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Nazi-Elite-Schule  Chinesen liebäugeln mit dem Großen Ziegenberg

In Ballenstedt rückt der Verkauf der früheren Nationalpolitischen Bildungsanstalt (NapoBi) der Nazis in greifbare Nähe.

Von Dennis Lotzmann 01.11.2018, 21:15

Ballenstedt l  Investoren aus China haben die 34 Hektar große Liegenschaft entdeckt und wollen nach jahrzehntelanger ideologisch gefärbter Nutzung durch Nazis und die frühere DDR-Staatspartei SED nun chinesische Heilmethoden und Pflege sowie Kunst, Bildung und Kultur dort etablieren.

Zuvor muss das Projekt, an dem Jan Lämmerhirt, der Chef der städtischen Liegenschaftsgesellschaft BAL, und Bürgermeister Michael Knoppik (CDU) seit rund einem Jahr schmieden, den Stadtrat passieren. In der nächsten Sitzung am 1. November sollen die Räte den Verkauf absegnen. Nachdem die Chinesen am Mittwoch die Stadträte über ihr Projekt informiert haben, lassen die ersten Signale aus den Fraktionen eine Zustimmung erwarten. Alles, was den jetzigen Status der Stagnation positiv verändern würde, wäre ein Fortschritt, so der Tenor. „Ich habe nach der Vorstellungsrunde nur zustimmende Reaktionen wahrgenommen“, berichtet Stadtratsvorsitzender Ulrich Pels von der Bürgerbündnis-Fraktion. Das bestätigt Kurt Neumann von der Fraktion SPD/Grüne.

Die Chinesen, so Bürgermeister Knoppik, planen ein auf vier Säulen fußendes Gesamtpaket: Traditionelle chinesische Gesundheitsangebote, den Aufbau eines auf Gesundheit fokussierten Bildungszentrums mit Kontakten zu chinesischen Unis sowie ein ebenfalls traditionell-chinesisch geprägtes Pflege- und Sportzentrum.

Dabei betreten die Investoren nach Angaben von BAL-Chef Lämmerhirt keineswegs Neuland. „Sie bieten bereits medizinische Offerten in Berlin und Potsdam an.“ Dafür, dass das Interesse tatsächlich auf einem solidem Fundament fußt, spricht nach Knoppiks Worten auch das schrittweise gewachsene Interesse. „Wir haben schon viele Interessenten hier oben gehabt, die geschaut haben, von der Größe des Areals erschlagen waren und ganz schnell wieder verschwanden“, berichtet der CDU-Politiker. Hier habe es immer wieder Kontakte, Treffen und vertiefende Nachfragen gegeben. „Daraus leite ich ein tatsächliches Interesse ab.“

Nach Lämmerhirts Worten hat Ballenstedt mit anderen Standorten – unter anderem dem Kurzentrum in Bad Suderode – konkurriert. Letztlich hätten sich die Chinesen schon vor einigen Wochen für den Großen Ziegenberg mit seiner waldreichen Umgebung entschieden. „Der Vertrag liegt unterschriftsreif vor. Gibt es am 1. November im Stadtrat grünes Licht, können wir sofort zum Notar gehen“, so der BAL-Chef.

Mit einem Verkauf würde die BAL ein schwieriges Areal losschlagen. Einst als Nazi-Schule gebaut, etablierte nach dem Krieg die SED hier ihre Bezirksparteischule. Nach der Wende wurden Teile der Anlage noch für Ausbildungszwecke genutzt.

Die Sorge, dass die Anlage rechtsorientierten Eigentümern zufällt und die Stadt machtlos ist, mündete vor Jahren in eine rein politische Kaufentscheidung. Die BAL investierte 250 000 Euro – wissend, dass eine Nutzung in städtischer Regie sehr unrealistisch ist. Deshalb, so der Tenor aus dem Stadtrat, müssten auch jetzt Rückfallklauseln in den Vertrag eingebaut werden, um beispielsweise Spekulationen zu verhindern.

Das sei geplant, versichert Lämmerhirt, der sich zum Kaufpreis nicht äußern will. Der liege über dem Buchwert.