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Radwegenetz Auf autofreien Wegen nach Osterwieck

Die Stadt Osterwieck erweitert ihr Radwegekonzept. Ziel ist, dass von jedem Ort die Kernstadt auf autofreien Wegen erreicht werden kann.

Von Mario Heinicke 15.08.2020, 01:01

Stadt Osterwieck l Was Infrastruktur für Radfahrer betrifft, ist das Gebiet der Osterwiecker Einheitsgemeinde ein Entwicklungsland. Während Urlaubsbundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg seit der Wende ganze Wegenetze gebaut haben, kann man die überörtlichen, straßenbegleitenden Radwege im Raum Osterwieck an einer Hand abzählen: an der Bundesstraße 244 zwischen Dardesheim und Zilly und an der Landesstraße Osterwieck-Schauen.

Hinzu kommen vor und hinter Berßel zwei ausgebaute Abschnitte des Ilseradweges abseits der Straßen. Ansonsten müssen Radler mehr oder weniger ausgebaute Feldwege mit nutzen, auch am Grünen Band, auf dem schon Anfang der 1990er Jahre installierten Harzvorlandradweg sowie auf dem demnächst ausgeschilderten Telegrafenradweg. Ein Extremfall ist Deersheim, von wo aus es nicht möglich ist, ohne Nutzung von Autostraßen in einen der vier Nachbarorte zu radeln.

Die Osterwiecker Stadtverantwortlichen haben die Probleme erkannt. Nicht erst jetzt, da durch die Corona-Pandemie das Interesse der Menschen am Radeln nochmal einen zusätzlichen Aufschwung erhalten hat. Der Fahrrad-Boom ist eigentlich schon seit Jahren da. Zumal es jetzt dank Elektrofahrrädern auch Untrainierten möglich ist, längere Strecken und Hügel stressfrei zu bewältigen.

Dass die Stadt Osterwieck die Zeichen der Zeit erkannt hat, zeigt sich auch daran, dass sie voriges Jahr Gründungsmitglied der sachsen-anhaltischen Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommune geworden ist. Diese wird sicher keine Geldquelle zur Umsetzung der Vorhaben sein, aber Unterstützung geben, Wege weisen. Und über die Arbeitsgemeinschaft soll ein Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern befördert werden.

Aller Anfang ist ein Plan. Der wird derzeit im Bauamt der Stadtverwaltung federführend von Annett Drescher erarbeitet. Sie ist noch mitten in der Arbeit. Dabei geht es um weit mehr, als etwa nur bunte Linien für denkbare Radwege in eine Landkarte einzuzeichnen. Streng genommen handelt es sich um eine Fortschreibung des Konzepts, das bisherige war jedoch längst nicht so umfangreich gewesen.

Ihren Fokus legt die Kommune nicht nur einfach auf die Verbindungsmöglichkeiten der Dörfer nach Osterwieck, sondern nach Möglichkeit in Form von straßenbegleitenden Radwegen. Hinzu kommen Verbindungen in die Nachbargemeinden, vor allem dorthin, wo bereits Anschlussradwege vorhanden wären. So kann man an der Bundesstraße 79 ab Hessendamm bis nach Wolfenbüttel durchradeln.

Über zwei Lückenschlüsse an der Bundesstraße 244 könnte man viel erreichen. Von Dardesheim in Richtung Norden gäbe es in Badersleben Anschluss an den neuen Huyradweg, der von Dedeleben bis Dingelstedt und ab kommendem Jahr sogar bis Eilenstedt führt.

Gäbe es gen Süden einen Lückenschluss zwischen Zilly und Langeln, wäre freie Fahrt nach Wernigerode und überhaupt an den Harzrand. Ein Lückenschluss an der Landesstraße zwischen Schauen und Stapelburg würde Osterwieck mit Ilsenburg, Wernigerode und Bad Harzburg verbinden.

Derartige Radwege können aber nicht mal einfach so neben eine Straße „gepflanzt“ werden. Es geht dabei auch um Grundstücksfragen. Deshalb ermittelt die Stadtverwaltung im Rahmen dieser Konzepterstellung zugleich die Grundstückseigentümer der benötigten Flächen.

Am einfachsten wäre ein Radwegebau natürlich, wenn die Kommune selbst Eigentümer ist. Das trifft für eine Trasse zwischen Zilly und Berßel zu. Und weil das so ist, gelang es der Kommune mit der Landesstraßenbaubehörde auszuhandeln, dass der Bau dieses Radweges vorgezogen wird. In der Prioritätenliste des Landes befand sich dieses Vorhaben eigentlich fast am Ende, auf Platz 418. Nun aber kann aller Voraussicht nach nächstes Jahr gebaut werden. 1850 Meter lang, zwei bis zweieinhalb Meter breit, von Zilly bis zu den S-Kurven Richtung Berßel. Von dort können Radler dann auf einem Plattenweg weiterfahren.

Die Vereinbarung mit der Landesbehörde ist geschlossen, die Planung weitestgehend abgeschlossen, wie Annett Drescher berichtete. Die Stadt übernimmt Planung, Ausschreibung, Vergabe, Bauüberwachung, Abrechnung und Vertragsabwicklung; das Land trägt die Kosten.

Solch eine günstige Konstellation ist allerdings selten. Annett Drescher hob noch Schauen hervor. Dort wurde auf Initiative der örtlichen Teilnehmergemeinschaft und Forstbetriebsgemeinschaft die Trasse für einen Radweg nach Stapelburg herausgemessen. Bis zur Waldgrenze ist die Stadt dadurch bereits Eigentümer des straßenbegleitenden Grundstücks, im Wald läuft noch das Verfahren. Allerdings sind die Vorbereitungen durch die Stadt Osterwieck nur bis zur Gemarkungsgrenze im Schauener Holz möglich. Dahinter liegt die Gemeinde Nordharz.

Auf andere Weise günstig wäre die Eigentumskonstellation an der Landstraße Osterwieck-Berßel. Hier gibt es nur zwei Eigentümer, mit denen Übereinkunft erzielt werden müsste. Für einen weiteren Teil des Radweges könnte die alte Eisenbahntrasse genutzt werden, so die Idee. Der Radweg käme dann am Osterwiecker Einkaufszentrum raus.

Zieht man einen Strich unter alle Vorhaben innerhalb des neuen Radwegekonzeptes, so kommen diese Streckenlängen heraus: 18,7 Kilometer an Bundesstraßen, 31,6 Kilometer an Landesstraßen, 18,5 Kilometer an Kreisstraßen und 1,9 Kilometer an Gemeindestraßen. Wobei es hier nur um außerörtliche Radwege geht.

Das Konzept soll, nachdem es durch die politischen Gremien der Stadt gegangen ist, den zuständigen Behörden im Bundesland Sachsen-Anhalt und im Landkreis Harz übergeben werden. Was aber nicht vor 2021 zu erwarten ist.