1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Unbekannte Seite eines weltberühmten Autors

Matinee Unbekannte Seite eines weltberühmten Autors

Matinee im Kinopark Zuckerfabrik: Die Produktion des Nordharzer Städtebundtheaters "Zeit im Dunkeln" wird vorgestellt.

Von Renate Petrahn 02.02.2016, 02:00

Halberstadt l Wer den Regisseur Jonathan Failla kennt, weiß, dass er auch eine Matinee äußerst anregend inszenieren kann. Seite an Seite mit Schauspieldramaturg Sebastian Clar und den Schauspielern Mona Luana Schneider und Gerold Ströher stellte er am Sonntag im Kinopark Zuckerfabrik in Halberstadt die aktuelle Produktion des Nordharzer Städtebundtheaters „Zeit im Dunkeln” von Henning Mankell vor. Neben der hohen Aktualität des Themas bringt die Inszenierung auch den Vorteil mit sich, eine relativ unbekannte Facette des weltberühmten Krimi-Autors kennenzulernen, für den „das Theater das Abenteuer seines Lebens war“, wie Failla, Mankell zitierend, sagte. Regisseur Failla passt das 2002 geschriebene Stück der Realität Deutschlands im Jahr 2016 an, sowohl was den Ort des Geschehens als auch die handelnden Personen anbetrifft.

Die Flüchtlinge, Vater (Gerold Ströher) und Tochter (Mona Luana Schneider), aus einem bei Mankell nicht genannten islamisch-afrikanischen Land, sind bei Failla Jesiden, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Quedlinburg leben. In das Stück hat der Regisseur auch eine dritte Person eingeführt. Das ist die Mutter der Familie (Julia Siebenschuh), die zwar während der Flucht gestorben, aber immer anwesend ist. Daraus ergibt sich, ganz im Sinne Mankells, dass nicht die Beziehung von Vater und Tochter im Vordergrund steht, sondern die Familie, die auf tragische Weise ihre Mutter verloren hat. Die Aufnahme von circa einer Million Flüchtlingen in Deutschland ist für Failla ein historisches Ereignis, etwa vergleichbar mit dem Fall der Mauer. Diesem Phänomen will er sich nicht politisch, sondern psychologisch nähern. „Deshalb gehen wir in ihr Haus“, sagt er. Wie fühlt es sich an, als Flüchtling zu leben, wie wird die Vergangenheit und die Flucht übers Mittelmeer nach Deutschland verarbeitet, wie kann an einer Zukunft in einem fremden Land gearbeitet werden? Das sind die zentralen Fragen, denen sich Regisseur und Schauspieler stellen. Vor diesem Hintergrund suchten sie das Gespräch mit in Quedlinburg lebenden Flüchtlingen und Betreuern. Mona Luana Schneider schilderte in der Matinee das Pendeln der Menschen zwischen posttraumatischen Belastungsstörungen wie Erinnerungsattacken (Flashbacks) und vorsichtig partiell zurückkehrender Lebensfreude. Ein Umstand, der sich auch im Stück widerspiegelt, denn trotz aller bedrückender Problematik gibt es auch Zeit und Raum für Humor.

Der Wunsch sei,, dass „Zeit im Dunkeln“ die Zuschauer dazu bringt, die Flüchtlinge anders zu betrachten als vor dem Stück, resümierte Gerold Ströher. Deshalb sei es gut, dass das Theater dieses Stück gewählt habe.

Für das „atmosphärisch packende Kammerspiel“ hat Franziska Boos ein assoziatives Bühnenbild entwickelt, das wie auch die Kostümentwürfe (ebenfalls Franziska Boos) während der Matinee vorgestellt wurde. Beeindruckend seine enorme Wandlungsfähigkeit besteht es aus Würfeln und Regalen, die nach dem Gang der Handlung eingesetzt werden können, und die es den Schauspielern erlauben, selbst die Umbauten vorzunehmen.

„Zeit im Dunkeln”, das für Regisseur Jonathan Failla sowohl ein Requiem für Henning Mankell und David Bowie (dessen Musik im Stück erklingt), ist, hat am Freitag, 19. Februar, um 19.30 Uhr in der Neuen Bühne Quedlinburg Premiere. Zu jeder Aufführung gibt es, mit Ausnahme der Premiere, ein Nachgespräch, das entweder von Sebastian Clar oder Theaterpädagogin Anja Grasmeier moderiert wird, sagte der Schauspieldramaturg am Rande der Matinee. Bereits im Rahmen des Tages der offenen Tür im Großen Haus Halberstadt am Sonntag, 7. Februar, können Interessierte ab 14.45 Uhr im Malsaal an einer öffentlichen Probe zu „Zeit im Dunkeln” teilnehmen.