeten Indianer bearbeitetes Leder, gefüllt mit Moos, als wiederverwendbare Windeln. „Eklig, aber auch irgendwie cool“, kommentiert einer der Rolle-Kritiker. Für Lachen sorgte der unaussprechliche, indianische Name, den Thomas Merbt verliehen bekommen hat. Stolz berichtet er: „Ich bin zwar kein Indianer, wie man wohl sieht, aber ein echtes Stammesmitglied.“ Als solches lege er viel Wert auf Authentizität seiner mehr als 3500 Exponate. Echte Blockhütten und ein Indianerzelt gibt es zu bestaunen, Schmuck- und Kleidungsstücke verschiedener Stämme, Fotos, Videos, Haushaltsgegenstände. Viele Exponate erhielt Merbt von amerikanischen Museen – als Tauschhandel. Im Gegenzug schickte er selbst angefertigten, lebensgroßen Indianerpuppen in die USA.

Das Fachwissen des Museumsleiters beeindruckte die Kinder. Aber: „Ob das wohl alles so stimmt?“, hinterfragt Bryan. Die vielen politischen Anspielungen – sowohl was die amerikanischen, als auch die deutschen Regierungen der Jetztzeit un der Vergangenheit angeht – stießen bei den jungen Kritikern auf Unverständnis. Ein großer Minuspunkt für sie.

Wie das Resümee der Gruppe ausfällt wird erst verraten, wenn das Projekt beendet ist. Bis dahin werden noch zwei Ausflugsziele erkundet. Am Freitag, 30. September, startet um 14.30 Uhr eine Radtour zu den Höhlenwohnungen in Langenstein. Der Kletterpark in Ilsenburg steht am Donnerstag, 6. Oktober, auf dem Plan. Anmeldungen sind noch unter Telefon (0 39 41) 44 17 95 möglich.