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Straßenbau  170 Grad: Hitzeschlacht auf der B 6

Bei Heimburg wird auf rund fünf Kilometer Länge die Fahrbahn der B 6 erneuert. Für die Straßenbauer ist das eine Herausforderung.

Von Dennis Lotzmann 26.07.2016, 01:01

Heimburg l Drei Wochen noch. Dann verabschiedet sich André Felchner in den Urlaub. An den Chiemsee. „Und dann will ich keinen Asphalt mehr sehen.“ Der Satz, den der 46-Jährige förmlich herüber brüllen muss, um gegen den hämmernden Maschinenlärm anzukommen, bekommt erst mit Blick auf die Örtlichkeiten einen tieferen Sinn: André Felchner ist Straßenbauer und zusammen mit seinen Kollegen gerade dabei, der B 6 zwischen Heimburg und Wernigerode eine neue Asphaltdecke zu verpassen.

Ein Zuckerschlecken ist das wahrscheinlich nie. Im Moment ist die Herausforderung aber extrem: Die Sonne brennt von oben, von unten strahlt der etwa 170 Grad Celsius heiße Asphalt. Die Luft flimmert, der Gestank macht das Atmen schwer. Für die Männer auf den Maschinen, die sich langsam und unaufhaltsam pro Minute rund 2,50 Meter in Richtung Blankenburg schieben, gibt es kein Entrinnen. Im Schnitt zehn Stunden pro Tag schuften sie, um das neue Asphaltband pünktlich fertigzustellen.

André Felchner, der an einem Fertiger die Asphaltbohle bedient, mit dem die Deckschicht eingebaut wird, ist dabei ein „kleines“ Rädchen im großen Getriebe einer ausgeklügelten Technologie zwischen mehreren Mischwerken ganz am Anfang und den neun Tonnen schweren Walzen, die ganz zum Schluss den dampfenden Asphalt verdichten.

„Das Zusammenspiel muss perfekt funktionieren“, bestätigt Uwe Langkammer, Präsident der Landesstraßenbaubehörde (LSBB). Die LSBB lässt seit April für rund 5,5 Millionen Euro die Fahrbahn der B 6 an dieser Stelle erneuern. Gebaut im Jahr 1999 und pro Richtung täglich von gut 10 000 Fahrzeugen befahren, sei die Erneuerung jetzt ganz planmäßig, erklärt der Behördenchef.

Jetzt geht es auf der Richtungsfahrbahn West ans Finale. Binnen fünf, sechs Tagen bekommt die 10,50 Meter breite Fahrbahn auf fünf Kilometer Länge ihre Decke. „Wir bauen die obersten beiden Schichten in einem Zug ein und ziehen die Decke in einem Zug auf gesamter Breite“, erklärt Langkammer.

Was die LSBB mit Blick auf maximale Langlebigkeit fordert, ist für die Macher an den Maschinen eine besondere Herausforderung. Zwei Fertigungszüge schieben sich – zentimetergenau dirigiert – langsam gen Osten. Nur so kann die autobahnähnliche Bundesstraße mit 10,50 Meter Breite in einem Ruck asphaltiert werden. „Damit vermeiden wir die Naht in der Mitte als Schwachstelle“, erklärt Langkammer.

Zu jedem der beiden Züge gehören wiederum zwei Fertiger, die gewissermaßen auf Tuchfühlung hintereinander manövriert werden. Während die erste Maschine die etwa zehn Zentimeter mächtige Binderschicht auf die vorhandene Tragschicht bügelt, zieht der zweite Fertiger die exakt 2,5 Zentimeter dicke Deckschicht auf. „Da die Schichten heiß auf heiß und heiß an heiß eingebaut werden, ist die Haltbarkeit am besten“, nennt Langkammer den entscheidenden Vorteil.

Damit das alles wie geplant klappt, müssen die Bauleute die schweren Maschinen zentimetergenau dirigieren. Wegen des Lärms kommunizieren die Arbeiter an den Maschinen nur per Sprechfunk. Obendrein darf der Materialnachschub nicht stocken.

„Wir haben für die fünf Asphalt-Tage drei Mischwerke mit ihrer gesamten Kapazität fest im Vertrag“, berichtet Langkammer. Aus Wegeleben und Nordhausen rollen pausenlos Sattelauflieger mit Binderschicht heran, aus Haverlah bei Salzgitter kommt die Deckschicht-Mischung. „Außerdem, haben wir noch zwei Mischwerke für Notfälle in Reserve.“

Die Mengen, die verbaut werden, sind enorm: Pro Stunde schieben sich die Maschinen 130 bis 150 Meter voran, die Sattelschlepper müssen derweil 390 bis 450 Tonnen heiße Asphaltmischung rankarren.

Jörg Sobania gehört zu den Piloten der PS-starken Laster. Er hat sein 40 Tonnen schweres Gefährt – die Ladung umfasst 26 Tonnen – gerade über zwei Kilometer rückwärts heran dirigiert und wartet jetzt auf das Entladesignal. Das lässt auf sich warten, weil der 45-Jährige die feinkörnige Deckschicht geladen hat. Die ist – weil dünner eingebaut – nicht so gefragt wie die gröber gemixte Binderschicht.

„Drei Touren werde ich heute machen“, berichtet der 45-jährige Vienenburger, der jedes Mal bis ins 70 Kilometer entfernte Haverlah rollt. Was die Jungs vorn auf den Maschinen leisten müssen, kann Sobania voll nachvollziehen – „früher habe ich auch dort gearbeitet“. Und – hat er auch eine Verschnaufpause in Form von Urlaub in Sichtweite? „Nöö, ich mach‘ im Winter Urlaub und fliege in die Karibik.“

André Felchner nimmt derweil vorn auf der Maschine wieder einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Sechs bis sieben Liter rinnen ihm im Tagesverlauf durch die Kehle, danach ist Feierabend. Bleibt dann noch Kraft für irgendetwas? Kaum. „Meist pendeln wir nur zwischen Flughafen, Hotel und Baustelle.“

Apropos pendeln: Vor seinem Urlaub pendelt Felchner noch mal ein ordentliches Stück weiter: „Als nächstes ist Russland angesagt“, verrät der 46-jährige Ludwigshafener, der seit 27 Jahren den Job macht. Dann ziehen er und seine Kollegen von der Firma Vögele die M 11, die nagelneue Magistrale zwischen Moskau und Sankt Petersburg.

Die B 6 soll zwischen Heimburg und Wernigerode übrigens ab 8. August wieder uneingeschränkt befahrbar sein. „Wenn die neue Fahrbahndecke dann auch wieder 15 bis 16 Jahre durchhält, haben wir alle gut gearbeitet.“