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Orgelprojekt Neue Töne im Werk von John Cage

Beim John-Cage-Orgelprojekt ist der 14. Klangwechsel vollzogen worden. Das lockte Fans aus der ganzen Welt nach Halberstadt.

Von Renate Petrahn 06.09.2020, 23:01

Halberstadt l Wir sind dabei gewesen: Mit diesem erfüllenden Gedanken konnten am Samstag, 5. September, rund 900 Menschen den Tag ausklingen lassen. Sie waren Augen- und Ohrenzeugen des feierlich vollzogenen 14. Klangwechsels in der Halberstädter Burchardikirche. Seit 2001 wird in der Kirche ohne Unterbrechung das Orgelstück „Organ2/ASLSP“ (As slow as possible, zu deutsch: So langsam wie möglich) des US-amerikanischen Komponisten John Cage aufgeführt. Das gesamte Stück ist für die Dauer von 639 Jahren konzipiert und soll daher im Jahr 2640 enden.

John Cage, der von 1912 bis 1992 lebte, gilt als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhundert. Seit 19 Jahren klingen bereits fünf Orgelpfeifen in der Kirche – C‘(16‘), des‘(16‘), dis‘, ais‘ und e‘‘. Am Sonnabend erfolgte nach sieben Jahren wieder ein Klangwechsel: Gis und e‘ kamen diesmal dazu. Das e‘‘ ist übrigens die erste Pfeife, die nach 2009/10 ein zweites Mal erklingt.

Unter der Leitung von Rainer O. Neugebauer, Vorsitzender des Cage-Kuratoriums, und assistiert von Kay Lautenbach, dem Leiter Tontechnik des Nordharzer Städtebundtheaters, vollzogen die Sopranistin Johanna Vargas und Komponist Julian Lembke um Punkt 15.09 Uhr den Klangwechsel. Beide haben einen engen Bezug zu John Cage und Halberstadt. Indem sie nacheinander die neuen Orgelpfeifen eingesteckten, ließen sie die eher zierliche kleine Orgel von bislang fünf auf nunmehr sieben Orgelpfeifen „wachsen“.

Da aufgrund der Pandemieauflagen die Anzahl der Zuschauer im eigentlichen Kirchenraum begrenzt war, wurde das feierliche Ereignis über eine Videoleinwand auch nach außen übertragen. „Das Cage-Projekt bringt viele Leute in diese wunderbare kleine Stadt, die sonst vorbeigefahren wären“, lautet das Fazit von Wilhelm Schmid und Astrid Scheld. Die beiden Berliner schätzen an dem „komponierenden Philosophen“ Cage, wie er in seiner Musik einerseits mit Stille, Klang und Zufall und andererseits mit der Zeit als einem Modus der Entschleunigung umgeht.

Das wollte auch Kim Bülow- Bonfelis, ein Webentwickler aus Kopenhagen, der aus Anlass des Klangwechsels zum ersten Mal nach Halberstadt gekommen ist. In seiner Zeit als aktiver Musiker habe er sich intensiv mit Cage und Stockhausen beschäftigt. Felix, Monika und Carla Heller aus Frankfurt/Main hingegen hat es nach Halberstadt gezogen, weil sie Freude an Kunstprojekten haben, die lange dauern.

Was die Dauer des Projektes anbetrifft, ist Rainer O. Neugebauer nicht so optimistisch. Angesichts drohender Geldknappheit sei es nicht sicher, wie lange das John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt weiter bestehen könne. Das ehrenamtlich betriebene Projekt werde allein durch die Stifter von Klangjahren, die bald alle vergeben seien, sonstige Spenden und private Eigenmittel finanziert.