1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Nächtliches Warten aufs Taxi

Taxigewerbe Nächtliches Warten aufs Taxi

Nachts in Halberstadt ein Taxi bestellen? Sollte kein Problem sein. Ein Sargstedter hatte jüngst allerdings kein Glück dabei.

Von Dennis Lotzmann 02.11.2017, 07:02

Halberstadt l Dieser Tage in Halberstadt: Volker Mehnert weilt mit seiner Frau bei einer Familienfeier. Es wird spät. Als er gegen 0.30 Uhr den zentralen Halberstädter Taxiruf wählt, um ein Fahrzeug zu bestellten, die böse Überraschung: Er sei gerade ausgebucht und könne die gewünschte Fahrt nach Sarg- stedt wohl erst in zwei, zweieinhalb Stunden realisieren, so die Auskunft des eingesetzten Fahrers.

„Das hat mich schon sehr überrascht, weil ich das so noch nie erlebt habe“, berichtet der Betroffene. Und damit nicht genug: Die Versuche, andere im Telefonbuch registrierte Taxi-Anbieter aus Halberstadt zu erreichen, seien allesamt gescheitert, weil gar nicht erst jemand abgenommen habe. „Am Ende musste ich Freunde aus dem Bett klingeln, um zusammen mit meiner Frau überhaupt noch nach Hause zu kommen.“

„Das ist ein absolut unschönes Erlebnis, das so auch nicht passieren sollte“, räumt Dirk Müller, Vorsitzender der Halberstädter Taxi-Interessengemeinschaft (TIG), unumwunden ein. Aber: „Es ist angesichts der Rahmenbedingungen leider nicht gänzlich auszuschließen.“ Und die seien keineswegs so rosig, wie es Außenstehende und Taxi-Nutzer auf den ersten Blick vielleicht wahrnehmen.

In Halberstadt, so der 40 Jahre alte Unternehmer, gebe es neben gänzlich eigenständig agierenden Taxianbietern jene seit 1991 bestehende TIG. „Darin sind aktuell 14 Taxiunternehmer, die für sich jeweils wirtschaftlich selbstständig arbeiten und insgesamt 22 Fahrer im Einsatz haben, organisiert“, erklärt Müller. Das Ansinnen dabei: Den Kunden mithilfe eines gemeinsamen Ruf- und Vermittlungssystems und eines ebenfalls gemeinsam erstellten Dienstplanes an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr als „Taxizentrale Halberstadt-Taxi“ ein Transportangebot zu offerieren. Finanziert werde das System mit Umlagen der Mitstreiter.

„Letztlich ist das so ähnlich organisiert wie früher zu DDR-Zeiten die Genossenschaft“, erinnert der gelernte Kfz-Mechaniker, der seinen Betrieb nach dem Tod des Vaters im Jahr 2005 übernommen hat.

Während tagsüber genügend Taxen rollten, soll mithilfe der TIG sichergestellt werden, dass auch wochentags mindestens ein Fahrer nachts in Halberstadt unterwegs sei. „Das war auch in der betreffenden Nacht, als der Kunde aus Sargstedt gefahren werden wollte, so. Allerdings hatte der diensthabende Fahrer zu diesem Zeitpunkt gerade eine Tour nach Rotacker angenommen, und das dauert.“ Er könne das so genau sagen, weil es sich in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober um einen seiner vier angestellten Fahrer gehandelt habe, so Dirk Müller.

Doch reicht ein einziger Fahrer in den Nachtstunden für eine Kreisstadt wie Halberstadt überhaupt? „Ja, montags bis donnerstags zwischen 22 und 6 Uhr in aller Regel schon“, versichert der TIG-Vorsitzende. Nur in den Wochenend-Nächten oder an absehbaren Terminen seien mehr Fahrer im Einsatz. Die Wartezeit sollte 15 bis 20 Minuten nicht überschreiten. Es sei denn, zu den eher kurzen Fahrten im Stadtbereich komme eine Langstreckentour rauf in den Harz oder beispielsweise in Richtung Magdeburg.

Wäre in solchen Fällen ein Bereitschaftskollege, der sich abrufbereit hält, nicht eine Lösung? „Das klingt gut, ist letztlich aber eine finanzielle Frage“, betont der 40-jährige Unternehmer. Unterm Strich sei das finanziell völlig unrealistisch. „Das wäre sicher sehr schön, ist aber unbezahlbar.“

Konkret: Seit Einführung des Mindestlohns seien die Fahrtarife im Taxigewerbe gestiegen. Daraufhin sei wiederum die Zahl der Fahrgäste gesunken. In Heller und Pfennig gesprochen: „Der Mindestlohn liegt aktuell bei 8,84 Euro, ich zahle meinen vier angestellten Fahrern etwas mehr. Mit Abgaben, Sozialbeiträgen und Nachtzuschlägen habe ich stündlich zwischen 14 und 14,50 Euro Lohnkosten pro Fahrer zu tragen. Unter diesen Rahmenbedingungen nachts einen zweiten Fahrer kostenpflichtig in Bereitschaft zu halten, ist absolut undenkbar.“ Dessen Lohnkosten müsste der fahrende Kollege ja noch mit erwirtschaften. Und: Es gebe auch Nächte, da sei schon ein Fahrer zu viel.

Deshalb sei es auch keine Überraschung, dass Herr Mehnert beim nächtlichen Versuch, alternativ andere Anbieter telefonisch zu erreichen, erfolglos blieb. „Wir als TIG bieten nachts Fahrten an, die anderen machen das gar nicht erst und verlassen sich auf uns.“

„Es ist natürlich sehr, sehr ärgerlich, wenn so etwas passiert, wie jetzt dem Kunden aus Sargstedt. Eigentlich sollte das mithilfe unserer Interessengemeinschaft auch nahezu ausgeschlossen sein. Nur können wir das leider nicht garantieren“, bedauert der TIG-Vorsitzende.

Bleibt die abschließende Frage, wie Taxigäste sich gegen ähnliche unliebsame Erfahrungen schützen können. „Ganz einfach: Die nächtliche Fahrt rechtzeitig anmelden“, rät Dirk Müller.

Die Taxizentrale Halberstadt ist über die Telefonnummer (0 39 41) 2 50 00 erreichbar