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Klimasatzung Zoff um Fernwärme geht weiter

Seit Jahren streitet man sich in Halberstadt über die Fernwärme. Die Wohnungsbaugenossenschaft klagt gegen den Anschlusszwang.

Von Sabine Scholz 16.06.2018, 01:01

Halberstadt l Ist die Klimasatzung samt Anschlusszwang an die Fernwärme rechtens? Eine Frage, die seit 2012 verhandelt wird. Im Wortsinn, denn dreimal bereits hat diese Frage Gerichte beschäftigt.

Klägerin ist jedesmal die Wohnungsbaugenossenschaft Halberstadt (WGH), die sich mit ihren Klagen „auf der Seite der kleinen Leute“ sehe, sagt Karl-Heinz Schönfeld. Der Vorstandsvorsitzende der WGH sieht in der Klimasatzung kein Instrument, um den Ausstoß von Kohlendioxid in Halberstadt zu senken, sondern lediglich ein Mittel, das Fernwärmemonopol der Halberstadtwerke zu zementieren.

Der Vorwurf, die Stadt betreibe Klima-Trickserei, um das Monopol ihrer Gesellschaft zu sichern, sei „zu kurz gesprungen“, sagt Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke). Nicht nur, weil es aus seiner Sicht durchaus ökologisch sinnvoll ist, auf Fernwärme als „grüne Energiequelle“ zu setzen. Sondern auch, weil die Stadt froh sein kann, ein strategisch und wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen wie die Stadtwerke zu besitzen. Deren Gewinne flössen nicht auf private Konten, sondern „sind ein überdurchschnittlicher Beitrag für die Daseinsvorsorge und die Schaffung einer modernen Infrastruktur in der Stadt“, so Henke während der jüngsten Stadtratssitzung am Donnerstag. „Und das kommt allen Einwohnern und allen Mietern in der Stadt zugute.“

Der Stadtrat befasste sich am Donnerstag indirekt mit der Klimaschutzsatzung. Zu entscheiden hatten die Ratsmitglieder über die Genehmigung eines Rechtsmittels. Dahinter verbirgt sich, dass die Stadt nach dem jüngsten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Landes, das die Satzung kippen würde, eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Weg gebracht hat. Denn das OVG hatte keine Revision gegen sein Urteil zugelassen. Dagegen legte die Stadt Beschwerde ein. Um die Frist zu wahren, ohne Ratsbeschluss. „Doch bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung hat der Stadtrat zu entscheiden“, erklärt Stadtjustiziar Timo Günther. „Und wenn wir vor das Bundesverwaltungsgericht wollen, ist das von grundsätzlicher Bedeutung“, so der Assessor. Der Rat stimmte bei 7 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen mit 21 Ja-Stimmen mehrheitlich dafür, den Rechtsstreit fortzusetzen. „Hätte er abgelehnt, hätten wir unsere Beschwerde beim OVG zurückgezogen“, so Günther.

Nun also muss das OVG sagen, ob es die Revision zulassen will oder nicht, ob es selbst noch einmal über die Klage der WGH verhandelt oder das Normenkontrollverfahren an das Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig geht. „Vor Mitte 2019 erwarten wir allerdings keine Entscheidung zu unserer Beschwerde“, sagt Günther.

In der Zwischenzeit bleibt die Satzung gültig. Das heißt, wer in weiten Teilen der Innenstadt seine Heizung saniert oder neu baut, muss Fernwärme nutzen. Wobei das normale Einfamilienhaus nicht betroffen ist. „Der Häuslebauer kann die Fernwärme nutzen, muss es aber nicht. Der Zwang gilt erst ab bestimmten Verbrauchsmengen an Energie“, erklärt Günther. Damit sind es vor allem größere Vermieter, die der Anschlusszwang trifft. Sich befreien zu lassen, was möglich ist, bedarf des nicht einfach zu erreichenden Nachweises, dass man mit anderen erneuerbaren Energiequellen dieselben Werte erreicht wie bei Nutzung von Fernwärme.

Die Zeit spiele für ihn, sagt Karl-Heinz Schönfeld. Er hat am Donnerstag mit seinen Vorstandskollegen die Abstimmung im Rat verfolgt und sieht eine wachsende Mehrheit derer, die sich bei dem hochkomplexen Thema „nicht auf Seite der Fernwärme-Industrie“ stelle.

Oberbürgermeister Andreas Henke erinnerte den Rat daran, dass dieser die Satzung aus gutem Grund beschlossen hatte und selbstbewusst in deren Verteidigung gehen sollte. Er hege große Hoffnung, dass das Urteil revidiert werde. Unter anderem, weil das OVG 26 Beweisanträge, mit denen die kritisierten Punkte entkräftet werden sollten, nicht zugelassen hatte.