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Mauerfall Herkunft spielt für sie nie eine Rolle

Der Mauerfall hatte auch private Auswirkungen. Frauke und Dirk Germer aus Dedeleben, ein Ost-West-Paar, erzählt, wie sie sich fanden.

Von Stephanie Tantius 12.11.2019, 16:11

Dedeleben l Wenn Frauke und Dirk sich anlachen, spürt man sofort die Vertrautheit zwischen den Beiden. Dirk Germer ist in Dedeleben aufgewachsen, während Frauke Germers Elternhaus in Warberg, im Landkreis Helmstedt steht. 22 Kilometer ist das von Dedeleben entfernt.

Frauke Germer ist früher leidenschaftlich gern geritten und war im Reitverein in Jerxheim Mitglied. Nach der Wiedervereinigung haben sich die Mitglieder der Reitvereine Dedeleben und Jerxheim besucht. Daher war die heute 52-Jährige nach der Wende öfter in Dedeleben. Dort lernte sie 1993 auf einem Sportlerball Dirk kennen.

„Aber es war nicht Liebe auf den ersten Blick“, sagt Frauke Germer mit einem Lachen. „Wir waren uns jedoch sympathisch und haben uns seitdem öfter getroffen. Erst später haben wir uns lieben gelernt.“ Frauke Germer ist dann zu ihrem Mann nach Dedeleben gezogen.

„Das war für mich überhaupt keine Frage. Schließlich hatte Dirk hier sein Elternhaus stehen, in das wir ziehen konnten.“ Außerdem habe sie sich in Dedeleben sofort wohlgefühlt. Sie kannte den Ort bereits durch ihren Reitverein und sei von den Bewohnern offen empfangen worden.

Ihre unterschiedliche Herkunft spielte für das Ehepaar keine Rolle. „Meine Eltern waren beide Lehrer und haben sich schon immer für den anderen Teil von Deutschland interessiert“, erzählt die gelernte landwirtschaftlich-technische Assistentin. Sie sei ja auch sehr nah an der Grenze aufgewachsen und habe dort zusammen mit ihrem Vater oft Vögel beobachtet und Pflanzen gesammelt.

„Außerdem hatten wir Verwandtschaft in Meißen und Coswig und wussten dadurch schon ein bisschen über die DDR. Meine Eltern und ich waren immer traurig darüber, dass wir uns mit der Verwandtschaft nicht so austauschen konnten, wie wir es beiderseits gern getan hätten. Denn einige Sachen habe ich nicht verstanden. Zum Beispiel warum so geheiratet werden musste, um eine Wohnung mieten zu können“, so die 52-Jährige.

„Als Dirk und ich uns kennenlernten, wollten wir viel darüber wissen, wie der andere aufgewachsen ist. Ich war zum Beispiel in keiner Krippe und keinem Kindergarten, während Dirk das erlebt hat. Jedoch die Uhrzeitenangabe viertel und dreiviertel kannte ich. Das wird im Landkreis Helmstedt auch gesagt. Für mich hat das etwas mit Regionalität zu tun und nicht damit, ob jemand im Osten oder Westen aufgewachsen ist“, so Frauke Germer.

„Auch durch unsere Arbeitsstätten haben wir den jeweils anderen Teil Deutschlands besser kennenlernen dürfen“, ergänzt Dirk Germer. „Ich arbeite als Busfahrer in Niedersachsen, während Frauke einige Jahre in Schlanstedt gearbeitet hat. So ergaben sich viele Ost-Westbegegnungen“, sagt der 52-Jährige.

Die Bezeichnung Ossi und Wessi findet Frauke Germer „total doof“. „Auch die Bezeichnung alte und neue Bundesländer ist nicht mehr zeitgemäß“, findet ihr Mann. „Ich sage, dass ich zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen fahre und nicht in die alten Bundesländer“, so Germer. „Für Dirk und mich sind wir ein Deutschland und nicht mehr Ost- und Westdeutschland“, betont seine Frau.

Das Ehepaar hat zwei Kinder, die mittlerweile 23 und 21 Jahre alt sind. „Beide haben durch uns viel über den Osten und Westen Deutschlands erfahren. Die Grenze hat für sie jedoch keine prägende Rolle mehr gespielt. Sie sind sich jedoch darüber bewusst, welche Bedeutung sie für uns als Eltern hatte“, so Frau Germer.

Reportagen über die Grenze und deren Öffnung bewegen das Ehepaar immer sehr. „Mir ist aufgefallen, dass die Menschen, die in der Nähe der Grenze aufgewachsen sind, das Thema mehr berührt, als die Menschen die weit davon entfernt groß geworden sind,“ sagt die 52-Jährige.

Auch heute sprechen sie noch oft davon, wie jeder in seinem Teil Deutschland aufgewachsen ist. „Es ist für uns immer interessant, etwas Neues von dem Anderen zu erfahren. Wir waren beide nicht unzufrieden, mit dem was wir hatten. Dennoch sind wir sehr froh darüber, dass die Wiedervereinigung gekommen ist, insbesondere weil wir uns dadurch gefunden haben“, sagt Frauke Germer.

Sie sind auch auf verschiedenen Seiten der Mauer aufgewachsen und mittlerweile ein Paar? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Wir freuen uns auf eine E-Mail an redaktion.wernigerode@volksstimme.de, Kennwort: Wende-Paare. Telefonisch erreichen Sie uns unter (03943) 92 14 26.