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Stromversorgung Einigung über neue Trasse

Über die Bauweise der künftigen Harzring-Hochspannungsleitungn zwischen Wasserleben und Dingelstedt ist ein Kompromiss erzielt worden.

Von Mario Heinicke 26.06.2020, 04:00

Osterwieck/Huy l Entspannte Gesichter im Osterwiecker Bunten Hof. Nach internen Gesprächen stellten Vertreter des Netzbetreibers Avacon, der Gemeinden Huy und Osterwieck sowie der Bürgerinitiative „Freie Sicht auf Huy und Bruch“ in einem Pressegespräch den Kompromiss vor.

Der Kern: Rund zehn Kilometer der Hochspann-  ungsleitung werden als Erdkabel verlegt – vom künftigen Umspannwerk Dingelstedt westwärts bis zum Bereich Kleiberg nördlich von Badersleben, also noch über die Bundesstraße 244 hinaus. Damit behalten die Einwohner der Gemeinde Huy also die nachdrücklich geforderte freie Sicht auf Huy und Bruch.

Die anderen 13 Kilometer bis zum Umspannwerk Wasserleben werden als Freileitung gebaut. Dabei gibt es eine Änderung, auf die besonders die beiden beteiligten Kommunen Osterwieck und Huy gedrungen hatten. Die Strommasten um den Windpark Druiberg herum werden etwas mehr Abstand zu den Windrädern erhalten, um die angestrebte Erweiterung des Windparks zu ermöglichen.

Der Windpark umfasst Flächen der Gemarkungen Dardesheim, Rohrsheim und Badersleben. In der Stadt Osterwieck ist das Windpark-Unternehmen größter Steuerzahler.

Letztmalig hatten die Beteiligten Ende Februar zusammengesessen – und keine so rechte Übereinkunft erzielt. Avacon hielt an der 23 Kilometer langen Freileitung fest. Wegen der Kosten und der im Rahmen der Energiewende noch anderenorts im riesigen Netzgebiet von Nordsee bis Harz anstehenden Investitionen.

In den vergangenen Monaten aber haben die Verantwortlichen der in Helmstedt ansässigen Avacon AG das Vorhaben überdacht und einen neuen Vorschlag erarbeitet, dessen Inhalt bis Mittwoch den Beteiligten in Osterwieck und Huy nicht bekannt war.

„Im Sinne eines partnerschaftlichen Miteinanders gehen wir nun einen großen Schritt auf die Gemeinden und die Betroffenen zu und sind bereit, eine Teilverkabelung zu planen“, erklärte Vorstandsvorsitzender Marten Bunnemann.

Ein wesentliches Argument dafür boten die Sicherheitsbedenken für den Flugplatz in Dingelstedt, in dessen Nähe die Freileitung entlangführen sollte. Diese wäre eine Gefahr für den Flugbetrieb gewesen, unterstrich Dirk Spangenberg, der Vorsitzende des dort ansässigen Luftsportvereins. Er atmete nach dem Kompromiss auf. Die Freileitung hätte wahrscheinlich das Aus für den Verein, in dem derzeit 15 Hobbypiloten aktiv sind, bedeutet.

Bunnemann erläuterte, dass sich solche Projekte immer im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Umwelt- und Preisaspekten bewegen, wobei Versorgungssicherheit die Priorität besitze. „Erdverkabelung ist ein Vielfaches teurer als eine Freileitung.“ Das habe aber nichts mit Profit zu tun, unterstrich er. Letztendlich seien die Einnahmen eines Netzbetreibers reguliert.

Hierein spielt der Faktor 2,75. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz ist eine Erdverkabelung auszuwählen, wenn die Kosten maximal 2,75 Mal so hoch wie eine Freileitung sind. Als Freileitung gebaut, standen nach Avacon-Angaben bisher zehn Millionen Euro Kosten im Raum, bei Erdverkabelung 31 Millionen Euro. Also ein Faktor von 3,1.

Das neue Projekt macht das Vorhaben im Vergleich zur reinen Freileitung zehn Millionen Euro teurer. Damit belaufen sich die geplanten Kosten nun auf 20 Millionen Euro. „Das ist gut zu rechtfertigen“, betonte der Avacon-Chef und bekräftigte den Kompromiss.

Die Bürgerinitiative, zu der nach Angaben ihres Sprechers Maik Berger 450 Menschen gehören, hatte in ihrem Kampf gegen die Freileitung auch die große Politik eingeschaltet. Nächste Woche sollte auf einer Sitzung der Petitionsausschuss des Landtages darüber beraten werden. Berger erklärte am Mittwochabend, dass er seine Petition nun zurückziehen und den Ausschuss informieren werde.

Er erinnerte an die Gründung der Bürgerinitiative vor etwas mehr als einen Jahr und betonte, dass es den Bürgern immer wichtig gewesen sei, „dass der Harzring umgesetzt wird“. Wegen der zahlreichen Stromausfälle in der Gemeinde Huy. Es sei den Bürgern mit ihren Einwänden daher immer nur um die Ausführung gegangen. Der jetzt erzielte Ergebnis gehe ein Stück weit auf die jüngsten Gespräche zurück. „Das waren gute Gespräche gewesen, natürlich mit gegensätzlichen Positionen.“ Berger, der auch Ortsbürgermeister (SPD) von Aderstedt ist, freue sich nun über das Resultat.

„Mit dem Kompromiss können wir sehr gut leben. Für die Wirtschaftlichkeit des Windparks Druiberg und für den Flugplatz“, sagte Huy-Bürgermeister Thomas Krüger (CDU). Auch seine Osterwiecker Amtskollegin Ingeborg Wagenführ (Buko) äußerte sich erleichtert. „Ein Klageweg hätte uns allen geschadet.“ Sie begrüße es, dass durch das Entgegenkommen des Netzbetreibers das Vereinsleben in dieser ländlichen Region anerkannt werde.

Thomas Steckhan aus der Bürgerinitiative sprach allerdings auch von einem „Wermutstropfen“. Denn die Fortsetzung der Hochspannungsleitung von Dingelstedt nach Schwanebeck sowie später Harsleben sei als Freileitung geplant. „Die Schmerzen werden wiederkommen, wenn der zweite Abschnitt ansteht“, prophezeite Steckhan. „Dann werden wir uns wahrscheinlich genau an der Stelle wiedersehen, an der wir jetzt sind.“

Bis dahin wird noch etwas Zeit ins Land gehen, voraussichtlich um die zwei Jahre. Jetzt konzentrieren sich die Avacon-Mitarbeiter auf die Feinplanung des Vorhabens mit dem Erdkabel sowie die Vorbereitung der Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren im Abschnitt zwischen Wasserleben und Dingelstedt. Diese sollen bis Ende des Jahres beim Landesverwaltungsamt eingereicht werden.

Planer Yannick Heisler rechnet mit einer längeren Genehmigungsphase von einem Jahr und mehr, so dass es ab 2022 oder 2023 zum Bau kommen könnte, der sich nochmals um die eineinhalb Jahre erstrecken dürfte. Um den Harzring später zu schließen, sind noch weitere etwa 25 Kilometer Hochspannungsleitungen bis Harsleben notwendig.