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Sanierung Die Welt rettet Altstadt-Fachwerk

Angehende Denkmalpfleger aus mehreren Ländern sammeln in Halberstadt praktische Erfahrungen.

Von Jörg Endries 11.05.2019, 04:00

Halberstadt l International geht es in diesen Tagen auf zwei Baustellen in der Halberstädter Altstadt zu. Studierende der Hochschule Anhalt aus Dessau helfen bei der Sanierung von zwei Fachwerk-Schätzen – den über 300 Jahre alten Häusern Grudenberg 7 und 8. Die zwölf jungen Frauen und Männer aus Pakistan, Syrien, Nepal, Ägypten, China und der ­Türkei studieren Denkmalpflege mit Masterabschluss und wollen in Halberstadt praktische Erfahrungen sammeln.

Das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg (DFZ) bietet seit vielen Jahren entsprechende Seminare in der Region an, auch für Flüchtlinge. Jugendliche aus über 25 Ländern waren bislang bei den zahlreichen Vorhaben mit eingebunden. „Seit über zwölf Jahren verbindet das Fachwerkzentrum und die Hochschule eine Kooperation“, informiert Geschäftsführerin DFZ-Claudia Hennrich. Die Vorteile für beide liegen auf der Hand: Der gemeinnützige Verein profitiert vom Einsatz der Studierenden, die wiederum lernen praxisbezogen an Denkmalen zu arbeiten.

Minhil aus Pakistan arbeitet im Grudenberg 8, dort begannen 2014 die umfangreichen Arbeiten zur Rettung des vom Verfall gezeichneten Hauses. Ihr Architekturstudium hat die junge Frau bereits erfolgreich abgeschlossen. In Dessau absolviert sie zusätzlich ein zweijähriges Masterstudium, berichtet sie. Das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg steht für ressourcen­schonende und energieeffiziente Sanierung mit alten Handwerkstechniken. Aus diesem Grund ist Minhil in Halberstadt. Sie möchte praktische Erfahrungen auf den Baustellen sammeln. Im 1697 erbauten Grudenberg 8 bekommt sie derzeit dazu Gelegenheit. Dort lernt sie, wie man fachgerecht mit dem Naturbaustoff Lehm Innen­wände verputzt. Genauso wie Melodie, eine junge Türkin – ebenfalls eine Architektin, die in Dessau studiert.

In Halberstadt erfahren die Studierenden, dass man Zement und Chemie auf den Baustellen des Fachwerkzentrums vergebens sucht. Die Gebäude sollen authentisch saniert werden. Lehm zum Beispiel speichert Wärme und reguliert Luftfeuchtigkeit. Das wussten Handwerker bereits vor Tausenden von Jahren. Heute erinnert man sich wieder daran.

Im Obergeschoss vom Grudenberg 8 streichen zwei junge Männer die restaurierten Deckenbalken – Mohammed aus Syrien und Rober aus Ägypten. Zum Einsatz kommt kein Chemiecocktail aus dem Baumarkt, sondern eine selbst angesetzte ökologische Farbe, klärt Claudia Hennrich auf. Unter Anleitung von ­Oliver Raupach, Restaurator des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg, wird die Farbe angesetzt. Er setzt zu 100 Prozent auf Naturressourcen. „Die Farbe besteht aus Leinöl, versetzt mit schwarzen und weißen Pigmenten“, berichtet der Fachmann.

In direkter Nachbarschaft zum Grudenberg 8 wird am um 1700 erbauten Grudenberg 7 gearbeitet, ein Haus, das bereits seit über 30 Jahren verwaist ist. Im Auftrag des Besitzer, Otto Plettner aus Mexiko, kümmern sich das Deutsche Fachwerkzentrum und die Stadt Halberstadt um die Rettung des wertvollen Hauses. „Mitarbeiter eines Zimmerfachbetriebes tauschen desolate Schwellhölzer aus. Wir beschäftigen uns mit der Sicherung und Aufarbeitung der historischen Fenster und ersetzen Lochblecke durch Holzzapfen“, informiert Claudia Hennrich. Kolnadar aus dem Irak und Aron aus Nepal beseitigen die Lochbleche aus dem Fachwerk, die vor etwa 30 Jahren zur Sicherung der Holzkonstruktion gesetzt wurden. Unter Anleitung von Zimmermeister Dieter Hegholz fertigen sie Holzzapfen an, die auf traditionelle Art Holzbalken miteinander verbinden.

Otto Plettner freut sich über die Unterstützung zur Rettung seines Hauses. „Ich denke, dass es für die Stadt Halberstadt von Bedeutung ist, dieses besonders wertvolle Denkmal zu retten und dadurch eine sinnvolle Nutzung in Aussicht stellt, die das gesamte Umfeld wesentlich verbessern würde und damit der Stadt zugute kommt.“ Er hofft, dass durch die jetzt stattfindende Sanierung sich bald Interessenten melden, mit denen ein Projekt zum Innenausbau und einer sinnvollen Nutzung gestartet werden kann. Darüber hinaus habe das restliche Grundstück viel Potential zur Nutzung für Wohnungen und/oder Geschäfte, so der Mann aus Mexiko mit deutschen Wurzeln.