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Straßenverkehr Halberstadts Nordumfahrung birgt Sprengstoff

Halberstadt bekommt nach der Ortsumfahrung B 81/B 79 Harsleben einen zweiten Verkehrsbypass. Fünf Vorschläge für die Trasse liegen vor.

Von Jörg Endries 18.06.2020, 01:01

Halberstadt l Über ein Jahrzehnt forderten Politik und Wirtschaft für Halberstadt eine Ortsumgehung, um die Stadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten und für ortsansässige Unternehmen schnelle Anschlüsse an das überregionale Verkehrsnetz zu bieten. Seit Ende 2019 gibt es die Ortsumfahrung Halberstadt/Harsleben zwischen der B 81 und der B 79. Wann und wo wird die Nordumfahrung Halberstadts, die sogenannte Stahlhelmvariante, gebaut? Wird sie überhaupt gebaut?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Treffens in Halberstadt, zu dem der Landtagsabgeordnete Daniel Szarata (CDU) in dieser Woche unter anderem Staatssekretär Dr. Sebastian Putz (CDU) vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, den Regional­leiter West der Landesstraßenbaubehörde Michael Schanz, ­Thomas Rimpler, stellvertretender Bürgermeister Halberstadts, und weitere Landtagsabgeordnete eingeladen hatte.

Es ist keine Frage ob die zweite Ortsumfahrung für Halberstadt gebaut wird, sondern wann. Denn gearbeitet wird an dem Projekt bereits, betonte Michael Schanz. Man befinde sich bereits in der Vorplanung.

„Die Ortsumfahrung steht im aktuellen Bundesverkehrswegeplan mit einem hohen Kosten-/Nutzen-Faktor“, informierte Sebastian Putz. Der hohe Faktor katapultierte die Ortsumfahrung Halberstadt sogar auf den zweiten Platz in Sachsen-Anhalt, ergänzte ­Michael Schanz. Damit würde uneingeschränkter Planungsbedarf bestehen. Allerdings befinde man sich in einer noch sehr frühen Phase, so Sebastian Putz. „Vor uns liegen noch zehn Jahre Planungen bis zur Realisierung“, sagte der Staatssekretär. Das bedeutet, vor 2030 wird es keinen ersten Spatenstich geben.

Die Corona-Pandemie sei auch nicht spurlos an den Planungen für die Ortsumfahrung vorbeigegangen, unterstrich Michael Schanz. Die Zeitschiene für das Ende der Planungen hätte das Virus bereits ins Jahr 2031 verschoben. Zum Beispiel sei unter anderem die dringend notwendige Verkehrszählung ausgefallen. Es seien viel weniger Fahrzeuge zur schlimmsten Zeit der Pandemie auf den Straßen unterwegs gewesen. Die Zählung hätte kein realistisches Bild gezeichnet. „Die Zählung ist daher auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben worden.“

Mittlerweile beschäftigen sich die Planer nicht nur mit einer Trassenvariante, die auf Grund ihrer Form, ein großer Bogen um die Kreisstadt, als Stahlhelmvariante bezeichnet wird. Auf einer Karte der Landesstraßenbaubehörde sind vier mögliche Varianten eingezeichnet, die alle einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Die Stadt Halberstadt brachte sogar einen ­fünften Vorschlag in die Diskus­sion mit ein, der noch nicht in die offiziellen Planungen aufgenommen wurde. Die Trassenführungen bergen alle viel Sprengstoff. Entweder tangieren sie mehr oder weniger Wohnbebauungen oder kollidieren mit der Umwelt.

Michael Schanz erklärte die einzelnen Trassenverläufe: Die in der Karte eingezeichnete Variante 1.1 ist der ursprüngliche Verlauf aus der Anmeldungsphase für den Bundesverkehrswegeplan. Die Variante 1.2 ist enger um die Stadt gezogen, hält aber mehr Abstand zu einer Kleingartenanlage an der Mahndorfer Straße. Variante 2 ist die klassisch große Helmvariante mit einem großen Bogen um Halberstadt. Sie hält zur Wohnbebauung und Umweltschutzflächen den größten Abstand.

Variante 3 verläuft teils durch die Stadt, bündelt dafür viele Straßen und habe daher eine sehr hohe verkehrliche Wirksamkeit. Allerdings sei diese eine städtebauliche Herausforderung, weil sie dicht an Wohnbebauung verläuft. Die Variante 4 sei keine Nordumfahrung mehr, sondern eine Südumfahrung. Sie würde zwischen der Kreuzung B 79/Kreuzung Westerhausen die Halberstädter Berge tangierend in Richtung Westen verlaufen, um dann auf die B 81 zwischen Halberstadt und Wilhelmshöhe zu stoßen.

Eine Entscheidung, welche dieser Trassen letztendlich gebaut wird, sei noch nicht gefallen. Das wird sich erst im anstehenden Planungsprozess herauskristallisieren, betonte Michael Schanz. Jede einzelne Variante wird dabei gründlich beleuchtet, das Für und Wider abgewogen und diskutiert, um dann zum Schluss die Variante zu finden, die die wenigsten Konfliktpunkte hat, so der ­Behördenchef. Sebastian Putz: „Die Planungen sind ein Stück Quadratur des Kreises. Man wird nicht die Variante finden, die allen gefällt.“

„Die Stadt Halberstadt benötigt dringend eine zweite große Ortsumfahrung, die den Verkehr in Richtung Westen um die Stadt führt“, betonte Thomas Rimpler. Die ­Stadtverwaltung Halberstadt habe sich ihre eigenen Gedanken um den Verlauf gemacht, um möglichst große Konflikte von Mensch und ­Natur zu vermeiden.

Der Vorschlag: Die Trasse beginnt an der Stelle, wo die Ortsumfahrung Halberstadt/Harsleben bislang endet, am Abzweig der Kreisstraße 1322 in Richtung Westerhausen und nimmt den Verlauf der Kreisstaße in Richtung A 36 auf, wo sie an die Autobahn angeschlossen wird. Damit hätten die Gewerbegebiete in Halberstadt und Harsleben einen direkten Anschluss an das über­regionale Autobahnnetz und man würde weder Halberstadt noch die nördlich der Kreisstadt gelegenen Orte tangieren, so Thomas Rimpler.

Allerdings birgt auch dieser Vorschlag einen Konflikt. Die Straße würde durch ein sogenanntes FFH-Gebiet verlaufen – ein spezielles europäisches Schutzgebiet für den Natur- und Landschaftsschutz, machte Michael Schanz aufmerksam. „Das Gebiet kann doch untertunnelt werden“, entgegnete der stellvertretende Bürgermeister Halberstadts. An den hohen Tunnelbaukosten sei schon eine Ortsumgehung in Blankenburg ­gescheitert, warf Michael Schanz ein.

Offen blieb nach der Diskussion nicht nur die mögliche Trassenführung, sondern auch der Baustart. Sebastian Putz machte darauf aufmerksam, dass 2031 erst eine Entscheidung zur Finanzierung fällt. Nach den derzeitigen Planungen geht man von Gesamtkosten in Höhe von 42 Millionen Euro aus. Eine Zahl, die bereits mehrere Jahre alt ist und die enorme Baukostensteigerungen der Gegenwart noch nicht berücksichtigt. Derzeit kann auch niemand verlässliche Aussagen über die Preise in zehn oder zwölf Jahren tätigen.