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Sommerabenteuer Rimpaus Erben: Leuchtturm der Saatzucht

Das "Sommerabenteuer" der Volksstimme führte in die Nordsaat Saatzucht GmbH in Böhnshausen.

06.07.2017, 10:03

Böhnshausen l Die Harz-Re­gion ist nicht nur ein, sondern schlichtweg das Zentrum der deutschen Saatzucht. Mehrere bedeutende Unternehmen sind hier ansässig, betont An­dreas Seggel, technischer Leiter der Nordsaat Saatzucht GmbH in Böhnshausen, zur Begrüßung der Sommer-Abenteurer. Diese Konzentration habe einen Hintergrund. „Der Harz sichert auf der Ostseite zuverlässige Bedingungen für die Saatzucht. Es gibt keine großen Unwetter, im Schatten des Brocken fallen zwar weniger Niederschläge, damit kommt die Saatzucht aber ganz gut klar“, erklärt der gebürtige Österreicher.

Die Nordsaat Saatzucht GmbH gehört zu den Leuchttürmen der Branche. Den Grundstein dafür haben vor mehr als 100 Jahren Pioniere wie Wilhelm Rimpau (1842-1903) in Langenstein gelegt, wo er mit der ­Züchtung von Roggen, später von Weizen, Zucker­rüben, Sommergerste und Hafer begann. In Böhnshausen beschäftigt man sich heute erfolgreich mit der Weiterentwicklung von Hochleistungssorten Winterweizen, Sommergerste und Tricitale, einer Kreuzung von Weizen und Roggen. „Diese Kreuzung, die eine eigene Weizenart ist, gelang übrigens Wilhelm ­Rimpau erstmalig“, erklärt ­Andreas Seggel.

Die Zucht und Zulassung einer neuen Sorte ist ein langwieriger Prozess. „Ziel ist, nur die positiven Seiten zweier Sorten in einer neuen zu vereinen, um eine bessere zu erhalten“, informiert An­dreas Seggel. Von der Kreuzung zweier Sorten bis zur Zulassung für den Markt vergehen zehn Jahre. Eine arbeitsintensive Zeit. Von der neuen Sorte werden erst tausende Stämme gezüchtet, die testet man immer wieder auf Ertrag, Qualität, ­Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Anpassung auf unterschiedliche klimatische Bedingungen und sortiert immer wieder aus. Übrig bleibt am Ende der langen Entwicklung eine neue Sorte. Im hauseigenen Labor testen die Pflanzenzüchter sogar deren Backeigenschaften aufwendig. Dafür stehen 25 Backautomaten zur Verfügung.

Sauberkeit wird auf allen Stationen groß geschrieben, unterstreicht Andreas Seggel. „Ist ein Mähdrescher zwei Stunden im Einsatz gewesen, um eine neue Sorte zu ernten, muss er vor seinem nächsten Einsatz sechs Stunden peinlichst geputzt werden, damit es zu keiner Vermischung des Saatgutes kommt.

Ob diese Zeit letztendlich für das Unternehmen erfolgreich ertragreich ist, da­rüber entscheidet das Bundessortenamt in Hannover. Jede neue Sorte wird dort nochmals drei Jahre unter die Lupe genommen, ob sie alle Qualitätskriterien erfüllt. „Natürlich wird auch geprüft, ob wir das Amt nicht veräppeln wollen. Sprich, ob die Sorte wirklich neu ist oder schon einmal da war“, betont ­Andreas Seggel scherzhaft. Pro Jahr bringt die Nordsaat Saatzucht ein bis drei neue Sorten Winterweizen, Sommergerste oder Tricitale erfolgreich auf den Markt. Derzeit sind es insgesamt 30. Zusammen mit sechs weiteren mittelständischen Pflanzenzüchtern ist die Nordsaat Gesellschafter der Saaten-Union, die insgesamt über 100 Sorten auf dem Markt hat.

Für die Forschungs- und Vermehrungsarbeit stehen dem Unternehmen 200 Hek­tar Ackerfläche um Böhnshausen zur Verfügung. Für die Zucht nutzt der Betrieb aktiv 68 Hektar. Nach Ernteschluss verordnet man dem Areal eine zweijährige Ruhezeit. Die Saatzucht zieht auf eine andere Scholle um.

Auf dem Feld muss das junge Saatgut beweisen, was es kann. „Etwa 80 Prozent davon ist Schrott, also krank, entspricht nicht den Ertragserwartungen oder fällt um“, so Andreas Seggel. Übrigens führt die Nordsaat diesen Abfall einer sinnvollen Nutzung zu. Auf dem Betriebsgelände steht ein Heizhaus, in dem es verbrannt wird, um Wärme für den Betrieb und die benachbarte Berufsbildende Schule des Landkreises Harz zu erzeugen.

Schließlich gibt es noch die Gewächshäuser, in denen seltsamerweise nachts das Licht brennt. Einige Sommerabenteurer wollten wissen, warum das so ist. Um eine Antwort ist Andreas Seggel nicht verlegen. „Wir züchten natürlich nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter. Dazu müssen wir den Pflanzen aber den Juni mit der höchsten Lichtausbeute von 18 Stunden pro Tag vorgaukeln. Nur dann blühen die Pflanzen und es wachsen Früchte, die Körner“, so der technische ­Leiter.

Die Nordsaat legt großen Wert darauf, den eigenen Fachkräfte-Nachwuchs auszubilden. Bedeutet, pro Jahr beginnen drei Lehrlinge ihre Ausbildung zum Pflanzentechnologen oder zum agrarwissenschaftlich-technischen Assistenten. Angesichts des demografischen Wandels sei es sehr schwer junge Leute zu finden, beklagt Andreas Seggel.