Kiesabbau Widerstand formiert sich

Im Ilsetal zwischen Stötterlingen und Bühne droht der Kiesabbau. Die Betroffenen wehren sich.

Von Mario Heinicke 10.03.2017, 08:00

Stötterlingen/Bühne l Viele Einheimische seien verzweifelt, sagt Joachim Moshake, hätten das Vertrauen in die Politik verloren. Denn trotz 67 Einwendungen und vieler Argumente gegen das Vorhaben stehe der Kiesabbau im Ilsetal vor der Planfeststellungsentscheidung durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen.

Moshake ist Landwirt in Stötterlingen und wäre als Bewirtschafter vom Kiesabbau am meisten betroffen. Aber längst nicht als einziger. Auch wenn das Bergrecht sozusagen über allem steht, will Moshake nicht aufgeben. Er hat sich an Landespolitiker aller Parteien in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen gewandt und darüber hinaus an den Petitionsausschuss des Magdeburger Landtages geschrieben. „Ich finde es skandalös, wie hier auf dem Rücken der Gesellschaft eine ruinöse Politik einzelner vorangetrieben wird“, erklärt er darin. Moshake bittet den Petitionsausschuss, dem Landesamt zu untersagen, den Rahmenbetriebsplan für das Kiesabbauvorhaben Bühne-Ost zu genehmigen.

Dienstagnachmittag kam mit Wolfgang Aldag ein erster Landtagspolitiker nach Stötterlingen. Er betreut als Abgeordneter der Bündnisgrünen den Harzkreis. Von Beruf Landschaftsarchitekt, ist dem Hallenser die Fachthematik nicht unbekannt. Auch er könne nicht verstehen, wieso die Probleme für den Hochwasser- und den Trinkwasserschutz nicht ausreichen, um den Kiesabbau zu versagen. Das wolle er aber nun zu ergründen versuchen.

Jens Kiebjieß, bündnisgrüner Stadtrat in Osterwieck und früher Studienkollege von Aldag, bestätigte, dass das Überschwemmungsgebiet der Ilse in das Kiesabbaugebiet reichen würde. „Ich kann nicht verstehen, warum dieses Vorranggebiet ausgeblendet worden ist.“ Angesichts der geplanten Verwallung vor dem Kiestagebau hätte die Ilse weniger Ausbreitungsfläche. „Die Ilse kann man nicht stauen. Das ist das Problem“, sagt Aldag. Durch den Klimawandel und damit verbundene Starkregen, ergänzt Moshake, würden Hochwasser zunehmen.

Dass Moshake auch in Niedersachsen Verbündete gegen das Vorhaben sucht, liegt am Trinkwassereinzugsgebiet des Wasserwerks in Börßum, von dem aus die Region Salzgitter und darüber hinaus versorgt wird. Die Grenze des Einzugsgebietes liegt nördlich der Ilse und damit nur wenige Meter vom Kiesabbauvorhaben entfernt.

Manfred Hundertmark steht vom ersten Tag mit an vorderster Front gegen den Kiesabbau. „Das einzige Gute, das die einstige Grenze gebracht hat, sind das Grüne Band und die Ilseaue“, sagt der frühere Landwirt und Bühner Bürgermeister, der zudem als örtlicher Vorsitzender das Flurneuordnungsverfahren Stötterlingen begleitet hat. Was jetzt droht, „lässt einen nicht mehr ruhig schlafen“.

Hundertmark sieht nicht nur die 55 Hektar Acker, die geopfert werden müssen. Auch nicht nur die 33 Hektar große Wasserfläche, die in 20 Jahren zurückbleiben soll. Er ist überzeugt, dass dies erst der Anfang wäre. Das Bergamt habe anfangs grundsätzlich einer 193 Hektar großen Abbaufläche zugestimmt.

Was aus einem kleinen Kiestagebau werden kann, erlebe die Region gerade zwischen Bühne und Suderode. Aus den anfangs zehn Hektar seien nun 60 Hektar geworden. „Das ist jetzt eine Mondlandschaft“, sagt Hundertmark.

„Wer braucht so viel Kies?“, fragt denn auch Jens Kiebjieß, zumal es bei Deersheim noch eine weitere Kiesgrube gibt.

Hundertmark kennt noch viele weitere Probleme, die der Region bevorstehen. Zunächst vor allem die Kiestransporte. Der Landkreis werde gefordert sein, die schmale Kreisstraße zum Abbaugebiet auszubauen. Die Landwirte werden ihren Wirtschaftsweg zu den Äckern verlieren, der Tourismus den Ilseradweg. Ein Ersatzweg ist nach den bekannten Planfeststellungsunterlagen nicht vorgesehen. Wenn die Seen existieren, werde die Stadt Osterwieck für die Sicherheit sorgen müssen.

Hundertmark und Moshake bedauern, dass aus Orten außerhalb von Bühne und Stötterlingen in der Vergangenheit nur wenig Unterstützung für den Widerstand gekommen sei. Sie wollen sich aber weiter rühren. Ebenso Landwirt Wilfried Schmidt, der heute mit am Tisch im Rathaus sitzt, wenn die Bürgermeister von Osterwieck und Schladen-Werla wegen des Kiesabbaus zusammenkommen.