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Konto für Rechte Sparkasse in der Zwickmühle

Die Harzsparkasse wird kritisiert, weil die Partei „Die Rechte“ ein Konto bei ihr unterhält. Das Bankhaus kann es nicht einfach kündigen.

Von Dennis Lotzmann 11.11.2015, 00:01

Wernigerode/Halberstadt l Ein organisierter Parteiapparat, ein Internetauftritt und immer wieder Demonstrationen sowie Kundgebungen machen eines deutlich: Der sachsen-anhaltische Landesverband der Partei „Die Rechte“ ist aktiv, um für seine politischen Ziele zu kämpfen, weitere Mitglieder zu binden und sich für die Landtagswahl am 13. März 2016 in Position zu bringen. Bei der Finanzierung setzt die rechtsgerichtete Partei laut ihrer Informationen auf den obligatorischen Mitgliedsbeitrag und auf Geldspenden. Gesammelt werden letztere auf einem Konto der Harzsparkasse.

Ein Umstand, über den sowohl Sparkassen-Vorstand Werner Reinhardt als auch Michael Ermrich, der Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV), wenig erbaut sind: „Sie können es mir glauben – ich würde dieses Konto lieber heute als morgen kündigen“, so Reinhardt im Gespräch gegenüber der Volksstimme. Allerdings sei dieser Versuch nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ein Urteil, mit dem die BGH-Richter aus Michael Ermrichs Sicht viel zu weit gegangen sind.

Angestoßen hat die Diskussion um das Konto der Rechten ein der Redaktion namentlich bekannter Leser aus Blankenburg. Er hatte die Bankverbindung auf der Internetseite der Rechten entdeckt und sei aus allen Wolken gefallen. „Ich finde es sehr fragwürdig, dass die Harzsparkasse für die Rechten dieses Konto führt. Meiner Meinung nach muss man in dieser Sache einen klaren Standpunkt haben und diesen auch nach außen vertreten“, so der Blankenburger gegenüber der Volksstimme.

Der Harzer, selbst Sparkassen-Kunde, wandte sich per E-Mail an leitende Mitarbeiter des Kreditinstitutes, machte sie auf dieses Konto aufmerksam und forderte sie auf, es zu kündigen.

Der Volksstimme liegt der E-Mail-Kontakt zwischen dem Kunden auf der einen und den Vorstandsvertretern auf der anderen Seite vor. Letztlich sah sich der Blankenburger von Sparkassen-Vorstandssprecher Sascha Neuhäuser jedoch enttäuscht: „Das Bankgeheimnis verbietet es uns, Informationen über Kundenbeziehungen an Dritte weiterzugeben“, ließ dieser ihn abschließend lediglich wissen.

Zum bestehenden Konto der Rechten und den rechtlichen Hintergründen befragt, gibt sich Sparkassen-Vorstand Werner Reinhardt auf Volksstimme-Nachfrage eher wortkarg, um, wie er sagt, den „Rechten“ nicht unnötig eine Plattform zu bieten.

Gleichwohl sei die rechtliche Situation in diesem Fall eindeutig, so der Vorstandschef: „Wir führen Konten für Parteien. Und ,Die Rechte‘ ist nicht verboten.“ Folglich müsse die Harzsparkasse jenes Konto führen. „Wir sind darüber absolut nicht glücklich, aber wir kommen nicht raus aus der Nummer“, so Reinhardt. Und: Die von dem Blankenburger geforderte Konto-Kündigung sei mit Blick auf die BGH-Rechtsprechung schlichtweg unmöglich.

Tatsächlich ist die Sparkasse Leipzig vor einigen Jahren genau damit vor dem BGH gescheitert. Die Leipziger Banker waren im Sommer 2000 aufgrund eines Fernsehbeitrags darauf aufmerksam geworden, dass die NPD bei ihnen ein Girokonto unterhält. Die Sparkassen-Chefs – offenbar peinlich berührt, davon keine Kenntnis zu haben – handelten rasch und kündigten das Konto.

Dabei hatten sie die Rechnung jedoch ohne „den Wirt“ gemacht. Die Rechten, denen damals ein Verbotsverfahren drohte, zogen vor Gericht und siegten letztlich in allen Instanzen. Das Landgericht wischte die von der Sparkasse angeführten „verfassungsfeindlichen Ziele“ der NPD vom Tisch. Das Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil, der Bundesgerichtshof wies später die von der Sparkasse eingelegte Revision zurück.

Der Tenor der Entscheidung lässt aus Werner Reinhardts Sicht keinen Deutungsspielraum zu: Sparkassen sind – anders als Privatbanken – Anstalten des öffentlichen Rechts und erfüllen Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge. Dabei sind sie unmittelbar an Grundrechte gebunden. Soll heißen: Während sich Privatbanken extremen Parteien verweigern können, haben Sparkassen praktisch keinen Spielraum, solange jene Parteien nicht verboten sind. „Deshalb haben wir gegenüber der Partei ,Die Rechte‘ an dieser Stelle keine Chance“, resümiert Werner Reinhardt.

Bauchschmerzen und sichtliches Unbehagen mit der BGH-Rechtsprechung lässt auch Michael Ermrich als Geschäftsführender Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) auf Volksstimme-Nachfrage erkennen: „Der BGH ist über das Ziel hinausgeschossen“, betont er. Anspruch auf ein Sparkassen-Girokonto hätten laut Sparkassenverordnung Privatleute im Geschäftsgebiet der jeweiligen Sparkasse. „Das gilt also nicht für politische Parteien.“

Vor diesem Hintergrund, so Ermrich, habe der BGH die Verpflichtung der Sparkassen, zugunsten des öffentlichen Wohls zu handeln, überstrapaziert. Aber: Diesen Richterspruch müsse man leider akzeptieren – „auch wenn es uns nicht gefällt“.

Anders als der Sparkassenkunde aus Blankenburg sieht Rainer Neugebauer vom „Bürgerbündnis für ein gewaltfreies Halberstadt“ durchaus die Zwickmühle, in der die Harzsparkasse steckt. „Ich persönlich bin generell gegen Parteiverbote und begrüße es, dass das Bundesverfassungsgericht hier die Hürden besonders hoch hängt“, stellt Neugebauer klar. „Schließlich bekommt man so ja die Grundeinstellung nicht weg.“ Er setze stattdessen auf die Mündigkeit der Bürger, extreme Parteien zu erkennen, sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen und friedlich dagegen Flagge zu zeigen.

„Ich würde es aber sehr begrüßen, wenn die Sparkasse in diesem Fall ihr Unbehagen mit dem Konto der Rechten auch deutlich öffentlich artikuliert", betont Neugebauer. Was Sparkassen-Chef Reinhardt im dem Gespräch mit der Volksstimme durchaus macht: Sollte „Die Rechte“ verboten werden und die Harzsparkasse so Entscheidungsspielraum bekommen, „würden wir natürlich sofort handeln und die Geschäftsbeziehung beenden“, versichert er.

Das BGH-Urteil vom 11. März 2003 hat das Aktenzeichen XI ZR 403/01