1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Vögelchen vor Hungertod gerettet

Notfälle Vögelchen vor Hungertod gerettet

In Coronazeiten werden in der Auffangstation und im Greifvogelhospital im Tiergarten Halberstadt mehr Notfälle abgegeben als sonst.

Von Jörg Endries 25.08.2020, 03:00

Halberstadt l Hilfe um zu überleben, wird Vögeln und ­Säugetieren in Not in der Auffangstation des Tiergartens Halberstadt geboten. Egal, ob verletzt, aus dem Nest gefallen oder von den Eltern im Stich gelassen – das Team des Tiergartens versucht, jedem Lebe­wesen zu helfen. In der überwiegenden Zahl der ­Fälle gelinge das, betont ­Michael Bussenius.

Das Urgestein des Halberstädter Tiergartens engagiert sich bereits seit Jahrzehnten für den Tierschutz und übernahm die Mutterersatzrolle schon bei vielen Notfällen. Aber er kann nicht immer helfen. Erst kürzlich starb ein junges Eichhörnchen, das Bussenius bereits seit zwölf Tagen bei sich trug und pflegte. Aber auch Vögeln, die nach Verkehrsunfällen schwer verletzt in die Auffangstation gebracht werden, kann man nicht immer helfen. Es gelinge leider nicht bei jedem Notfall, bedauert der Halberstädter. „Der Erfolg ist immer mit viel Glück verbunden, weil man nie genau weiß, was die Tiere durchgemacht haben, bevor sie im Tiergarten abgegeben werden.“

Dennoch könne sich die Überlebensquote in der Auffangstation sehen lassen, betont Michael Bussenius. In etwa 65 bis 70 Prozent der Fälle könnten die Tiere erfolgreich nach der Aufzucht oder Pflege, weil sie verletzt waren, wieder in der freien Natur ausgewildert werden. Darauf müsse man die Schützlinge vorbereiten. „Greifvögel müssen zum Beispiel lernen, wie man Mäuse fängt. Zum Auswildern bringen wir die Tiere dann an den Fundort zurück“, sagt Michael Bussenius.

Im Fall von Vögelchen, einer Gartengrasmücke, ist die Rettung geglückt. Michael Bussenius zieht den kleinen Singvogel, den aufmerksame Menschen gefunden und in der Tierauffangstation abgegeben haben, mit der Hand auf. Mittlerweile ist der Singvogel schon fast flügge. Tagsüber flattert er munter im Tiergarten umher, zwitschert ohne Unterlass und jagt bereits selbstständig kleine Insekten. „Er kennt fast keine Scheu, fliegt zu Gästen des Tiergartens und bettelt sie um Futter an“, so Bussenius. Vögelchen habe sich prächtig entwickelt und könne bald ausgewildert werden. Obwohl das Band zwischen Michael Bussenius und der Grasmücke noch unzerbrechlich erscheint, werden und müssen Mensch und Singvogel bald Abschied nehmen. Ein Gesetz der Natur.

„Spätestens, wenn er seinen Hunger komplett selbst stillen kann, kehrt das nur 15 Gramm schwere Leichtgewicht nicht mehr von seinen Ausflügen zwischen Kassenhäuschen und Spielhaus zurück“, ist sich Michael Bussenius ­sicher. Vor allem müsse Vögelchen fit für den Zug gen Süden werden. Die kleinen Singvögel legen immerhin mehrere tausend Kilometer zurück, um in ihre Winterquartiere in Afrika zu fliegen, berichtet der Tierschützer. Derzeit wird Vögelchen abends noch sicher in einer Voliere der Auffangstation einquartiert.

Vor Arbeit können sich die Tierretter im Halberstädter Tiergarten in diesem Jahr kaum retten. Aufmerksame Spaziergänger würden aus dem Harzkreis und sogar aus Oschersleben deutlich mehr hilfebedürftige Vögel in den Tiergarten bringen als in den Vorjahren. Bis vergangene Woche seien es bereits 47 Vögel gewesen. Darunter befinden sich unter anderem Kleiber, Drosseln, Stare, Krähen, Turmfalken, Mehl- und Rauchschwalben, Mauersegler, Buchfinken, Waldohreulen, Bussarde und Grünspechte.

„Ich denke, dass das auch eine Auswirkung der Coronapandemie ist. Die Menschen haben einfach mehr Zeit für Spaziergänge in der Natur“, vermutet Michael Bussenius. Ob die Jungvögel in jedem Fall Hilfe benötigen, wenn sie auf dem Boden sitzen und noch nicht fliegen können, sei mal dahingestellt. Denn einige Arten versorgten ihre Jungen auch noch außerhalb des Nestes mit Futter, klärt Bussenius auf.

„In den zurückliegenden Jahren ist die Pflege von verletzten und hilfebedürftigen Tieren im Tiergarten auf ein neues Niveau gehoben worden“, betont Michael Bussenius. Dazu hätten der Ausbau der Auffangstation und der Neubau des Greifvogelhospitals beigetragen. Ein guter und sehr verlässlicher Partner war und sei die Rolf P.C. & Edith Maria Manteufel-Stiftung, die in Halberstadt ihren Sitz hat. Vor zwei Jahren stellte sie 11.000 Euro für die umfangreiche Sanierung und Modernisierung der Auffangstation zur Verfügung.

Jedes Tier in Not, das in den Tiergarten Halberstadt gebracht wird, wird dort aufgenommen. Die Manteufel-Stiftung hat bereits seit einigen Jahren ihren Schwerpunkt auf die Unterstützung von Projekten im Halberstädter Tiergarten gelegt. Zweck der 2001 gegründeten Stiftung ist die Förderung des Natur-, Tier- und Artenschutzes. Dazu zählt auch das 2016 gebaute und von der Stiftung sowie Lotto-Toto finanzierte Greifvogelhospital. 35.000 Euro flossen in den Bau der Einrichtung.