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Offene Häuser Begegnung mit der Normalität

Am 10. November werden in Halberstadt Häuser ins öffentliche Bewusstsein gerückt, in denen jüdische Bürger lebten.

Von Sabine Scholz 27.10.2018, 14:08

Halberstadt l Das Haus Grudenberg 7 ist nicht nur ein markantes Fachwerkgebäude, es hat auch eine interessante Vergangenheit. Ein Aspekt seiner Historie ist, dass hier die Gebrüder Sondheim Geschäftsräume hatten. Sondheims waren Juden, die Familie kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Halberstadt und erfuhr durch die Hausbesitzer Unterstützung. Die Sondheims wanderten später aus. Wie es auch der Großvater des heutigen Eigentümers tat. Otto Plettner lebt in Mexiko und berichtete Jutta Dick von diesen Geschehnissen. Von daher ist es fast logisch, dass sich zum Projekt der offenen jüdischen Häuser das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg mit seiner Ausbildung geflüchteter Menschen vorstellt.

Grudenberg 7 ist nur eines der offenen jüdischen Häuser. Das Projekt findet in diesem Jahr in Verbindung mit dem Erinnern an den 80. Jahrestag der Pogromnacht 1938 am 10. November statt. „Es soll bewusst machen, dass die jüdischen Bürger der Stadt in allen Stadtvierteln selbstverständlich Nachbarn waren“, sagt Jutta Dick, Direktorin der Moses-Mendelssohn-Akademie. „Kaufhäuser wie die von Willi Cohn, von Reichenbach und Ebstein wurden gern frequentiert, ebenso kleinere Einzelhandelsgeschäfte vor allem im Textilbereich.“

Die Moses-Mendelssohn-Akademie hat in diesem Jahr das Halberstädter Adressbuch von 1938 als Grundlage genutzt, um ein Verzeichnis von Adressen zusammenzustellen, an denen jüdische Familien lebten. Das Adressverzeichnis kann auf der Homepage der Akademie und der der Stadt Halberstadt aufgerufen werden. Heutige Bewohner der aufgeführten Häuser können bei der Moses-Mendelssohn-Akademie Plakate abfordern, in die eingedruckt wird, welche Familie dort gelebt hat. Diese Plakate werden am 10. November in Fenster gehängt oder an den entsprechenden Häusern angebracht.

Neben diesen Plakaten, die sichtbar machen, wie selbstverständlich jüdische Nachbarn waren, werden in einigen Häuser besondere Veranstaltungen stattfinden. So sind um 11 Uhr Nachfahren des Rabbiners Dr. Ernst Frankl in der Klausynagoge zu Gast. Es wird aus den Erinnerungen Frankls gelesen, es erklingt Musik für Klavier und Cello und Jutta Dick führt in das Projekt der offenen jüdischen Häuser ein.

Ab 12 Uhr kann man sich in der Bakenstraße 22 über die Fellhandlung Ney und zur Familie Heynemann informieren. Zu Gast ist dort Noga Zohar, Enkelin von Elisabeth Heynemann. Im Hotel garni „Am Grudenberg“ gibt es um 13 Uhr Saxofonklänge und Informationen zur Bäckerei Schlößinger. In der Friedenstraße 51 wird ab 16 Uhr aus den Lebenserinnerungen von Paul Crohn gelesen.